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Französischer Dandy?

„Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Bolero. Leider enthält er keine Musik." Maurice Ravel teilt das Schicksal mit jenen Komponisten, die ausgerechnet mit solchen Werken berühmt wurden, die sie selbst nicht für ihre bedeutendsten hielten. In der deutschsprachigen Rezeption trifft die Ravel zugeschriebene Aussage zu. Ohne Bolero wäre Ravel einer unter vielen.

von Jörg Peter Urbach, wissen.de

Ravel, Maurice
Corbis-Bettmann, New York
Nun hatten es französische Komponisten (auch wenn Ravel von Geburt Baske war) der Jahrhundertwende in Deutschland eigentlich schon traditionell schwer. Der sich vor allem in seinen frühen Jahren gerne dandyhaft gebende Ravel geriet rasch ins Fadenkreuz der (damals wie heute) strikt zwischen U- und E-Musik trennenden deutschen Musikkritik: Seine unbestrittene instrumentale Virtuosität galt als oberflächlich, seine Nähe zu Jazz, Ballett und Tanz gar als „Amüsiergehabe“ abgetan, die ausgeprägte Affinität zur kindlichen Tier- und Märchenwelt als wenig substanziell gesehen. Darüber hinaus grenzte man die von Ravel ganz bewusst eingesetzte Tonalität mit Bezug auf einen Grundton gegen die „Neue Wiener Schule“ eines Schönberg, Berg und Webern ab: Ravel sei eben kein Neuerer gewesen. Ist diese Kritik gerechtfertigt oder war sie eventuell nur eine Reaktion auf die großen Erfolge, die Ravel beim Publikum erzielte? Eine einzige verbindliche und richtige Antwort gibt es sicher nicht, aber ein Blick auf die Werke selber eröffnet dem vorurteilsfreien Hörer zumindest Perspektiven, die der Meinungsbildung dienlich sind.

Der Bolero

Der Bolero, komponiert und uraufgeführt im Jahre 1928 in Paris, ist ursprünglich eine Ballettmusik. Dieses Auftragswerk für Ida Rubinstein verdankt seine Entstehung den verschlungenen Pfaden des Urheberrechts. Den eigentlichen Plan, einige Stücke aus Isaac Albéniz’ Klaviersuite Iberia zu instrumentieren, musste Ravel nämlich verwerfen und stattdessen, ein „Experiment“ wagen. Das Stück ist ein einziges ausgedehntes Crescendo. Zwei Bolero-Weisen werden in stets neuer instrumentaler Gewandung zu einem bis zum vorletzten Takt konstanten Rhythmus permanent wiederholt, bevor Ravel zum raffinierten Schlusscoup ansetzt: Kurz vor Schluss springt das bis jetzt durchgehaltene C-Dur nach E-Dur und das Stück bricht – ähnlich wie La Valse – völlig in sich zusammen. Die einmal angeworfene und bis zum Höhepunkt gesteigerte Orchestermaschinerie wird einfach abgestellt. Einfachheit und Raffiniertheit ergänzen sich hier zu einer Synthese von bisweilen hypnotischer Wirkung.

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