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Die Kritik der Kritiker

Günter Grass ist längst selbst Mediengeschichte. Eine Neuveröffentlichung des Nobelpreisträgers ist für Kritiker stets ein gefundenes Fressen - ein Branchen-Event der Eitelkeiten. Die Rezensionen überbieten sich gern in ihren Superlativen: vorgestern Weltklasse, gestern das totale Scheitern. Gemessen am bisherigen Medienecho scheint es, als schwebe der in den 90er-Jahre noch Vielgescholtene mit Im Krebsgang nun wieder wie der Phönix aus der Asche.

Autor von Weltruhm

Günter Grass

Als neben Martin Walser einziger deutscher Autor von Weltruhm, artet eine neue Günter Grass-Veröffentlichung in beständiger Regelmäßigkeit zum Medienereignis aus. Der 1999 mit dem Nobelpreis Geadelte gilt im deutschen Blätterwald längst als Großschriftsteller in Thomas Mannscher Tradition: Was Grass auch abseits der Prosafahnen äußert, ist von nationaler Bedeutung.
Viel diskutiert werden die streitbaren Äußerungen des politisch Engagierten: Zuletzt sorgte sein Vergleich, den Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber mit dem österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider und dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi auf eine Stufe zu stellen, für gehörige Verstimmung unter den Unions-Anhängern. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel bezeichnet den Nobelpreisträger daraufhin "als miesen Blechtrommler in der Kavallerie der Links-Literaten".
Doch an diese Polemik wird sich der inzwischen 74-Jährige gewöhnt haben. Wie wohl kein zweiter deutscher Schriftsteller der Nachkriegsära hat Günter Grass von Medien und Rezensenten einstecken müssen: Es ist zum Gesellschaftsspiel des Feuilletons geworden, sich gegen Grass in rauschhafte Verrisse zu schreiben. Fast scheint es, als überwiege die Lust an der eigenen Verriss-Inszenierung gegenüber dem eigentlichen Kritiker-Auftrag. Lart pour Lart für verhinderte Schriftsteller?

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