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Friedensnobelpreis für tunesische Demokratie-Helfer
Tunesien gilt als Ursprungsort des Arabischen Frühlings: Bereits Ende 2010 gab es hier Massenunruhen und Proteste gegen das Regime, das als korrupt galt und durch harte Zensur und eine diktatorische Regierung kaum Opposition zuließ. Auslöser der sogenannten Jasmin-Revolution war die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers, die landesweite Streiks und Kundgebungen nach sich zog.
Die Jasmin-Revolution und die Folgen
Anfang Januar 2011 flüchtete der tunesische Präsident und die Regierung löste sich auf. Nach mehreren Übergangspräsidenten gab es im Herbst 2011 dann erstmals eine Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung – dies läutete den Übergang zu einer Demokratie ein. An diesem Punkt kam das National Dialogue Quartet zum Tragen. Der Zusammenschluss aus der tunesischen Gewerkschaft, der Industrie- und Handels-Union, der tunesischen Menschenrechtsliga und der nationalen Standesorganisation der Anwälte machte es sich zur Aufgabe, den Weg zu einem demokratischen Staat zu begleiten und als Vermittler zu dienen.
Gegründet wurde das Quartett im Sommer 2013, als der Demokratisierungs-Prozess wegen Unruhen und politischen Attentaten wieder zu scheitern drohte. Während in vielen anderen arabischen Staaten die Revolution wieder zum Stillstand kam oder sogar ein Bürgerkrieg ausbrach, sorgte in Tunesien der Einfluss des Quartetts dafür, dass sich die Wogen glätteten und der Übergang zur Demokratie gelang. Diese friedliche Entwicklung gipfelte im letzten Herbst in demokratischen Wahlen.
Dialog auch zwischen Feinden
"Zum großen Teil ist dies der Verdient des National Dialogue Quartet", heißt es in der Presseerklärung des Nobelpreis-Komitees. "Sie sorgten dafür, dass die Errungenschaften der Jasmin-Revolution nicht verloren gegangen sind und etablierten einen friedvollen Prozess zu einer Zeit, als das Land am Rand eines Bürgerkriegs stand." Die im Quartett zusammengeschlossenen Organisationen ebneten den Weg für einen Dialog zwischen den Bürgern, den politischen Parteien und Behörden und trugen dazu bei, konsensfähige Lösungen auch zwischen verfeindeten Gruppen zu finden.
Unter anderem durch die Bemühungen des Quartetts bildete sich in Tunesien schließlich ein Regierungssystem, das der gesamten Bevölkerung grundlegende Rechte gewährt, unabhängig von Geschlecht, politischer Haltung oder religiösem Glauben. Nach Ansicht des Nobel-Komitees demonstriert Tunesiens Entwicklung und das Wirken des Quartetts zum einen, dass islamische und säkulare politische Bewegungen sehr wohl produktiv zusammen arbeiten können. Zum anderen zeige es, dass zivile Organisationen und Institutionen eine entscheidende Rolle bei der Demokratisierung eines Landes spielen.
Der Friedensnobelpreis soll nicht nur die Verdienste des Quartetts und seiner Mitglieder würdigen. Das Komitee hofft auch, dass der Preis dabei hilft, künftige Herausforderungen beim Erhalt der Demokratie zu meistern. "Tunesien steht noch immer großen Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Sicherheit gegenüber", betonen die Osloer Komiteemitglieder. "Mehr als alles andere soll der Preis daher als Ermutigung für das tunesische Volk dienen, das trotz großer Probleme die Basis für den nationalen Zusammenhalt gelegt hat." Gleichzeitig soll diese Auszeichnung auch als Inspiration für diejenigen dienen, die im Nahen Osten, in Nordafrika und dem Rest der Welt nach Frieden und Demokratie streben.