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Framing – Wenn Worte Bilder im Kopf auslösen

Schublade auf, Schublade zu: Wer auf Fleisch verzichtet, gilt als Umweltaktivist und wer einen ganzen Kleiderschrank voller Schuhe hat, wird schnell als Mode-Freak bezeichnet. Oft ordnen wir Menschen und Erlebnissen bestimmten Vorurteilen zu. Auch in der Sprache können bestimmte Begriffe oder Phrasen solche Bewertungen und Bilder im Kopf auslösen. Dieser sogenannte "Framing-Effekt" wird teilweise bewusst genutzt, um Ansichten zu transportieren und auf subtile Weise zu manipulieren. Aber was steckt genau dahinter?
ABO, 05.11.2020

Ein klassisches Beispiel für Framing: Ist das Glas halbleer oder halbvoll?

pixabay.com, wuny

Was ist Framing?

Framing heißt wörtlich übersetzt „einrahmen“. Jedes Wort ruft in unserem Kopf bestimmte Bilder hervor, die wir bekannten Bedeutungen zuordnen. So kategorisieren wir zum Beispiel schnell Menschen nach ihrem Aussehen, einer ihrer Vorlieben oder ihrem Hobby und stecken sie in eine Schublade mit bestimmten Vorurteilen. „Das ist wie der Blick auf die Realität durch einen Fotoapparat: Dieser lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Teil des Motivs und blendet anderes aus“, erklärt Elisabeth Wehling von der University of California das Phänomen.

Einzelne Schlagworte werden beim Framing immer wieder mit bestimmten Themen in Zusammenhang gebracht - bei jedem Schlüsselwort entsteht automatisch eine Reihe an Bildern in unserem Kopf. Hören wir beispielsweise das Wort „Erfolg“ verbindet der Eine damit einen Sieg beim Fußballspiel, der Andere zum Beispiel eine Beförderung. Dabei bilden sich sogenannte Deutungsrahmen: „Frames sind sprachliche Rahmen. Sie geben einer Information, einer Zahl, einem Fakt, einem Motiv erst einen Sinn, sie ordnen die Welt“, so Wehling.

Warum nutzen wir Framing?

Der Prozess des Einrahmens ist völlig normal und läuft unbewusst ab: Um uns trotz aller Eindrücke und Reize im Alltag zurechtzufinden, konzentrieren wir uns ganz automatisch auf einzelne Schlüsselinformationen, die wir bereits kennen. Ein „Frame" strukturiert also die Wahrnehmung der Realität und beeinflusst, welche Informationen bei uns hängen bleiben.

Das gilt auch für einzelne gesprochene Worte: „Sprache verstehen, heißt nichts anderes, als Inhalte gedanklich zu simulieren“, erklärt Wehling. Worte rufen dabei Erinnerungen, Gefühle und Gedanken in uns hervor. So verbinden wir zum Beispiel den Namen „Heinrich“ meist mit einem älteren Herrn, weil der Name für uns oft altmodisch klingt. Das Gleiche gilt für Verben: Bei dem Wort „stolzieren“ denken die meisten beispielsweise an eine gehende Person mit hochgezogenen Schultern und in die Höhe gestreckter Nase.

Das Erstaunliche: Dabei stellen wir uns die Bewegungen sogar ganz genau im Kopf vor. Analysen der Gehirnaktivität zeigten bereits, dass bei einem Verb wie "einschlagen" eine bestimmte Region im Gehirn aktiviert wird. Und zwar der Bereich, der eine Bewegung wie einen Schlag geistig vorbereitet. Patienten mit Hirnschäden in dieser Region haben nachweislich Probleme beim Verstehen von Verben, weil sie Bewegungen geistig nicht mehr gut simulieren können.

Asylbewerber, Flüchtlinge, Flüchtende oder Migranten - in der Politik spielt sprachliches Framing seit jeher eine große Rolle.

iStock.com, MilosMalinic

Mit Framing manipulieren

Obwohl jeder Mensch tagtäglich derart denkt, kann Framing auch bewusst zur Manipulation genutzt werden: Zwei Sätze können so formuliert sein, dass ihre Information zwar die gleiche ist, aber jeweils eine andere Vorstellung beim Zuhörer auslöst. Beispielsweise klingt die Aussage „Hergestellt aus 30 Prozent recyceltem Plastik“ wesentlich besser als „Hergestellt aus 70 Prozent neuem Plastik“. Auch das Versprechen „Mit diesem Medikament können 200 von 600 Menschen gerettet werden“ löst andere Assoziationen aus als die Aussage, dass 400 von 600 Menschen trotz der Einnahme des Medikaments sterben werden.

Bei Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge spricht man von Verlust-Framing: So wird zum Beispiel auch der Satz „Wer raucht, stirbt schneller" dem sogenannten „Loss-Frame“ zugeordnet – denn dieser löst bei der adressierten Person Verlustängste aus und schreckt ab. Bei Präventionsmaßnahmen haben jedoch Botschaften mehr Erfolg, die in einen Gewinnrahmen eingebettet sind - also die positiven Folgen der gewünschten Verhaltensänderung betonen. „Wer nicht anfängt zu rauchen, lebt länger" wäre also ein Beispiel für dieses positive "Gain-Framing". Im Zuge der Corona-Pandemie wäre die entsprechende Botschaft: Wer Abstand hält, senkt sein Ansteckungsrisiko.

Macht des Framings

Aber wie sehr lassen wir uns durch Framing manipulieren? Eine Studie konnte belegen, dass die Wirkung des Framing individuell unterschiedlich ausfällt. Forscher der University College London untersuchten dafür die Hirnaktivität ihrer Teilnehmer, während diese Risikoentscheidungen trafen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Probanden verschieden stark durch das Framing beeinflusst wurden – und zwar abhängig davon, wie stark die Gehirnregion durchblutet wurde, die unter anderem an der Handlungsplanung beteiligt ist.

Die Experten schlossen daraus, dass Menschen dem Framing-Effekt nicht schutzlos ausgeliefert sind. Wer sich bewusst macht, was ihm wie  präsentiert wird und welche Form des Framings dahinterstecken könnte, ist weniger leicht manipulierbar.

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