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Empathie: Das Geheimnis des Mit-Leidens

Wenn ein anderer Mensch lacht, müssen wir unwillkürlich ebenfalls schmunzeln. Weint jemand, fühlen wir mit ihm. Und schmerzverzerrt zucken wir zusammen, wenn sich unser Gegenüber mit dem Hammer auf den Daumen schlägt. Ist das nur Mitgefühl? Oder empfinden wir dabei vielleicht sogar selbst eine Art Schmerz? Unsere Fähigkeit zur Empathie ist eine faszinierende Eigenschaft – und reicht erstaunlich weit.
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Selbstempfundene Schmerzen verstärken unser Mitgefühl für andere.

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Dass wir uns gut in andere hineinversetzen können, ist eines der Erfolgsgeheimnisse unseres sozialen Lebens. Weil wir nachempfinden können, wie sich die Trauer, die Freude oder Wut eines anderen anfühlt, fällt es uns leichter, uns mitzufreuen oder den Mitmenschen zu trösten. Nicht umsonst heißt es: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Verantwortlich für diese Fähigkeit zur Empathie sind die sogenannten Spiegelneuronen – ein eigener Schaltkreis im Gehirn, der immer dann anspringt, wenn wir einen anderen Menschen beobachten.

Mit-Leid im buchstäblichen Sinne

Stellen Sie sich vor, Sie schlagen mit dem Hammer einen Nagel in die Wand und treffen dabei aus Versehen den Finger. Sie verletzen dabei vermutlich das Gewebe Ihres Fingers, empfinden körperliches Unbehagen und hoffen, das sich möglichst nicht zu bald wiederholt. All das beschreibt die typischen physischen und psychischen Begleiterscheinungen des Schmerzes -des Gefühls, das bei Verletzungen durch die Reizung unserer Schmerzrezeptoren entsteht.

Stellen Sie sich nun vor, Sie würden einen Freund dabei beobachten, wie er sich auf gleiche Weise verletzt. Unwillkürlich zucken auch Sie dabei buchstäblich vor Schmerz zusammen – und empfinden ebenfalls eine Art Schmerz. Denn obwohl Ihr Körper unversehrt bleibt, verspüren Sie zumindest teilweise die gleichen Symptome: Sie fühlen ebenfalls Beklemmung, zucken möglicherweise zurück, um der Schmerzquelle zu entfliehen, und speichern Informationen über den Kontext der Erfahrung ab, um Schmerz in Zukunft zu vermeiden.

Selbst der Körper reagiert mit

Tatsächlich haben Untersuchungen gezeigt, dass in beiden Fällen die gleichen Hirnstrukturen aktiviert werden. Diese reagieren, egal ob es sich um persönlich erfahrenen oder empathischen Schmerz handelt. "Dass unser Gehirn Schmerz und andere unangenehme Erfahrungen zu großen Teilen gleich verarbeitet, egal, ob wir sie selbst oder andere sie erleben, hat große Bedeutung für das soziale Miteinander", erklärt Anita Tusche vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. "Denn es lässt uns verstehen, was der andere durchmacht."

Aber nicht nur beim Schmerz funktioniert dieses Mitfühlen. Wenn Sie beispielsweise einer Balletttänzerin beim Tanzen zuschauen, dann reicht das schon aus, um ihr Gehirn und sogar ihre Muskeln ebenfalls aufs Tanzen zu programmieren. Forscher haben herausgefunden, dass dann die Spiegelneuronen ähnliche elektrische Signale erzeugen wie beim Tanzen selbst. Und obwohl wir ganz ruhig auf dem Stuhl sitzen, spielt sich in unseren Muskeln die gleiche elektrische Aktivität ab wie bei den Tänzern.

Wie weit diese Fähigkeit zum Einfühlen geht, belegt ein weiteres Experiment: Sehen wir, wie ein anderer seine Hand in Eiswasser steckt, sinkt auch unsere Körpertemperatur messbar ab. Je empathischer wir von Natur aus sind, desto stärker fällt diese Fröstel-Reaktion aus. Das Sich-Hineinversetzen gilt demnach nicht nur für die Gefühle, sondern sogar für ganz objektiv messbare Reaktionen unseres Körpers.

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