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Deutschland: Leben in Klein- und Mittelstädten liegt im Trend

Stadt oder Land? Wohin ziehen die Menschen in Deutschland am liebsten? Diese Frage haben Forscher der Bertelsmann Stiftung jetzt untersucht – mit überraschenden Ergebnissen. Denn am beliebtesten sind keineswegs nur die großen Metropolen wie Berlin oder München. Stattdessen zieht es viele Menschen eher an den Stadtrand oder in kleinere und mittelgroße Städte.

Ob Berlin, Hamburg, Köln oder München – lange galten die großen Metropolen Deutschlands als die Bevölkerungsmagneten. Sie gewinne die meisten Einwohner hinzu, während der ländliche Raum langsam immer leerer wird. Tatsächlich gibt es heute ganze Landstriche vor allem im Osten des Landes, die geradezu verwaist wirken: Die jungen Menschen sind weggezogen und nur die alten blieben zurück.

Lieber Potsdam als Potsdamer Platz: Auch Berlin hat sich einen Speckgürtel umgeschnallt.

pixabay.com, scholty1970

"Überschwappeffekt" und Kleinstadt-Zustrom

Doch wohin ziehen all diese "Landflüchtigen"? Das haben Forscher der Bertelsmann Stiftung nun genauer untersucht und die Ergebnisse in einem Online-Portal zusammengestellt. Für ihre Studie werteten sie Daten zu Ummeldungen und damit Umzügen innerhalb Deutschlands aus und analysierten sie zum Beispiel nach Alter und Geschlecht, aber auch nach Ziel oder Herkunft. So lassen sich für alle Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern Wanderungsbewegungen detailliert nachvollziehen.

Das Ergebnis: Das Leben in der Stadt liegt nach wie vor im Trend. Dabei zieht es die Menschen aber keineswegs nur vom Land in die Millionen-Metropolen wie Berlin, Hamburg, München oder Köln. Stattdessen gibt es auch eine Art "Überschwappeffekt" der Großstädte: Viele Metropolen verlieren zunehmend Bevölkerung an ihr direktes Umland, den "Speckgürtel". Die kleinen und mittleren Städte in deren Umgebung profitieren dadurch.

Aber auch andere Mittel- und Kleinstädte in Deutschland haben Einwohner hinzugewonnen. Zu ihnen gehören Orte wie Bad Neustadt an der Saale oder Aurich in Ostfriesland, aber auch Kommunen in ländlichen Räumen wie Finsterwalde im Landkreis Elbe-Elster oder Eschwege im Werra-Meißner-Kreis dazu. "Für die kleinen und Mittelstädte ist dieser Trend eine Chance für Wachstum" erklärt Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Auch jenseits der Speckgürtel tut sich was: Klein- und Mittelstädte wie Aurich in Ostfriesland gelingt es, neue Einwohner anzuziehen.

Die Gründe: Mieten, Infrastruktur und Persönliches

Was aber sind die Gründe für einen Umzug in diese Städte? Das ist ganz unterschiedlich wie die Forscher feststellten: Die Gründe reichen vom Umzug wegen eines Arbeitsplatzwechsels oder in besseren – und vor allem bezahlbaren – Wohnraum bis zum Wunsch, im Alter in der Nähe der Kinder zu leben. "Neben den steigenden Mieten insbesondere in großen Städten wie Hamburg, München oder Berlin gibt es ein ganzes Bündel von Motiven für einen Umzug in eine kleinere Stadt", so Mohn.

Dabei spielt auch das Alter eine Rolle: Die jüngere Generation in Ausbildung und Studium zieht eher in die Großstadt, während Familien oder die älteren Generationen auch gerne in kleinere und mittlere Städte ziehen.

Wie attraktiv dabei ein Ort ist, entscheidet sich neben den persönlichen Gründen auch an der Infrastruktur – und hier muss vielerorts noch nachgebessert werden: "Damit diese Städte auch in Zukunft für die Menschen als Lebensort attraktiv bleiben, ist eine moderne und funktionierende Infrastruktur eine zentrale Voraussetzung. Hier sind die Kommunen in der Pflicht, bei Investitionen und Stadtplanungen die richtigen Prioritäten zu setzen", sagt Petra Klug, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung. "Wenn man dabei an den öffentlichen Personennahverkehr, ärztliche Versorgung oder Breitbandausbau denkt, ist klar, dass viele kleinere Städte dies nicht ohne Unterstützung von Land und Bund schaffen können."

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