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Digitale Landwirtschaft: Roboter im Stall und auf dem Acker

Massentierhaltung, hohe Nitratbelastung, Artenrückgang und Bodenverdichtung - die Landwirtschaft gerät mehr und mehr in die Kritik. Und das, obwohl Landwirte uns täglich mit Nahrung versorgen. Aber können der Tier- und Umweltschutz und die Versorgung mit Lebensmittel nicht zusammen funktionieren? Digitale Systeme, künstliche Intelligenz und Roboter könnten das Problem zumindest verringern.
ABO, 29.10.2020

Sieht nicht nach Hightech aus, ist es aber: Ein Futterschiebe-Roboter schiebt das Futter am Futtertisch regelmäßig vor.

iStock.com, andrey shalari

Dass Digitalisierung in der Landwirtschaft immer wichtiger wird, hat auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner betont. Die erste Mechanisierungswelle setzte in großen Ställen schon Mitte des 20. Jahrhunderts ein und auch auf dem Acker und im Gewächshaus wurde einst menschliche Arbeit immer häufiger von Maschinen ausgeführt. Schon länger sind die eingesetzten Maschinen auch computergesteuert, damit sie möglichst effektiv und umweltschonend ihre Arbeit verrichten.

Digitale Unterstützung in der Viehhaltung

Welche konkreten Modernisierungsmöglichkeiten gibt es in der Landwirtschaft heutzutage? Angefangen in der Tierhaltung, haben Landwirte bereits viel technische Unterstützung. So zum Beispiel in der Milchviehhaltung: Selten gibt es heute noch Milchbetriebe, die nicht auf automatisierte Melkanlagen zurückgreifen. In Parallelmelkanlagen und speziellen Melkkarussellen werden bis zu 70 Milchkühe gleichzeitig gemolken. Die Milchqualität kann mithilfe von Computern direkt geprüft werden - Milch, die nicht den Qualitätsanforderungen entspricht, wird automatisch aussortiert. Gleichzeitig erfasst das System die Daten jeder einzelnen Kuh und wertet sie aus.

Schon lange gibt es in Kuh- und anderen Laufställen auch automatische Futtersysteme. Über Chips am Ohr wird jede Kuh identifiziert und mit der festgelegten Menge an Futter und der individuellen Futterzusammenstellung versorgt. Das Futterschieben im Stall übernimmt auf Wunsch ebenfalls ein Roboter und sorgt so dafür, dass der Futtertisch immer ausreichend gefüllt und frisch ist.

Automatisches Melksystem im Einsatz

Tiere technisch gemästet

Ähnliches gilt auch für die Viehhaltung von Mastschweinen: Auch hier gibt es beispielsweise Roboter, die vollautomatisch die Buchten mit Stroh einstreuen – sofern die Tiere überhaupt auf Stroh gehalten werden. Vielfach setzen Landwirte auch bei diesen Tieren eine automatische Fütterungstechnik ein, bei der die Tiere per Computersteuerung rund um die Uhr versorgt werden. Manche Maschinen ermöglichen eine individuelle Zuteilung der Futterration und Kontrolle der gefressenen Menge bei jedem einzelnen Tier. Seltener gibt es auch Toiletten, die Harn und Kot trennen.

Auch in großen Geflügelmastbetrieben erfolgt die Fütterung und das Tränken automatisch. Heizungen und Lüftungen regulieren in den Masthallen die Temperatur und passen sie schrittweise an das Alter der Tiere an. Zur Schlachtung verwenden manche Betriebe elektrische Wasserbäder oder ferngesteuerte Gasanlagen, um die Tiere zu betäuben. Nachdem die Tiere aufgehängt sind, folgt die automatische Rupfung. Anschließend wird das Huhn zerlegt, maschinell abgewogen und portioniert.

In der Eierindustrie steuern Maschinen die Fütterung, Beleuchtung und Temperaturregelung ebenso. Die Eier rollen meist auf ein Fließband, das sie aus der Halle heraus transportiert. Dieses Jahr entwickelten Wissenschaftler zudem eine automatische Eier-Sammelmaschine für verlegte Eier außerhalb der vorgesehenen Legestätten.

Auch vor der Wollegewinnung macht die Technik keinen Halt, denn elektrische Schermaschine erleichtern den Landwirten das Scheren der Schafe, Ziegen und auch Rinder. In Australien arbeiten Forscher sogar bereits an Robotern, die die Arbeit ganz übernehmen sollen. Dazu gehört auch ein Projekt, bei dem die Wolle vom Schaf vollständig automatisiert auf den Ballen transportiert. Die University of Technology in Sydney arbeitet dafür mit dem Schafmodell „Shauna“, das einem geschorenem Schaf nachempfunden ist.

In Einzelfällen erledigen Roboter sogar schon die Ernte, wie hier beim Einsammeln von Salatköpfen.

Department of Engineering, University of Cambridge (cropped) / CC BY-NC-ND 2.0

Zum besseren Wohl der Tiere?

Die zunehmende Technisierung in der Viehzucht erleichtert Landwirten die Arbeit und ermöglicht es vielen Betrieben die Tierzahl zu vergrößern. Durch das individuelle Futter kommt es seltener zu Krankheiten oder Überfütterungen. Sind die Ställe mit Reinigungsmaschinen und Toiletten ausgestattet, wird die Luft im Stall besser und es muss weniger gemistet werden. Außerdem verhindern sauberer Ställe zusätzlich die Verbreitung von Krankheiten. Damit unterstützt die Technik Landwirte, um den sinkenden Marktpreisen ihrer Produkte gerecht zu werden.

Doch die Modernisierung hat auch ihre Kehrseite: Da fast alle Abläufe im Stall technisiert sind, ist der Arbeitsaufwand im Verhältnis zur Tierzahl verhältnismäßig gering. Je effizienter die Tiere gemolken und gefüttert werden können, desto schneller werden die Tiere gemästet. „Länger als 42 Tage würden die Tiere unter dieser schnellen Mästung nicht durchhalten", erläutert Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Bezug auf die Geflügelmast.

Die Tiere sehen meist nie Tageslicht und dürfen sich kaum frei bewegen. Außerdem werden sie in Großbetrieben weiterhin zu unnatürlichen Leistungen – wie zum Beispiel schnellem Wachstum oder extrem hoher Milch- oder Eiabgabe in kürzester Zeit - gemästet. Dass auch das Tierwohl durch die moderne Produktionsweise verbessert wird, können Experten deshalb pauschal nicht bestätigen. Denn, wenn Landwirte die Tierzahl dank der Technik weiter vergrößern können, treibt das die Massentierhaltung enorm voran – es wird für einzelne Landwirte sogar viel einfacher, eine Masse an Tieren gleichzeitig zu halten.

Drohne beim Ausbringen von Herbiziden

Roboter erobern Äcker

Der Einzug der Technik wird Experten zufolge auch auf den Äckern die Zukunft sein: Traktoren werden bereits von Satelliten gesteuert und fahren vorab bestimmte Routen auf den Feldern ab. Außerdem gibt es zum Beispiel bereits autonom fahrende Roboter, die Saatgut säen können. Obwohl so ein Roboter im Gegensatz zu kommerziellen Traktoren sehr langsam fährt, kann ein einzelner pro Tag mindestens zwei Hektar bearbeiten. Dabei registriert der Roboter, wohin er jedes Saatkorn abgelegt und kann dann dazwischen das Unkraut beseitigen – besonders für Pflanzen aus biologischem Anbau ein Fortschritt.

Diese Art zu wirtschaften wird auch „Precision Farming" – Präzisionslandwirtschaft – genannt: Dabei wird nicht nur das Aussäen und Jäten, sondern auch das Wässern, Düngen oder Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln auf dem Acker teils zentimetergenau gesteuert. Spezielle Sensoren, erkennen gezielt, ob eine Pflanze krank ist oder ob sie gedüngt werden muss - so dass nur dort Pflanzenschutzmittel aufgebracht werden, wo es wirklich nötig ist.

Miniroboter mit Kameras und Sensortechnik könnten dem Landwirt dabei helfen. Sie fahren zwischen den Reihen umher, kontrollieren die Feldpflanzen, stellen fest, was jede Einzelne gerade braucht und machen Meldung. Dabei könnten die kleinen Helfer quasi nebenbei auch gleich noch Schädlinge wie zum Beispiel Schnecken einsammeln und mit einer kleinen Hacke den Boden von aufkeimenden Unkräutern befreien.

Mithilfe von Robotern und Satellitenbilder kann auch die Bodenqualität geprüft und analysiert werden, so dass in Zukunft die Saat je nach Boden angepasst wird. Große Flächen könnten damit viel kleinteiliger bewirtschaftet werden - je nach Bodenbeschaffenheit auf trockenen Kuppen oder feuchteren Senken - so dass jede Pflanze das bekommt, was sie braucht.

Sind die Pflanzen gewachsen, übernehmen in Einzelfällen Roboter sogar die Ernte. In England gibt es beispielsweise ein Projekt mit dem Namen „Hands free hectare" – dabei ernten kleine Mähdrescher-Roboter Getreide. In Amerika pflücken Roboter Salate und erledigen pro Maschine in der gleichen Zeit die Arbeit von 20 Feldarbeitern. Manche Hersteller bieten digitale vernetzte „Herden“ von Mährobotern an, die besonders effizient arbeiten. Im Weinbau schneiden Roboter auch automatisch die Reben zurück.

Roboter zur gezielten Unkrautbekämpfung in Weinbergen

Département des Yvelines, Nicolas DUPREY/ CD 78; CC BY-ND 2.0

Lichtblick für die Landwirtschaft

Die Beispiele zeigen, dass der Einsatz von Robotern und Computersystemen auch die Feldarbeit der Landwirte erleichtern und beschleunigen kann. Besonders effektiv sind mehrere Roboter, die gemeinsam und rund um die Uhr auf den Feldern eingesetzt werden. Per Funk können die Landwirte die Arbeit der Maschinen kontrollieren – ohne grundsätzlich ständig anwesend sein zu müssen. Gerade im Hinblick auf die beispielsweise hohe Nachfrage nach Lebensmitteln schätzen Experten die neuen Technologien als vielversprechend ein.

Außerdem bieten sie auch Vorteile für den Umweltschutz: Roboter sind im Gegensatz zu Traktoren so klein, dass zum Beispiel das Thema Bodenverdichtung keine Rolle mehr spielt. Auch die Energie- und Ökobilanz ist deutlich besser als bei den kommerziellen Großmaschinen. Außerdem können Wasser und Düngermittel gezielter eingesetzt werden. Der Landwirt kann die Saat besser dosieren und gezielter wählen und damit insgesamt weniger Saatgut verwenden – das spart Kosten und Ressourcen.

Miniroboter mit Kameras und Sensortechnik könnten dem Landwirt dabei helfen, exakte Daten über Größe und Zustand der Pflanzen zu sammeln.

Die Kehrseite der Digitalisierung

Trotz der Möglichkeiten sind sich Experten sicher, dass Roboter auch in Zukunft nicht jede Tätigkeit übernehmen können: Schwere Bodenbearbeitung wie Pflügen, Getreide dreschen oder Mais häckseln und die Ernte transportieren - dafür wird man den Einschätzungen zufolge vermutlich weiterhin große Landmaschinen brauchen.

Zusätzlich stellen die Investitionskosten gerade kleine Betriebe vor Herausforderungen. Das Problem: Oftmals sind Hightech-Lösungen dieser Art sehr kostspielig und deshalb nur in größeren Betrieben realisierbar. Damit machen die digitalen Helfern die kleineren Betriebe in der Landwirtschaft noch weniger wettbewerbsfähig. Die Digitalisierung könnte daher auch dazu führen, dass noch mehr extrem große Betriebe entstehen.

Die hohen Anschaffungskosten zahlen sich meist erst nach längerer Zeit aus: Zwar kostet ein Roboter, je nach Größe und Modell meist mindestens 20.000 Euro, doch langfristig können die Landwirte die Zahl an Saisonarbeitskräfte verringern und sparen damit auf lange Sicht sogar Kosten. Zudem werden die digitalen Helfer vom Staat gefördert. Seit September 2018 gibt es zum Beispiel in Bayern das 1.000-Feldroboter-Programm: Dabei können zu 40 Prozent der Anschaffungskosten gefördert werden.

Ab jetzt also digital?

Die totale Automatisierung in der Landwirtschaft ist laut Experten noch nicht ausreichend, um die Feldarbeit zu ersetzten. Denn der Ackerbau wie auch der Umgang mit Tieren sind sensible Tätigkeitsfelder, die nicht immer durch die Leistungsfähigkeit von Maschinen und die Rechenleistung von Computern ersetzt werden können. Entscheidend für Landwirte ist, genau zu beurteilen, welche Vernetzung und Automatisierung im eigenen Betrieb zu echter Arbeitserleichterung und mehr Effizienz führt. Automatisierte Lenk- und Überwachungssysteme haben in der Landwirtschaft enormes Potenzial – auch zum Schutz der Umwelt.

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