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Die Träume von Hollywood

Ob Harry Potter, Krieg der Sterne oder Herr der Ringe – jeder sieht Filme, und fast jeder liebt Filme. Und na klar – wer Filme liebt, der kennt Hollywood. Keine Branche wirkt so anziehend und so inspirierend wie das Filmgeschäft mit seinen Stars, seinen legendären Produktionen und den wahrhaft phantastischen Summen, die hier zu verdienen sind. Ob Schauspieler oder Regisseur, ob Filmkomponist oder Produzent – ihr Ruhm scheint allein durch Hollywood zu strahlen. Denn obwohl Filme auf der ganzen Welt gedreht werden, ist Hollywood bis zum heutigen Tag ein ganz besonderer Ort geblieben – und das, obwohl es sich nicht einmal um eine reguläre Stadt handelt. wissen.de-Autor Kai Jürgens nimmt Sie mit zu einem Spaziergang durch einhundert Jahre Hollywoodgeschichte.

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von wissen.de-Autor Kai Jürgens

Ein Stadtteil in Kalifornien

Kalifornien ist nicht nur der bevölkerungsreichste Bundesstaat der USA, sondern zugleich auch derjenige, der die größte Anziehungskraft entwickelt. Das gilt insbesondere für sein geheimes Zentrum, die Filmproduktionsstätte Hollywood. Tatsächlich ist Hollywood kaum älter als jene Industrie, die weltweit mit dem Namen verbunden wird. Erst 1903 wurde der kleine verschlafene Ort, in dem zuvor kaum mehr als hundert Menschen gewohnt hatten, als eigenständige Gemeinde anerkannt. Doch nur sieben Jahre später, im Jahr 1910, stimmten die Bewohner einer Eingemeindung ins rasch wachsende Los Angeles zu – und zu dieser Metropole gehört Hollywood noch immer. Wenn auch als ein ganz besonderer Stadtteil. Der Grund hierfür ist ebenfalls im Jahr 1910 zu suchen, als der Filmpionier David Wark Griffith in Hollywood den ersten Streifen drehte, der an diesem Ort entstand. Der bezeichnende Titel des siebzehnminütigen Stummfilms: In Old California. Doch die eigentliche Initialzündung ereignete sich dann im Jahr 1911, als die Gebrüder David und William Horsley am 27. Oktober das erste Filmstudio in Hollywood eröffneten: die Nestor Motion Picture Company.

Das war ein gewaltiger Schritt. Die noch junge Filmindustrie der Vereinigten Staaten hatte sich nämlich an der Ostküste angesiedelt, also an der anderen Seite des nordamerikanischen Kontinents. Doch dort war das Wetter einfach zu schlecht, um ohne zusätzlichen Aufwand filmen zu können, zumal Kameras viel Licht benötigen – in der damaligen Zeit sogar sehr viel Licht. In Kalifornien gab es dieses Problem nicht, und so wagten sich die Horsley Brothers an die sonnige Westküste. Allerdings nur mit einem Bein, denn die Büros und Verwaltungsgebäude blieben weiterhin in New Jersey. Bald ging es Schlag auf Schlag: 1912 wurde beispielsweise die Universal Film Manufacturing Company gegründet, eine Firma, die es unter dem Name Universal Studios bis heute gibt; dies gilt auch für die Paramount Pictures, die ebenfalls – wenn auch zu Beginn unter anderem Namen – seit 1912 firmieren. Der Aufstieg Hollywoods zur internationalen Filmmetropole nahm seinen Anfang.

 

Studios und Stars – Erfolg mit System

Was sich nun herausbildete, wird heute unter dem Begriff „Studiosystem“ zusammengefasst. Es waren jene Jahre, in den die „Big Five“ den Filmmarkt kontrollierten: Metro-Goldwyn-Mayer, Fox Film Corporation – die spätere 20th Century Fox –, Paramount Pictures, Warner Bros. und die 1955 geschlossenen RKO Pictures. Zu einem Filmstudio gehört nämlich sehr viel mehr als die reine Herstellung eines Films. Jede Produktion muss vermarktet und aufgeführt werden; hierzu dienten eigene Filmtheater. Diese erwirtschafteten an die 70 Prozent der Einnahmen, besaßen also eine gewichtige Stellung. Dies ermöglichte es unter anderem, die höchst vitale kontinentaleuropäische Filmindustrie zurückzudrängen, die bis heute keinen nennenswerten Einfluss in den Vereinigten Staaten hat. Dort dreht man im Zweifelsfall lieber das Remake eines erfolgversprechenden Titels, als die dänisch- oder deutschsprachige Originalfassung zu synchronisieren. So fertigte Ole Bornedal von seinem Überraschungserfolg Nachtwache eine Zweitfassung für den US-Markt an, und auch Michael Haneke setzte seinen Film Funny Games doppelt in Szene. Eine Ausnahme ist Wolfgang Petersen, dessen Film Das Boot selbst in Hollywood ein fester Begriff ist.

Doch nicht nur bei der Verbreitung der eigenen Filme, auch bei den Stars überließ Hollywood nichts dem Zufall. Selbst wenn es so aussah, als sei der „Stern“ buchstäblich vom Himmel gefallen, so steckte hinter dem Erfolg ein knallhart durchkalkuliertes System. Stars wurden auch damals schon „gemacht“. Dazu gehörten exklusive Bindungen an bestimmte Filmstudios, auf den „Star“ zugeschnittene Drehbücher und durchaus auch Eingriffe in dessen Lebenslauf, um ihn besser vermarkten zu können. Die 1924 gegründete Firma Metro-Goldwyn-Mayer etwa warb mit dem Slogan  All the Stars in Heaven – alle Sterne des Himmels. Der solchermaßen entwickelte Glanz erwies sich als hoch profitabel. Da konnte man dann auch schon einmal erwarten, dass sich Darstellerin oder Darsteller nach dem Bild richteten, das von ihnen entworfen worden war. Im Klartext: Künstlerische Selbstentfaltung stand hinten an. An diesen und anderen Zwängen zerbrach das Starsystem schließlich in den 1950er Jahren, um neuen Vermarktungsformen ebenso Platz zu machen wie anderen Verträgen.

 

Im Licht des Projektors: Die Filme

Wer über Hollywood redet, der meint in erster Linie - die Filme. Sie sind schließlich das, was als sichtbarer Gipfel des Eisbergs über die Wasserlinie ragt – sie sind das, was begeistert. Die Liste der Produktionen, die immer wieder angeschaut und von den nachfolgenden Generationen neu entdeckt werden, ist ebenso lang wie eindrucksvoll. Ob Citizen Kane oder Casablanca, ob der mehrfach verfilmte Ben Hur oder die legendären Filme von Alfred Hitchcock, das Kino hielt stets Schritt mit den Themen der Zeit – und wusste sein Publikum für sich einzunehmen. Der Name Walt Disney beispielsweise ist noch immer die Erkennungsmarke für eine bestimmte Sorte der Familienunterhaltung, obwohl ihr Schöpfer bereits 1966 starb. Eine wichtige Zäsur markieren die 60er und 70er Jahre, in denen viele Genres wie etwa der Kriminal- und der Science-Fiction-Film erwachsen zu werden begannen. Stanley Kubricks Meisterwerk 2001 beispielsweise zieht Zuschauer noch immer genauso in den Bann wie der Polizeithriller French Connection, der nicht zuletzt dank Hauptdarsteller Gene Hackman unvergesslich wurde. Der Regisseur Francis Ford Coppola lieferte mit den drei Der-Pate-Filmen ebenso Klassiker ab wie mit seinem Meisterwerk Apocalypse Now, das unter der Folie eines bildgewaltigen Antikriegsdramas von einer Reise ins eigene Unterbewusstsein erzählt. Das alles sind Filme, die man immer wieder sehen mag – genau wie die Komödien von Woody Allen beispielsweise, der in den 70er Jahren seine stärkste Zeit hatte.

Gegen Ende dieses Jahrzehnts kam dann das auf, was noch immer als Blockbuster-Phänomen gilt – Filme, die ein Millionenpublikum mitreißen. Steven Spielberg und George Lucas waren die beiden Wunderknaben, die für sensationelle Erfolge sorgten – Spielberg zuerst mit Der weiße Hai, Lucas mit der Star Wars-Saga, dem Krieg der Sterne. Legendär wurden dabei nicht nur die Schlangen von anstehenden Besuchern an der Kinokasse. Auch die Geschäftsstrategien speziell von George Lucas, der mit der Lizenzvergabe für Merchandisingprodukte bis dahin nicht gekannte Gewinne erzielte, gehören zum Hollywood dieser Zeit. Es verwunderte daher nicht, dass sich Spielberg und Lucas für die Indiana-Jones-Filme zusammentaten. Apropos Serien: Eine der bekanntesten Filmhelden ist selbstverständlich kein US-Amerikaner, sondern Brite. James Bond ist nicht nur für den Geheimdienst ihrer Majestät unterwegs, er wird als Serie auch im Königreich produziert und ist daher ausdrücklich kein Bewohner Hollywoods.

Und: Blockbuster gab es natürlich auch früher. Sie hießen nur noch nicht so. So gilt Vom Winde verweht mit Clark Gable und Vivian Leigh aus dem Jahr 1939 als der erfolgreichste Film aller Zeiten, wenn man die Einspielergebnisse von der Inflation bereinigt. Danach hat der Film stolze 3,7 Milliarden Dollar eingespielt – selbst James Cameron brauchte Titanic und Avatar, um dieses Spitzenergebnis zu übertrumpfen.
 

 

Die Traumfabrik im neuen Jahrtausend

Auch die Zeit nach der Jahrtausendwende brachte Erfolge für Hollywood. Von den zehn Filmen, die bis einschließlich 2011 über eine Milliarde Dollar erwirtschafteten, stammen immerhin neun aus dieser Zeitspanne; nur Camerons Titanic entstand schon 1997. Zu den – auch künstlerisch – überragenden Erfolgen gehört Der Herr der Ringe, die filmische Adaption der Trilogie von J.R.R. Tolkien. Die drei Filme erhielten zusammen mehr als ein Dutzend Oscars, um nur die wichtigsten Auszeichnungen zu nennen. Ebenfalls spektakulär sind die Ergebnisse von Harry Potter: Die acht Filme gelten bis heute als die erfolgreichste Filmreihe überhaupt. Allerdings – und auch das gehört zu Hollywood nunmehr dazu – wurden sie nicht allein in den USA, sondern auch in England produziert.

Tatsächlich brachten die vergangenen Jahrzehnte die größten Umwälzungen für die Traumfabrik mit sich. Nach der erstarkenden Rolle des Fernsehens galt es nach 1980, sich erst mit dem Konkurrenzmedium Videokassette und dann mit der DVD zu arrangieren. Später kam noch das Internet als mögliche Quelle für illegale Raubkopien dazu. Auch neue ambitionierte TV-Serien wie zum Beispiel Mad Men, The Walking Dead oder Game of Thrones haben ihr Publikum – und wissen die Vorzüge des Mediums Fernsehen zu nutzen. Der asiatische und der indische Markt – die so genannten Bollywood-Filme – drängen ebenfalls nach vorn. 

Trotzdem sieht sich Hollywood gut aufgestellt. Die großen Produktionen stammen noch immer aus dem Umfeld jenes Stadtteils von Los Angeles, dessen „Walk of Fame“ und „Hollywood Sign“ auch weiterhin in eine strahlende Zukunft zu führen scheinen – selbst nach einhundert Jahren noch.

 

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