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Digitalisierung: Zweites Leben für alte Bücher und Dokumente

In unseren Bibliotheken finden sich oft Jahrhunderte alte Manuskripte und Bücher - wertvolle Zeitzeugnisse. Das Problem: Diese zerfallen im Laufe der Zeit sprichwörtlich zu Staub. Damit das Wissen für die Nachwelt erhalten bleibt, werden die Bestände nicht nur restauriert, sondern auch digitalisiert. Bis zu 2.500 Buchseiten können heutzutage vollautomatisch eingescannt werden. Die gescannten Bücher sind oft übers Internet für jedermann abrufbar.
SRE, 22.01.2020

Die Digitaliserung ermöglicht Wissenschaft, Forschung und der breiten Öffentlichkeit einen schnellen und einfachen Zugang zu bedeutenden Kultur- und Wissensschätzen.

Die älteren Leser werden sich noch erinnern: Früher nutzte man noch Enzyklopädien statt Google, und um für Hausarbeiten zu recherchieren, besuchte man eine Bibliothek. Die Digitalisierung hat hier vieles einfacher gemacht. Aber es gibt immer noch echte Bücher, die vor allem für Historiker und andere Geisteswissenschaftler unersetzbar sind – sei es, weil sie ein kulturelles Zeugnis sind oder weil sie einzigartiges Wissen beherbergen. Aber im Laufe der Zeit zerfallen diese Bücher immer mehr. Besonders seltene und kostbare alte Bücher werden deshalb gesondert gelagert, sie mögen es kühl und trocken. Eine hohe Temperatur würde die Prozesse, die zur Alterung eines Buches führen, beschleunigen.

Aus Buchseiten werden Bits und Bytes

Doch selbst wenn alte Manuskripte und Bücher mit größter Sorgfalt gelagert werden, zerfallen die Werke mit der Zeit. Der Zerfall lässt sich zwar nicht aufhalten, aber durch ausgefeilte Restaurationstechniken zumindest verlangsamen. Um das wertvolle Wissen zu erhalten, gibt es heute noch eine zusätzliche Möglichkeit: Die Werke werden direkt nach der Generalüberholung eingescannt und so digitalisiert. In größeren Bibliotheken wie der Staatsbibliothek zu Berlin oder der Bayrischen Staatsbibliothek gibt es zu diesem Zweck komplette Digitalisierungszentren. Dort werden pro Jahr zehntausende alter Manuskripte und Bücher digitalisiert.

Nach dem Einsturz des Archivgebäudes der Rheinmetropole Köln im Jahre 2009 ist dort aus der Not ein Vorzeigeprojekt der Digitalisierung entstanden.

Scanroboter im Einsatz

Das Paradoxe dabei: Das, was man sich in Sekunden herunterladen kann, braucht wesentlich länger, wenn es gescannt und digitalisiert werden soll. Gerade bei größeren Beständen macht dies verständlicherweise kaum jemand von Hand, deshalb kommen beispielsweise in der Bayrischen Staatsbibliothek Scanroboter der Firma Treventus zum Einsatz. Bei diesen muss das Buch nicht einmal vollständig aufgeklappt werden, was den Einband schont.

Das Buch wird bei diesem Prozess in eine V-formige Schale gelegt. Ein Rohr saugt mittels Unterdruck - wie bei einem Staubsauger - die Seiten zu sich und blättert dadurch um. Mit einem "Fotolineal" wird die Seite anschließen gescannt – ein Scanner tastet die Buchseite dann von der Mitte bis zum Seitenrand ab. Auf diese Weise können bis zu 2.500 Seiten in der Stunde gescannt werden. Bei empfindlicheren Werken schafft der Roboter immerhin noch 1.300 Seiten pro Stunde. Die Wölbung der Buchseite durch den Falz wird mit einer 3D-Software korrigiert. Direkt nach dem Scan-Prozess ist es möglich, die Seiten auf Servern zu speichern und sie auch ins Internet hochzuladen.

Das Scannen von historischen Buchbeständen stellt hohe Anforderungen an die Geräte.

Jahrhunderte alte Werke im Internet

Bibliotheksbesucher können nun auch mit den digital gemachten Werken arbeiten. Wenn sie wollen, auch von zu Hause aus. Dieses Vorgehen bietet einige Vorteile: Zum einen ist die Arbeit mit den digital gemachten Werken wesentlich schonender für die Originalmanuskripte. Man muss das Buch nicht mehr aus dem Regal nehmen, aufklappen, die Seiten umblättern, es wieder zuklappen und wieder ins Regal stellen. Als das führt zur Abnutzung des Buchs und trägt zum Verfall bei. Die eingescannten Seiten lassen sich auch mit Metadaten versehen. Für Geisteswissenschaftler ist die Recherche so wesentlich einfacher, da sich so wesentlich zielgerichteter nach Material suchen lässt.

Und nicht zu vergessen: Man kann praktisch von überall aus das Werk zugreifen. Viele einzigartige und wertvolle Schriften werden dafür in Online-Forschungsumgebungen eingebunden. Damit stellen manche Bibliotheken die Werke Wissenschaftlern in aller Welt, aber auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung. Damit tragen die Bibliotheken auch zur "Demokratisierung" der Wissenschaften bei.

Vielleicht wird dies auch die Arbeitsweise in den Geisteswissenschaften ändern und auch Amateurforscher werden mit seltenen Werken arbeiten können. Möglicherweise werden sich Geisteswissenschaftler in Zukunft stärker weltweit vernetzen, wie dies bereits bei Astrophysikern der Fall. Wer weiß? – vielleicht werden Forscher in Zukunft via Skype über ihre Fortschritte bei der Entschlüsselung des digitalisierten Voynich-Manuskripts diskutieren.

Alte Manuskripte und Bücher müssen mit größter Sorgfalt gelagert werden. Die Digitalisierung der Schätze trägt nicht nur zur "Demokratisierung" der Wissenschaften bei, sondern schont auch das Original.

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