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Ein Risikobär

Eigentlich hatte Bayerns jüngster Einwanderer im Freistaat willkommen sein sollen. Der Braunbär, der vor wenigen Tagen von Österreich über die Grenze kam, sollte von den Experten des World Wildlife Fund Deutschland (WWF) gefangen, kurzfristig betäubt und mit einem Peilsender versehen wieder freigelassen werden.

von Iris Hilberth, wissen.de

Braunbär (Syrischer)
RCS Libri & Grandi Opere SpA Milano / Il mondo degli animali
Für ein solches Tier sei im Freistaat allemal Platz hatte Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf betont. Doch alle Fangversuche waren erfolglos geblieben. Nun hat der Minister den zotteligen Gesellen, der erste seiner Art seit 170 Jahren in freier Wildbahn in Deutschland, zum Abschuss freigegeben. Denn: Der Bär sei ganz offensichtlich „außer Rand und Band und zu einer Gefahr für Menschen geworden“, so der CSU-Minister. „Das ist die bittere Wahrheit“, sagte Schnappauf, und alle Experten hätten zu diesem Entschluss geraten, nachdem der Bär in einen Hühnerstall direkt neben einem Wohnhaus eingedrungen war.

Der Bär war aus einem Ansiedlungsprojekt im italienischen Trentino über den Reschenpass nach Oberbayern gekommen. Seit mehr als einer Woche war er im österreichischen Lechtal beobachtet worden, hatte in Weißenbach einen Baumstamm aufgebrochen, um an ein Nest wilder Bienen heranzukommen und wenig später in Pflach nahe der Grenze eine Bienenhütte ausgeräumt. Seit Samstag ist er in Bayern. Gesehen hat ihn hier noch keiner, doch hat das Tier seine Spuren hinterlassen und letzte Zweifel ausgeräumt, dass hier tatsächlich ein Braunbär unterwegs ist: in der Nacht zum Montag riss der ungewöhnliche Gast in Grainau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen vier Schafe, sechs Hühner und vier Zuchttauben. Zuvor hatte man bereits in Graswang drei tote und mehrere verletzte Schafe auf einer eingezäunten Weide gefunden, war aber zunächst noch vorsichtig mit der Vermutung, dass dies ein Bär angerichtet haben muss. In Grainau aber ließen einige Fellreste und ein Tatzenabdruck keinen Zweifel mehr daran, wer hier gewütet hatte.

„Der Bär ist zu einem Problembären geworden“, begründete Schnappauf seine Meinungsänderung. Denn das Tier zeige kein normales Verhalten. Gewöhnlich sei ein Bär sehr menschenscheu. Doch dieser Bär hat sich nach Einschätzung von Experten mittlerweile ein auf Haustiere ausgerichtetes Futterverhalten angeeignet. Er habe zum wiederholten Male Schafe gerissen und sei in einen geschlossenen Hühnerstall eingedrungen. Experten sprechen in dem

Braunbär
RCS Libri & Grandi Opere SpA Milano / Il mondo degli animali
Fall von einem so genannten Risikobären. Es gibt unauffällige Bären, die sich möglichst nicht in der Nähe von Menschen blicken lassen, aber auch so genannte Schadbären, die hin und wieder auf der Weide ein Vieh reißen. Die aber könnte man noch vergrämen und verjagen. Wird ein Bär aber zum Risikobär und sucht die Nähe zum Menschen, weil er offensichtlich gelernt hat, dass er in der Nähe von Siedlungen einfacher an Futter kommt, wird er gefährlich und unberechenbar. „Deshalb muss er raus aus der freien Wildbahn“, so Schnappauf.

Felix Knauer, Bärenexperte von der Universität Freiburg, ist ebenso der Ansicht:“ Es ist zu gefährlich, noch lange zu warten. „ Es sei nicht normal, dass ein Bär Schafe reiße, normalerweise blieben Bären im Wald. Auch Jörg Rauer, Bärenexperte der Umweltschutzorganisation WWF warnte:“ Er steigert sich immer mehr. Jetzt ist das Fass am überlaufen.“ Expertin Petra Kaczensky, die seit Jahren Bären in freier Wildbahn beobachtet gab zu Bedenken:“ Die große Gefahr ist: es rumpelt im Stall, man geht nachschauen und steht plötzlich dem Bären gegenüber.“ Unabhängig von der Freigabe zum Abschuss werden aber die Versuche fortgesetzt, den Bären doch noch lebend einzufangen.

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