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E-Scooter fürs Klima? Was wirklich hinter der Innovation steckt

In Großstädten sind sie kaum noch wegzudenken: Elektroroller sind flexibel, modern – und stoßen keine Abgase aus. Die Zahl der E-Scooter-Fahrer steigt. Sogar private Anschaffungen sind nicht selten. Denn Anbieter werben damit, dass ihre Fahrzeuge umweltfreundlich sind, weil sie tonnenweise CO2- Emissionen einsparen würden. Eine Studie berechnete jedoch trotzdem eine negative Klimabilanz.
ABO, 16.09.2020

Oft werden E-Scooter für Strecken genutzt, die bis dahin zu Fuß zurückgelegt wurden. Verkehrswende ist das noch nicht.

iStock.com, Marc Dufresne

Mit einem kleinen Elektromotor betrieben, transportieren die Ein-Personen-Fahrzeuge gerade in belebten Städten immer mehr Menschen. Leih-Anbieter führen eine Vielzahl dieser Fahrzeuge in städtischen Gebieten ein: Interessierte leihen sich die Roller für kurze Zeit und bezahlen per Smartphone. Daraufhin bleiben sie an einem beliebigen Ziel stehen. Per App findet der nächste Benutzer das Fahrzeug oder es wird nachts vom Unternehmen zum Aufladen abgeholt.

Glaubwürdiges Versprechen?

Bereits nach wenigen Monaten nach der Zulassung im Juni 2019 fuhren mehr als eine Viertelmillion E-Scooter in Deutschland. Tendenz steigend, denn die E-Roller erfreuen sich großer Beliebtheit. Vor allem, weil sie als Innovation für wachsendes Stadtleben gelten: Einerseits sind sie leise und verringern Stau im Straßenverkehr. Andererseits sollen sie auch eine klimafreundliche Innovation sein, weil sie emissionsfrei fahren.

Genau das haben Forscher der North Carolina State University näher untersucht: In ihrer Studie berechneten sie die gesamte Emissionsbilanz von amerikanischen Leih-E-Scootern - von der Materialgewinnung bis zur Nutzung. Um den gesamten Lebenszyklus eines E-Rollers zu berechnen, analysierten sie zunächst die Materialien – darunter die Aluminium-Verkleidung, den Motor und die Batterie – außerdem die benötigte Energie zur Herstellung, den Transport über beispielsweise Schiffe und auch den Stromverbrauch für die Nutzung.

Nach liegen die Emissionen für durchschnittliche E-Scooter-Touren meist höher, als wenn die Fahrer einen Bus genommen hätten.

iStock.com, Andrei Stanescu

Schlechtere Bilanz als ein Dieselbus

Das Ergebnis: Je nach Nutzung gehen die Forscher von etwa 88 bis 126 Gramm CO2 pro Passagier pro Kilometer aus. Damit schneiden die Elektroroller zwar besser ab als normale Autos, die etwa 415 Gramm C02 in die Luft abgeben, aber deutlich schlechter als ein voll besetzter Dieselbus. Die Schadstoffemissionen bei einer Busfahrt betragen schätzungsweise 80 Gramm CO2 pro Kilometer pro Passagier.

Aber wo entstehen die Emissionen bei einem elektrisch betriebenen Scooter? Über 50 Prozent der Emissionen fallen bei der Materialgewinnung und Herstellung an. Besonders die Produktion der Aluminiumrahmen und der Lithium-Ionen-Akkus braucht sehr viel Energie. Da die meisten E-Scooter aus China stammen, kommt der Strom für die Produktion hauptsächlich aus Kohlekraft – entsprechend hoch ist der CO2-Ausstoß. Auch der Transport nach Europa oder Amerika erhöht die Emissionen.

Aber auch die Nutzung spielt eine Rolle: E-Scooter werden nicht vor Ort geladen, sondern von Transportern eingesammelt, geladen und wieder verteilt. Das sorgt laut der Studie für insgesamt 43 Prozent der Emissionen. Die Herkunft des Stroms spielt dagegen für diesen Aspekt nur eine untergeordnete Rolle: Selbst wenn die Scooter ausschließlich mit emissionsfreiem Strom geladen werden, entstünden über ihre gesamte Lebensdauer nur sechs Prozent weniger CO2, berichten die Forscher.

Kurze Lebensdauer und danach Elektroschrott

Neben seiner CO2-Bilanz hat ein E-Scooter aber noch  weitere, nicht unbedenkliche Umweltaspekte: Laut statistischem Umweltbundesamt enthält der Akku - neben seltenen Metallen - eine fluorhaltige, giftige Flüssigkeit, die bei Beschädigung, wie etwa einem Riss, das ganze Gefährt in Brand setzen könnte. Und das Ernüchternde: Die Batterie von E-Rollern hält schätzungsweise nur bis zu zwei Jahre – bei einem vorsichtigen Gebrauch.

Laut Umweltschutzverbund BUND gibt es durch die kurze Lebensdauer der Batterien ein Entsorgungsproblem: Viele E-Scooter werden bereits nach wenigen Monaten als Elektroschrott entsorgt. Dann jedoch fehlen Recyclingmöglichkeiten. Das Aluminium beispielsweise kann nach Schätzungen von Forschern nur zu etwa 24 Prozent recycelt werden.

Um die Lebensdauer ist es selbst bei pfleglicher Behandlung eher schlecht bestellt.

Karste11 / Gemeinfrei

Keine Hoffnung für die Innovation?

Fazit der Wissenschaftler ist, dass E-Scooter langfristig kein klimafreundliches Transportmittel in Städten sind. Das Problem auch: Der E-Roller ersetzt für viele Menschen das Zufußgehen oder das Fahrrad – nicht aber eine Autofahrt, so auch das Umweltbundesamt. Laut Befragungen nutzen Passanten die Scooter vor allem als Spaßfaktor und verursachen damit eine zusätzliche Umweltbelastung.

Aber noch sehen die Forscher Potenzial in der Innovation der E-Roller: Um die Emissionsbilanz zu verbessern, gebe es einige Möglichkeiten. Weniger Verbrauch von Kohlestrom bei der Produktion zum Beispiel. Auch das Aufladesystem könnte verbessert werden: Wenn nämlich nur die Gefährte eingesammelt würden, die auch wirklich leer sind, lassen sich laut Studie bis zu 19 Prozent Gesamtemissionen sparen. Auch müssten E-Roller so robust gebaut werden, dass eine möglichst lange Nutzungsdauer garantiert werden kann. Denn je früher sie kaputt gehen, desto schlechter ist ihre C02- Bilanz. Für eine längere Lebensdauer könne man zum Beispiel ein Reparatur- und Recyclingkonzept entwickeln.

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