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Energiewende in Deutschland: Wohin mit der Windkraft?

Die Windkraft ist eine wichtige Säule der Energiewende – aber unproblematisch ist sie nicht: Immer häufiger regt sich Widerstand oder Standorte kommen aus Naturschutzgründen nicht in Frage. Deshalb haben Forscher jetzt ermittelt, wo in Deutschland geeignete Flächen mit niedrigem Konfliktpotenzial existieren. Ihre Karte könnte dabei helfen, die Windkraft möglichst schonend für Natur und Anwohner auszubauen.
NPO / Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe, 12.07.2021

Fläche ist die neue Ökowährung. Auch beim Ausbau der Winderenergie sind Interessenkonflikte absehbar.

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Der Wind liefert theoretisch genügend Energie, um die gesamte Menschheit mit Strom zu versorgen. Weil der Wind ein sich nie erschöpfende Energiequelle ist und die Umwandlung seiner Bewegungsenergie in elektrischen Strom keine zusätzlichen Treibhausgase freisetzt, gilt die Windkraft als wichtiger Baustein der erneuerbaren Energieversorgung. Sie könnte helfen, die Klimaziele zu erreichen und so dem Klimawandel entgegenzuwirken – so weit die Theorie.

Windräder können zur Todesfalle für Vögel und Fledermäuse werden.

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Vögel, Fledermäuse und protestierende Anwohner

In der Praxis jedoch sieht es weniger rosig aus: Nach einem ehrgeizigen Anfang stockt der Ausbau der Windkraft inzwischen, vor allem in Deutschland geht es nicht mehr recht voran. Einer der Gründe dafür: Viele Standorte sind weniger geeignet als zunächst angenommen. Dazu gehören unter anderem Flächen in der Nähe von Siedlungen, Flughäfen oder Stromleitungen. Vor allem gegen geplante Anlagen in der Nähe von Wohngebieten regt sich zunehmend Widerstand der Anwohner.

Ein weiterer Grund: So klimafreundlich die Windparks sind, so umstritten sind ihre ökologischen Auswirkungen. Denn die Windräder können zur Todesfalle für Vögel und Fledermäuse werden. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 250.000 in ihr Winterquartier ziehende Fledermäuse durch Kollisionen mit den Rotorblättern der Windturbinen. Vor allem die nachts leuchtenden Warnlichter locken die Tiere an und werden für sie zur Todesfalle. Greifvögel wiederum meiden die Windanlagen, dadurch wird ihr Lebensraum jedoch noch weiter eingeschränkt. Schon jetzt ist zu ihrem Schutz der Bau von Windanlagen in der Nähe von Wäldern verboten.

Ob Alpen, Mittelgebirge oder Meeresküste – in den attraktivsten Landschaften stößt der Windkraftausbau häufig auf besonders heftige Ablehnung.

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"Fläche ist die neue Währung der Energiewende"

Doch all diese Einschränkungen wecken die Frage, wo dann der geplante Ausbau der Windkraft stattfinden soll. Denn laut dem neuen Bundesklimaschutzgesetz sollen in Deutschland bis 2030 rund 65 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. „Um das zu erreichen, muss die Windkraft in Deutschland deutlich ausgebaut werden“, sagt Boris Stemmer von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe.

Um zu klären, wo das gehen könnte, haben er und seine Kollegen für Deutschland untersucht, wo geeignete Flächen mit niedrigem Konfliktpotenzial existierten. „Fläche ist die neue Währung der Energiewende“, sagt Felix Christian Matthes vom Öko-Institut, das an der Studie beteiligt ist. „Nur, wenn wir es schaffen, Naturschutz- und Landschaftspflege in der Planung ernst zu nehmen, können wir den Ausbau der Windenergie so vorantreiben, dass das Erreichen der Klimaschutzziele realistisch wird.“

Karte potentieller Gebiete für Windkraft in Deutschland.

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Karte zeigte geeignete Flächen

Das Resultat ist eine Karte, die geeignete Windkraftflächen in unterschiedliche Risikoklassen einstuft. Sie zeigt damit an, welche Flächen außerhalb der schon bestehenden Ausschlussgebiete weniger geeignet sind - beispielsweise wegen naher Vogelschutzgebiete oder Biosphärenreservate oder weil geschützte Spezies dort vorkommen. Dadurch wird sichtbar, wo noch potenzielle Standorte existieren, die weniger konfliktträchtig sind und dem Naturschutz nicht in die Quere kommen.

Die Karte zeigt: Rund 3,6 Prozent der Fläche in Deutschland sind auch aus Sicht des Naturschutzes für die Nutzung von Windenergie geeignet. Auf diese Flächen schätzen die Wissenschaftler das Konfliktpotential mit Natur- und Landschaftsschutz als so gering ein, dass die Chancen für den Bau einer Windkraftanlage gut bis sehr gut sind. Insgesamt sind dies knapp 13.000 Quadratkilometer – das entspricht etwa der Fläche Nordirlands oder Montenegros.

Allerdings sind die potenziell geeigneten Windkraft-Standorte sehr unterschiedlich auf die Bundesländer verteilt. „Nicht alle Bundesländer können und sollten gleich große Flächenanteile für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen“, erklärt Stemmer. Während beispielsweise in Nordrhein-Westfalen vor allem wegen der dichten Besiedelung nur 1,9 Prozent der Landesfläche geeignet sind, bietet in Sachsen-Anhalt ein weitaus größeres Potenzial. Dort wären 16,5 Prozent der Fläche für Windräder geeignet, in Brandenburg sind es 10,2 und in Niedersachen immerhin noch 9,2 Prozent.

"Der Druck auf die Politik ist gestiegen, den Ausbau der Windenergie voranzutreiben, aber das funktioniert nur im Dialog mit den Kritikern - dafür ist unsere Studie eine wichtige Grundlage", betont Stemmer.

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