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Förderung der Zivilcourage

Mangel an Übung

Wie oft hören wir Opfer von Gewalttaten im Nachhinein erzählen: "Und niemand hat mir geholfen!" Auf die beliebte Frage von Reportern "Würden Sie helfen?" hören wir nicht selten die Antwort: "Kommt darauf an." Ja, worauf kommt es eigentlich an? Wo bleibt die Zivilcourage der Gesellschaft? Sind wir ein Volk von Feiglingen, Wegsehmentalität steigend? Das Erstaunliche ist, dass es Antworten gibt, die uns Mut machen können, nicht zu resignieren. Die Antworten fordern aber auch zu konsequentem Handeln auf.

Die Gewissheit, ob man seine grundsätzliche Bereitschaft, sich einzumischen, im entscheidenden Augenblick auch umsetzen kann, erfährt man erst dann, wenn man gefordert wurde. Die Mehrheit der Menschen kommt aber nicht in eine Situation, wo ihr Einmischen unausweichlich notwendig wird. Dieser Mangel an Übung hat zur Folge, dass in einer plötzlichen Gewaltsituation die meisten von uns - gewollt oder ungewollt - den Opfern ihre Hilfe versagen. Und diejenigen, die ungewollt "versagten", malträtieren sich später mit Selbstvorwürfen. Hilfreich ist es dann, wenn es zur Nachsorge eine Anlaufstelle gibt, wo man für die Vergangenheit lernt, um sich zukünftig einmischen zu können.

Warum Einmischen in der Not anderer so ohne weiteres nicht möglich ist und zivilcouragiertes Handeln bei vielen Gefahrenlagen eher nur dem Zufall überlassen bleibt, hat uns die Wissenschaft hinreichend erklärt. Alle Ermahnungen und Appelle zur Zivilcourage haben nicht den Erfolg erbracht, den man sich gewünscht hätte. Dafür gibt es Erklärungen, die es näher zu betrachten gilt. Kampagnen und Betroffenheitslyrik können dem Ansporn und der Thematisierung dienen. Eine Verhaltensveränderung von Menschen in Richtung zivilcouragiertes Handeln ist damit eher nicht zu erreichen.

Dabei gilt es nicht allein den Fokus auf rechtsextremistische Gewalttaten zu legen. Schwindende Bereitschaft der Bevölkerung zur Zivilcourage gegen Gewalt und Kriminalität schlechthin ist seit Jahrzehnten zu beobachten. Sie spiegelt sich so auch auf dem Gebiet extremistischer Straftaten wider. Wer sich nicht bei Alltagsgewalt einmischt, wird es auch in Fällen extremistischer Übergriffe nicht ohne weiteres tun.

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