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Die kuriosen Liebesspiele der Tiere

Ob Vorspiel-liebende Bärtierchen, der Unterwasserakt der Delfine oder Schneeaffen mit außergewöhnlichen erotischen Vorlieben: Liebesspiele unter Tieren können faszinierend und mitunter ziemlich skurril sein. Forscher sind immer wieder überrascht über die vielfältigen Fortpflanzungsstrategien, Sexpraktiken und Geschlechtsorgane, die die Natur zu bieten hat. Wir stellen die interessantesten Fälle vor.
DAL, 18.03.2020

Delfine müssen auch beim Sex Akrobaten sein.

iStock.com, Mark_Doh

Im Tierreich dreht sich im Prinzip (fast) alles um Sex: Es geht darum, sich möglichst häufig und mit dem perfekten Partner fortzupflanzen. Denn nur so kann die eigene Erbinformationen an die nächste Generation weitergegeben werden und die Zeiten überdauern. Doch auch wenn alle Arten im Kern dasselbe Ziel verfolgen, hat das tierische Liebesleben im Laufe der Evolution zahlreiche Varianten hervorgebracht.

Zweigeteilter Penis

In manchen Fällen ist der Ablauf des Liebesspiels eine Anpassung an die erschwerten Bedingungen des Lebensraums: zum Beispiel bei den Meeressäugern. Delfine und andere Wale müssen das Kunststück vollbringen, sich freischwimmend im Ozean zu paaren. Vor einigen Jahren ist es Forschern gelungen, diesen komplizierten Akt der Kopulation bei Delfinen nachzuvollziehen.

Ihre Untersuchungen enthüllen, wie  sich der flexible Penis der Männchen durch die ungewöhnlich geformte Scheide der Weibchen bewegt. Dabei navigiert er um muskuläre Falten und Windungen herum, um eine erfolgreiche Besamung zu erreichen. Und das erfordert Präzision: "Männchen müssen sich den Weibchen für eine optimale Penetration oft in einem ganz bestimmten Winkel annähern", erklärt Dara Orbach von der Dalhousie University in Halifax.

Rotkehlanolis bei der Paarung
Rollentausch der Geschlechter

Leichter haben es in dieser Hinsicht die Männchen der Rotkehlanolis (Anolis carolinensis): Diese Echsen sind auf Annäherungen von allen Winkeln vorbereitet – dank eines gegabelten Geschlechtsorgans. Je nach dem, von welcher Seite sie sich ihrer Angebeteten nähern, benutzen die Tiere beim Sex ihren rechten oder linken Hemipenis.

Nicht immer ist die Penetration jedoch Männersache: Bei Höhleninsekten der Gattung Neotrogla trägt zum Beispiel das Weibchen eine Art Penis und das Männchen hat die Vagina. Dieses Phänomen ist nicht nur skurril, sondern auch einzigartig. "Zwar ist ein Rollentausch der Geschlechter schon bei einigen Tieren bekannt, Neotrogla ist aber das einzige Beispiel, bei dem auch das Organ dafür vertauscht ist", sagt Kazunori Yoshizawa von der Hokkaido Universität in Japan.

Ausgiebiges Vorspiel

Oft mutet Sex im Tierreich eher nüchtern an, der Akt scheint allein der Fortpflanzung zu dienen. Tatsächlich aber mögen es auch Tiere mitunter romantisch und lustvoll. So sind sich Forscher beispielsweise sicher, dass Menschenaffen durchaus Vergnügen an Sex haben und ihn nicht nur als Mittel zum Zweck einsetzen.

Selbst so unscheinbare Wesen wie die Bärtierchen wollen "es" mitnichten einfach schnell hinter sich bringen. Im Gegenteil: Biologen haben herausgefunden, dass der Sex der Tardigraden langanhaltend ist. "Für uns überraschend war das Vorspiel, das vor der Befruchtung der Eier stattfand", berichtet Jana Bingemer von der Universität Stuttgart. "Die Partner stimulieren sich dabei wechselseitig."

Bärtierchen

Wie man sich ein Weibchen angelt

Um die Gunst ihrer Angebeteten zu gewinnen, setzen die Männchen einiger Tierarten auf wahrhaft romantische Gesten. Bei Pinguinen sind es kleine Steinchen, die das Herz der Dame dahinschmelzen lassen sollen. Und Laubenvögel bauen ganze Liebespavillons, die sie mit Kieseln, Federn oder anderen Fundstücken schmücken.

Dass Liebe durch den Magen geht, haben männliche Zwergdrachenflosser (Corynopoma riisei) verinnerlicht. Die tropischen Fische angeln sich ihre Partnerinnen im wahrsten Sinne des Wortes mit Leckereien – allerdings ist hier Betrügerei im Spiel. Denn die Männchen imitieren begehrte Nahrung wie Insekten nur: mit einem ähnlich aussehenden Anhängsel an ihrem Kopf. Damit locken sie die Fischdamen an und während diese zuschnappen, begatten sie sie.

Wespenspinnenweibchen sind extrem kannibalistisch und versuchen unmittelbar nach Beginn der Paarung, das Männchen zu erbeuten.
Auf Begattung folgt Verstümmelung

Mit falschen Versprechen angelockt zu werden, ist jedoch nicht die einzige Gefahr, die Tieren in Sachen Sex droht. Mitunter kann es bei der Fortpflanzung ziemlich rabiat zugehen. In manchen Fällen ist sie sogar mit Lebensgefahr verbunden: Weibchen einiger Spinnenarten sind bekannt dafür, ihre Verehrer nach erfolgter Paarung aufzufressen.

Manchmal drehen die Männchen den Spieß aber auch um: Sie betrachten das Weibchen als Beute statt als Partnerin oder verstümmeln sie nach der Begattung. Letzteres ist zum Beispiel bei der Radnetzspinnenart Larinia jeskovi der Fall. Wie Forscher beobachtet haben, zwicken die Männchen nach der Paarung einen Teil der Genitalien des Weibchens ab. So verhindern sie, dass sich dieses anschließend mit anderen Männchen paaren kann und stellen ihre eigene Vaterschaft sicher.

Affe besteigt Hirsch

Doch nicht nur zwischen Männchen und Weibchen derselben Art kommt es zu für den menschlichen Betrachter seltsam anmutenden Sexhandlungen. In Einzelfällen finden sie sogar über Artgrenzen hinweg statt. Lange Zeit galt dies als unnatürliches Verhalten, das nur in Gefangenschaft entsteht. Inzwischen aber wurden zwischenartliche Techtelmechtel auch in freier Wildbahn entdeckt.

Marie Pelé von der Universität Strasbourg und ihre Kollegen beobachteten im Jahr 2015 etwa, wie ein japanischer Schneeaffe eine Sikahirsch-Dame bestieg. Dabei führte der Affe wiederholt eindeutige sexuelle Bewegungen aus. Zum ersten Mal wurden interspezifische sexuelle Handlungen in der Natur 2006 dokumentiert. Damals machte ein antarktischer Seebär Schlagzeilen, der sich in aggressiver Manier an einer Königspinguin-Dame vergriff.

Es geht auch ohne Sex

Man mag es kaum glauben, aber manche Tiere kommen ohne Sex aus: Vor allem wirbellose Tiere wie Insekten zeugen häufiger durch Jungferngeburten Nachwuchs. Eine solche Parthenogenese ist bei Wirbeltieren dagegen extrem selten. Zu den wenigen Vertretern mit dieser Fortpflanzungsstrategie gehören Amazonenkärpflinge – sie setzen sogar ausschließlich auf diese Zeugungsvariante.

Das Skurrile: Bei den lebendgebärenden Fischen gibt es nur Weibchen. Ihre Eizellen können sich direkt zu einem Fisch entwickeln, ganz ohne zusätzliches Erbmaterial aus einem Spermium. Spermien sind lediglich als mechanischer Anstoß für die Embryonenentwicklung nötig. Diese "stehlen" die Amazonenkärpflinge von Männchen einer nahe verwandten Art, indem sie diese zur Kopulation verführen. Der Nachwuchs jedoch ist ein hundertprozentiger Klon der Mutter.

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