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Eventpatriotismus

Wieder einmal haben Sie es uns sehr schwer gemacht und lange konnten wir uns nicht entscheiden, was denn nun das Wort des Monats Juni sein kann. Dass es aus dem Umfeld der Fußball-Weltmeisterschaft stammen würde, davon sind wir fast schon stillschweigend ausgegangen.
wissen.de Redaktion

In bester Erinnerung sind uns noch das Wort des Monats Juni 2004 (Rehakles) und natürlich Kahnsinn, die Wortschöpfung zur WM 2002. Auf den Fanmeilen, die immer weiter verlängert wurden, (so bot die Fanmeile in Berlin zum Halbfinale fast 1 Million Menschen Platz) drängten sich die Menschen und uns sich dieses Wort auf. Doch dann erreichte uns die folgende Begründung für das Wort Eventpartiotismus, die andeutet, welch geschichtliche, feuilletonistische und plakative Standpunkte, Diskussionen und Ansätze in diesem Kompositum aus dem Neudeutschen "Event" und dem althergebrachten "Patriotismus" stecken. Für einige fröhliches Fahnenschwenken auf Fanmeilen, für uns die längste Diskussion der Fußball-Randberichterstattung. Unser Glückwunsch geht an Herrn Steinherr aus München, dessen Begründung wir wie gewohnt abbilden:

"Die Deutschen tun sich ja bekanntlich schwer mit dem Thema "Nation". Größere Zusammenrottungen unter nationalen Vorzeichen wie Fahnen oder der Nationalhymne werden argwöhnisch betrachtet, kommen noch grölende Jungmännergruppen hinzu, fühlt sich der aufgeklärte bundesdeutsche Zeitgenosse gerne mal an das Dritte Reich erinnert.

Spätestens seit der deutschen Vereinigung kritisieren andererseits Politiker und Denker dieses eher vorsichtige Verhältnis zum Nationalen und meinen, es müsse doch mal Schluss sein mit der Distanz zum eigenen Vaterland. Die anderen stellen sich schließlich auch nicht so an beim Fahnenschwenken. Die Frage für den politisch denkenden deutschen Fußballfan ist also seit jeher: Wie patriotisch darf ich denn nun sein beim Jubeln fürs eigene Team? Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land hat die Antwort gebracht: Ihr dürft volle Pulle patriotisch sein, Fahnen schwenken, die Gesichter schwarzrotgold schminken und überhaupt – und zwar ganz ohne schlechtes Gewissen! Wir führen der Welt nämlich einen deutschen Patriotismus vor, der mehr einer Party gleicht als einer strammen Veranstaltung und sich beim Public Viewing auf Fanmeilen landauf landab austobt.

Die Feuilletons waren voll mit schwerwiegenden Gedanken über diese neue, angeblich eher lockere Variante des Patriotismus und haben ihm auch gleich einen griffigen Namen verpasst, der die Kultur des 21. Jahrhunderts mit der erhabenen Gemütshaltung des 19. Jahrhunderts aufs Schönste verbindet. Event-Patriotismus. Eindeutig das Wort der WM 2006 und damit das Wort des Monats Juni!"

Allen Teilnehmern an unserer Aktion “Wort des Monats“ vielen Dank. Senden Sie uns auch im kommenden Monat wieder Ihren Vorschlag mit einer Begründung an die bekannte E-Mail-Adresse: wortdesmonats@wissen.de. Wie üblich gibt es einen Wahrig: Deutsche Rechtschreibung zu gewinnen (dafür aber nicht die Begründung vergessen!). Wir freuen uns auf Ihre Einsendung und wünschen viel Erfolg!

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