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Erschöpfung und Müdigkeit

Wenn Erschöpfung zum Dauerzustand wird, ist es Zeit, ärztlichen Rat einzuholen.
von wissen.de-Autorin Theresia Blattmann

Erschöpfung
Colourbox, Berlin/PA / MAXPPP
Als Edelgard Klasing ihren Hausarzt konsultiert, fühlt sie sich so erschöpft, dass sie kaum noch aus dem Bett aufstehen kann. „Nach einer Virusinfektion litt ich plötzlich unter extremer Kraftlosigkeit und bin einfach nicht mehr auf die Beine gekommen“, erinnert sich die 53-jährige Dortmunderin. Dabei war die dreifache Mutter immer ein aktiver Mensch: „Bis zu diesem Zeitpunkt stand ich mitten im Leben.“ Heute weiß Edelgard Klasing, dass sie unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom CFS litt. „CFS ist leider bislang wenig erforscht“, erklärt Klasing. Um die Erkrankung auch in Deutschland bekannter zu machen, engagiert sie sich als stellvertretende Vorsitzende im Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom Fatigatio e.V. und berät Betroffene zum Syndrom.

 

Erschöpfung: Ein Symptom – viele Ursachen

Meist ist ein Erschöpfungszustand vorübergehend und kann durch bestimmte Lebensumstände wie Schlafmangel, Stress im Beruf oder Belastungen im Privatleben ausgelöst werden. Ist zum Beispiel Stress der Grund für die Abgeschlagenheit, lässt die Müdigkeit in der Regel nach, wenn die Belastung abnimmt. Ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung, viel Bewegung und Entspannungsverfahren können helfen, die Situation in den Griff zu bekommen.

Allerdings können sich hinter Schwäche und Abgeschlagenheit auch ernsthafte körperliche Erkrankungen verbergen. „Spätestens dann, wenn der Alltag nicht mehr zu bewältigen ist, sollte man sich gründlich beim Arzt untersuchen lassen“, rät Professor Dr. Sadre-Chirazi-Stark, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Asklepios Westklinikum in Hamburg.

Der erste Weg führt Menschen, die sich müde und erschöpft fühlen, zunächst zum Hausarzt. Zum gründlichen Check Up gehören ein Anamnesegespräch, eine körperliche Untersuchung und in der Regel eine Blutanalyse. Diese Untersuchungen liefern Hinweise auf verschiedene Erkrankungen, die sich in Erschöpfungszuständen äußern. Dazu gehören zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen, Herz- Kreislauferkrankungen oder Entzündungen im Körper.

 

Auch an psychische Erkrankungen denken

Chronische Müdigkeit muss aber nicht immer ein Zeichen für körperliche Erkrankungen sein. „Natürlich können sich auch psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen oder ein Burnout-Syndrom in extremer Abgeschlagenheit äußern“, erklärt Professor Sadre-Chirazi-Stark. „Zu einer gründlichen Anamnese gehört deshalb auch, psychische Belastungsfaktoren zu erfragen.“

 

Fatigue – Erschöpfung bei schweren organischen Erkrankungen

Wenn Erschöpfungszustände bei Patienten auftreten, die unter einer schweren körperlichen Erkrankung wie zum Beispiel Krebs leiden, spricht man von „Fatigue“. Fatigue ist Folge der Erkrankung selbst, der zum Teil sehr belastenden Therapie sowie von psychischen Faktoren. Die deutsche Fatigue Gesellschaft geht davon aus, dass rund 80 Prozent der Krebspatienten im Laufe ihrer Behandlung unter einer tief greifenden Müdigkeit leiden, die auch nach Ende der Therapie noch weiter anhalten kann. Neben einer optimalen Behandlung der körperlichen Erkrankung empfehlen Experten psychologische Betreuung und gezielte Bewegungsprogramme, bei denen die Patienten regelmäßig trainieren, ohne sich dabei zu überlasten.

 

Das chronische Erschöpfungssyndrom CFS

„Erst wenn alle anderen psychischen und organischen Ursachen für einen Erschöpfungszustand ausgeschlossen sind, sprechen Ärzte vom chronischen Erschöpfungssyndrom CFS“, erklärt Edelgard Klasing. Obwohl Schätzungen von Fatigatio e.V. davon ausgehen, dass in Deutschland etwa 350.000 Menschen von CFS betroffen sind, ist bislang nur wenig über die Erkrankung bekannt. Fest steht: CFS ist eine chronische Krankheit, die sich in übermäßiger Abgeschlagenheit äußert. Zudem können Symptome wie Gelenkschmerzen und empfindliche Lymphknoten auftreten. Edelgard Klasing kennt Erkrankte, bei denen CFS bis zur Bettlägerigkeit führt. „Die Patienten werden häufig als faul oder psychisch krank abgestempelt“, erklärt Klasing. „Dabei gibt es inzwischen viele Studien, die bestätigen, dass bei CFS-Patienten messbare körperliche Veränderungen vorliegen.“ Dies bestätigt auch Professor Sadre-Chirazi-Stark: „Als Auslöser kommen sowohl Infektionen, toxische Einflüsse wie zum Beispiel Umwelt- oder Wohnraumgifte als auch eine Fehlsteuerung des Immunsystems in Frage.“ Bislang gibt es keine spezifische Therapie gegen CFS, die Behandlung orientiert sich an den individuellen Beschwerden der Betroffenen.

 

Erschöpft – was hilft?

Manchmal ist es ein langer Weg, der Ursache für einen Erschöpfungszustand auf die Spur zu kommen. Trotzdem ist es wichtig, die Gründe für die Dauermüdigkeit festzustellen, um den Betroffenen adäquat zu helfen. „Eine gezielte Therapie der Erschöpfung muss sich immer nach ihrer Ursache richten“, erläutert Professor Sadre-Chirazi-Stark. Auch Edelgard Klasing geht es inzwischen besser. Neben der Selbsthilfearbeit steht sie als Tagesmutter wieder im Leben.

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