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Doppelt fit – Sport in der Schwangerschaft

Früher bekam man mit dem Mutterpass die Lizenz zum Füße hochlegen ausgehändigt, denn Sport in der Schwangerschaft galt lange Zeit als absolut tabu. Mittlerweile weiß man jedoch dank zahlreicher Studien der letzten Jahrzehnte, dass sich Sport in einer komplikationsfreien Schwangerschaft eindeutig positiv auf die werdende Mutter und das Kind auswirkt. Doch wie viel Sport ist noch erlaubt? Welche Sportarten eignen sich besonders oder gar nicht? Was schadet der Entwicklung des Kindes? Und was ist nach der Geburt? Diese Fragen stellen sich sportliche Newcomerinnen ebenso wie erfahrene Leistungssportlerinnen. Und ebenso unterschiedlich wie deren Trainingszustand und Ambitionen fallen auch die Antworten aus.
von wissen.de-Autorin Eva Hammächer

Empfehlenswert für Schwangere: Aquagymnastik
shutterstock.com/Sergey Chirkov
Die Schwangerschaft ist für den weiblichen Organismus ein Ausnahmezustand: Der Körper wird mit Hormonen überschwemmt und erbringt Höchstleistungen beim Bewältigen der Anpassungsprozesse. Eine Schwangerschaft an sich ist ja kein Spaziergang – und dabei noch Sport treiben? Der Deutsche Sportärztebund (DGSP) sagt ausdrücklich „Ja“ und empfiehlt, den Sport während der Schwangerschaft auf keinen Fall einzustellen, sondern den „anderen Umständen“ anzupassen. Das heißt: ohne Leistungsorientierung und Wettkampfambitionen – und unter der Voraussetzung, dass keine medizinischen Gründe dagegen sprechen und die Schwangerschaft ohne Komplikationen verläuft.

 

Positiv für Körper und Seele

Moderates Training wirkt sich positiv auf die Physis und auf die Psyche schwangerer Frauen aus. Typische Probleme, mit denen viele Schwangere zu kämpfen haben, wie Rückenprobleme, Wassereinlagerungen, Thrombosen oder Krampfadern lassen sich durch Sport lindern oder ganz vermeiden. Auch das Risiko, an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken, wird durch sportliche Aktivität reduziert. Die Frauen nehmen nicht übermäßig zu und erreichen nach der Schwangerschaft schneller ihr altes Gewicht wieder. Und auch die Psyche profitiert von dosierter körperlicher Betätigung: Sportlich aktive Frauen fühlen sich wohler, sind ausgeglichener und leiden seltener an Depressionen, Schlafstörungen oder Ängsten. Auch Depressionen nach der Geburt sind bei ihnen seltener. Sport wirkt als Stressableiter und stärkt das Selbstvertrauen – auch in den eigenen Körper. Und hiervon profitieren die aktiveren Frauen auch bei der Geburt: Einer Studie des Psychologischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) zufolge benötigen sie im Gegensatz zu den weniger aktiven Frauen weniger Schmerzmittel, weil sie belastbarer sind und den Schmerz besser ertragen können. Auch kommen bei ihnen seltener Saugglocke und Geburtszange zum Einsatz.

 

Auf die richtige Dosis kommt es an

Doch was heißt dosierte körperliche Betätigung konkret? „Wir raten den Frauen, auf die Signale ihres Körpers zu hören und nicht bis zur Erschöpfung zu trainieren.“, so Diplom-Psychologin Marion Sulprizio, die die Studie der DSHS Köln betreut und den Arbeitskreis „Sport und Schwangerschaft“ mit ins Leben gerufen hat. Neben einem Online-Portal mit ausführlichen Informationen bietet der Arbeitskreis ein Online-Coaching an, bei dem sich Schwangere mit ihren Fragen an ein Expertenteam aus Sportwissenschaftlern, Medizinern, Psychologen, Hebammen und Physiotherapeuten wenden können. „An uns wenden sich sowohl Frauen, die erst in der Schwangerschaft etwas für ihren Körper tun möchten, als auch Leistungssportlerinnen, die wissen möchten, wie sie nun ihr Training weiter führen können.“, so Sulprizio. Und so unterschiedlich die sportlichen Vorerfahrungen sind, so verschieden fallen auch die Ratschläge aus. „Wenn eine Frau seit Jahren regelmäßig joggt, dann kann sie das auch weiterhin in gemäßigterer Form tun, solange sie sich dabei wohl fühlt. Einer Einsteigerin würden wir dagegen eher empfehlen, mit Walking anzufangen.“ Eine pauschale Antwort auf die Frage „Was ist in der Schwangerschaft noch erlaubt?“ gibt es also nicht, da neben dem Schwangerschaftsverlauf auch der individuelle Trainingsstand darüber entscheidet, was man tun oder besser lassen sollte.

 

Alles im aeroben Bereich

Der häufigste Rat, den Sulprizio den Frauen gibt, ist die Anschaffung einer Pulsuhr – egal welche Sportart sie betreiben. Die Amerikanische Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie (ACOG) empfiehlt als grobe Richtschnur 140 Schläge pro Minute, die nicht überschritten werden sollten (Faustregel: Man sollte sich noch entspannt unterhalten können). Körperlich sehr anstrengendes, so genanntes anaerobes Training sollte möglichst vermieden werden. Auch vor Sport in extremer Höhe (über 2.000 Metern) wird gewarnt, ebenso wie vor langen und intensiven Trainingseinheiten bei hohen Außentemperaturen. Denn vor allem in der Frühschwangerschaft kann eine starke Überhitzung des Körpers zu Fehlbildungen des Embryos führen.

 

Wann ist Vorsicht geboten?

Trotz aller positiven Effekte sportlicher Betätigung gibt es eine Reihe von Gründen, die Sport während der Schwangerschaft ausschließen: Hierzu zählen beispielsweise Herz- und Lungenerkrankungen, Mehrlingsschwangerschaften unter dem Risiko vorzeitiger Wehen, ein verkürzter Gebärmutterhals oder eine Muttermundschwäche sowie erhöhter Blutdruck infolge der Schwangerschaft. Schwangere, die an Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen leiden, stark unter- oder übergewichtig sind, bereits Früh- oder Fehlgeburten erlitten haben oder zu Blutungen und vorzeitigen Wehen neigen, sollten in jedem Fall Rücksprache mit ihrem Gynäkologen halten.

 

Sehr empfehlenswert: Wandern, Walken, Wasserspaß

Gibt der Frauenarzt grünes Licht, dann eignen sich für Einsteiger insbesondere sanfte Ausdauersportarten wie Schwimmen, Wandern, (Nordic) Walking, Skilanglauf oder Radfahren. Die gleichmäßige Kreislaufbelastung sorgt für eine gute Durchblutung und beugt einer übermäßigen Gewichtszunahme vor. Insbesondere Schwimmen oder Aquagymnastik sind bei Schwangeren besonders beliebt, denn im Wasser belastet nur noch ein Zehntel des Körpergewichts ihre strapazierten Gelenke. Und das kühle Nass hat noch einen positiven Nebeneffekt, denn der Wasserdruck beugt Wassereinlagerungen (Ödemen) vor. Die Wassertemperatur sollte allerdings nicht unter 20°C und nicht über 35°C liegen. Sehr geeignet sind außerdem Gymnastik oder (Schwangeren-)Yoga –insbesondere die beim Yoga vermittelten Atemtechniken können bei der Geburt sehr nützlich sein.

 

Absolut tabu: Sprünge, Stürze und Stöße

Sportarten, die ein hohes Sturz- oder Verletzungsrisiko aufweisen, wie beim Alpin-Ski, Klettern, Reiten oder Inline-Skaten, sollten in der Schwangerschaft möglichst vermieden werden. Zumindest von Anfängerinnen – geübte Sportlerinnen können dies auch weiterhin tun, sofern sie das Sturzrisiko abschätzen und durch geeignete Maßnahmen minimieren können: beim Klettern zum Beispiel durch eine Toprope-Sicherung und einen extra breiten Gurt. Kontakt- (z. B. Ballsportarten) und Kampfsportarten sind aufgrund der abrupten Bewegungen und den damit verbundenen Risiken ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. Das Problem liegt nicht allein in dem aus einem Sturz oder Stoß für das Kind resultierenden Risiko, sondern auch in der nur eingeschränkt möglichen medizinischen Versorgung der Mutter im Falle einer ernsthaften Verletzung. Auch für Abenteuersportarten wie Bungee-Jumping, Drachenfliegen oder Fallschirmspringen sollte man sich daher vorübergehend Alternativen suchen. Tiefsee-Tauchen, Marathon-Läufe oder Bodybuilding zählen definitiv ebenso nicht zu den empfehlenswerten Sportarten im Rahmen einer Schwangerschaft. Generell muss auch berücksichtigt werden, dass sowohl der veränderte Körperschwerpunkt als auch die hormonell bedingte Auflockerung von Sehnen, Bändern und Gelenken das Verletzungsrisiko noch zusätzlich erhöhen.

 

Auf den Körper hören

Die sportlichen Belastungen müssen also den körperlichen Veränderungen Rechnung tragen. So sollten beispielsweise ab der 16. Schwangerschaftswoche Übungen in Bauch- und Rückenlage vermieden werden. Auch die geraden Bauchmuskeln sollten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr isoliert trainiert werden. Treten Symptome wie starke Atemnot, Unterleibsschmerzen oder Kontraktionen, Blutungen, Unwohlsein, Schwindel, Augenflimmern, rasender Puls oder Kopfschmerzen auf, dann sollten die Schwangeren das Training sofort beenden und ein Arzt aufgesuchen, wenn die Symptome weiter fortbestehen. Damit der Kreislauf stabil bleibt, ist es besonders wichtig, dass Schwangere beim Sport viel trinken sowie ausreichend Nahrung zu sich nehmen. Auch längere Erholungsphasen sollten ins Training eingebaut werden.

 

Und nach der Geburt?

Viele Frauen können es nach der Geburt kaum erwarten, richtig loszulegen, um wieder ihre alte Form zurückzugewinnen. Man sollte es aber zunächst langsam angehen lassen. Der Deutsche Sportärztebund empfiehlt, mit einem systematischen Trainingsaufbau frühestens etwa vier Wochen nach der Entbindung zu beginnen. Nach einem Kaiserschnitt sollte man warten, bis der Schnitt verheilt ist. An erster Stelle sollte dann die Rückbildung des Beckenbodens stehen. Wann eine Frau dann wieder voll ins Training einsteigen kann, hängt von ihrem individuellen Fitnessstand ab. Um die Ausdauer zu fördern, eignen sich insbesondere Walken oder Aquafitness, zur Kräftigung der Muskeln bieten sich Rückenfitness oder Pilates an. Sportarten, die mit Erschütterungen einher gehen, wie Joggen, Aerobic oder Tennis, sollten besser warten, bis der Beckenboden ausreichend gekräftigt ist. Auch mit Krafttraining sowie intensivem Training der geraden Bauchmuskulatur sollte man zurückhaltend sein, solange der Beckenboden noch geschwächt ist. Stillende Mütter müssen vor allem darauf achten, dass sie bei intensivem Training ihre Trinkmenge deutlich steigern, da sonst die Milchbildung zurück geht. 

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