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Esst mehr Insekten!

Mehr Fleisch, mehr Gemüse, mehr Getreide: Mit dem stetigen Wachstum der Weltbevölkerung steigt seit Jahren auch die Nachfrage nach Nahrung. Doch schon jetzt stößt unser Konsumverhalten die Erde an ihre Grenzen. Anlässlich des diesjährigen Welttags der Umwelt rufen die Vereinten Nationen zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten auf. Könnten Insekten das Rezept für eine nachhaltige Ernährungsweise sein?
DAL

Frittierte Insekten auf einem Markt in Thailand

Larven, Wanzen, Käfer, Ameisen und Heuschrecken sind in vielen Ländern ganz normale Lebensmittel. Vor allem in der westlichen Welt gehören Insekten in der Regel jedoch nicht auf den Speiseplan. Wenn überhaupt, finden sie als exotische Rarität oder kulinarische Mutprobe den Weg auf unsere Teller. In Zukunft könnte sich das aber ändern. Zumindest wenn es nach der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO ginge, ersetzen Insektenburger und –würste irgendwann Schweineschnitzel und Rindersteaks. Denn die FAO gehört zu jenen Organisationen, die seit einigen Jahren intensiv für Insekten als Nahrungs- und Futtermittel wirbt.

Was skurril klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Weil die Weltbevölkerung kontinuierlich wächst, stößt die Nahrungsmittelproduktion allmählich an ihre Grenzen. Schon heute steigt der Fleischkonsum insbesondere in Schwellenländern rasant an, Acker- und Weideländer werden knapp, große Teile der Meere sind überfischt. Gleichzeitig ist der Lebensmittelsektor für 30 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs sowie gut 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich – und schadet damit der Umwelt, die immer mehr Menschen mit immer mehr essentiellen Nahrungsmitteln versorgen soll. Es ist offensichtlich, dass diese Rechnung auf Dauer nicht aufgeht. Unsere Nahrung wird sich verändern müssen.

Nachhaltige Proteinquelle

Wäre vermehrt Insekten zu essen also eine sinnvolle Alternative und womöglich die Lösung für das Welternährungsproblem? Tatsächlich spricht einiges für die Forcierung dieser Ernährungsweise, die in der Fachsprache Entomophagie heißt. Insekten sind nämlich nicht nur nahrhaft und können den menschlichen Körper mit wichtigen Proteinen, Fetten und Mineralstoffen versorgen, sie  lassen  sich auch effizient züchten. Denn sie pflanzen sich schnell fort und haben zudem eine hohe Futterumwandlungsrate – das heißt, sie benötigen relativ wenig Futter, um 1 kg Gewichtszunahme zu erreichen. Zum Vergleich: Im Durchschnitt können Insekten laut FAO 2 kg Futter in 1 kg Insektenmasse umwandeln, Rinder benötigen hingegen 8 kg dafür.

Außerdem ist die Insektenzucht umweltfreundlicher als die von Schweinen oder Rindern. So produzieren Insekten weniger Treibhausgase und brauchen deutlich weniger Wasser. Zudem könnten die Tiere für eine ungekannte Artenvielfalt auf unserem Speiseplan sorgen. Schließlich gibt es immerhin circa 1.900 essbare Spezies – von Käfern, über Bienen, bis hin zu Grashüpfern und Termiten.

Es ist angerichtet: Heuschreckensalat in Mexiko.

shakzu, thinkstock.com

Gaumenschmaus statt Notfall-Nahrung

Doch all diese Vorteile klingen wenig überzeugend, wenn man Insekten schlicht unappetitlich findet. Der Ekelfaktor, schrieb die Kognitionswissenschaftlerin Ophelia Deroy kürzlich in einem Artikel im Fachblatt Nature, mache aktuellen Überzeugungsstrategien einen Strich durch die Rechnung.  „Insekten immer nur als billige Proteinquelle zu vermarkten, funktioniert nicht.“ Um eine Verhaltensänderung zu erzielen, müssten Insekten stattdessen als attraktive Nahrung wahrgenommen werden.

Kurz gesagt: Wer sich entscheidet Insekten zu essen, tut das, weil sie schmackhaft sind – und nicht der Umwelt zuliebe. Studien zu dem Thema zeigen zum Beispiel, dass Europäer Insekten im Essen eher akzeptieren, wenn sie in bekannten Geschmacksrichtungen zubereitet werden. Auch Vertrauen spielt offensichtlich eine entscheidende Rolle. Wie bei anderen Nahrungsmitteln auch, wollen wir wissen, wo das Tierchen herkommt, das wir verspeisen. Deshalb sind Menschen eher geneigt, eine Bienen-Eiscreme ihres lokalen Imkers zu probieren als einen gegrillten Skorpion, der von weit her kommt.

Wer nun einmal testen möchte, ob Käfer und Co nach seinem Geschmack sind, hat auch in Deutschland vielfältige Möglichkeiten: Es gibt Restaurants, die Insekten auf der Speisekarte führen und sogar spezielle Insektenkochkurse. Einige Onlineshops bieten Skorpione, Würmer und Heuschrecken  auch pur  an – oder süß ummantelt in Bonbons und Lutschern.

 

DAL, 05.06.2015

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