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Die Grashalm-Architektur

Alexander Stahr

Architekten und Ingenieure sind stets auf der Suche nach Möglichkeiten, große Spannweiten mit minimalem Materialaufwand überbrücken zu können. Dabei orientierten sie sich immer wieder an natürlichen Vorbildern. So baute etwa Antonio Gaudi in seiner weltberühmten Kathedrale „Sagrada Familia“ in Barcelona sich baumartig verzweigende Pfeiler ein.

Ein weiteres Beispiel ist die 1923 errichtete Spritzbetonkuppel des Jenaer Planetariums. Ihre Dicke wurde durch Extrapolation der Dicke einer Hühnerschale errechnet. Im Blickfeld der Bioniker stehen auch Grashalme. Denn die scheinbar so zarten Gebilde schaffen es, enormen Winddrucken standzuhalten und sind gleichzeitig hochelastisch.

Den Schlüssel zu diesen Eigenschaften fanden Forscher im variantenreichen Wandaufbau der Halme. Das Pfeifengras Molinia coerulea besitzt beispielsweise eine Doppelringwand aus Außen- und Innenhaut mit eingezogenen Stützelementen, aber auch hydraulische Einheiten.

Der Trick der Pflanze: im weichen Zellgewebe zwischen den beiden Ringwänden ist Wasser eingelagert. Wasser ist nicht komprimierbar, so dass sich das Gewebe kaum zusammendrücken lässt. Damit wird die feste Trägerkonstruktion der Wand zusätzlich stabilisiert.

Die Pflanze ist sogar in der Lage, den Wassergehalt dieses Gewebes und damit auch die Biegesteifigkeit aktiv zu verändern. Forscher sehen in dieser Konstruktion ein Modell für eine neue Generation von Hochhäusern.

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