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Frösche und Co in Gefahr

Amphibien sind die ältesten landlebenden Wirbeltiere unseres Planeten - und inzwischen leider auch die am stärksten gefährdeten. Seit vielen Jahren ist unter Fröschen, Kröten, Salamandern und Molchen ein weltweites Sterben im Gange. Was ist verantwortlich für die prekäre Situation der Amphibien? Und ist ihr Schicksal noch abzuwenden?
DAL, 14.11.2018

Der in Zentralamerika heimische Rotaugenlaubfrosch gilt noch nicht als bedrohte Art, aber viele tropische Froscharten bewohnen nur ein kleines Areal und sind daher oft stark gefährdet.
Irgendwann vor rund 400 Millionen Jahren krochen die ersten Fische aus dem Wasser an Land. Das war die Geburtsstunde der Amphibien - jenen "doppellebigen" Wesen, die in beiden Elementen zuhause sind. Die ältesten landlebenden Wirbeltiere unseres Planeten haben den Untergang der Dinosaurier überlebt und im Laufe ihrer Evolution nahezu den gesamten Erdball erobert. Frösche, Salamander und Co kommen mit Ausnahme der Antarktis auf allen Kontinenten vor.

Doch aus der vielfältigen und über Jahrmillionen erfolgreichen Klasse an Lebewesen ist inzwischen eine Klasse der Bedrohten geworden: Die Amphibienpopulationen gehen weltweit zurück. Laut der Roten Liste der Naturschutzunion (IUCN) gilt heute rund ein Drittel aller Arten als in ihrem Gesamtbestand bedroht. Damit sind die Amphibien die am stärksten gefährdete Wirbeltierklasse. Wie konnte es dazu kommen?

Stark gefährdet: Die in Deutschland heimische Rotbauchunke leidet unter der Zerstörung ihres Lebensraumes.

Von Klimawandel bis Umweltgift

Es ist wie fast immer, wenn es um den Rückgang von Artenvielfalt geht: Den Lurchen machen gleich mehrere Faktoren zu schaffen. Der von Menschen verursachte Verlust von Lebensräumen gehört dabei ebenso dazu wie der Klimawandel, die Invasion fremder Arten und die Belastung mit Umweltschadstoffen. So haben Forscher beispielsweise herausgefunden, dass Hormonrückstände von Verhütungsmitteln in Gewässer gelangen und dort aus männlichen Fröschen Weibchen machen können.

Ein weiteres Beispiel sind Mückenabwehrmittel mit den Wirkstoffen DEET und Icaridin. Auch sie geraten über unsere Abwässer oder beim Baden in Seen und Flüsse. Dort können sie dem Nachwuchs bestimmter Amphibien schaden, wie eine Studie erst kürzlich enthüllte. Demnach führen die Substanzen bei Schwanzlurch-Larven zu schweren Fehlbildungen und zum Tod - und zwar bereits bei Konzentrationen, die in unseren Gewässern üblich sind. "Wenn die Amphibien während ihrer sensiblen Lebensstadien exponiert werden, könnten ganze Jahrgänge zugrundegehen", warnt Studienleiter Rafael Almeida vom Cary Institute for Ecosystem Studies in New York.

Die für viele Amphibienarten tödliche Chytridiomykose wurde vermutlich durch den Handel mit Krallenfröschen weltweit verbreitet.

Tödliche Pilzepidemie

Darüber hinaus spielt ein global grassierender Krankheitserreger eine wesentliche Rolle für die prekäre Situation der Amphibien: Der sogenannte Chytridpilz (Batrachochytrium dendrobatidis) kann Amphibien aller Ordnungen über die Haut infizieren und führt bei der Mehrheit der befallenen Tiere zum Tod.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat dieser ursprünglich aus Korea stammende Erreger eine regelrechte Epidemie ausgelöst. Er soll inzwischen für das Amphibiensterben bei über 500 Spezies auf der ganzen Welt verantwortlich sein und hat selbst so entlegene Inseln wie Madagaskar erobert. Fatalerweise erhält der Chytridpilz seit einigen Jahren auch noch Schützenhilfe von einem Verwandten: Batrachochytrium salamandrivorans befällt vor allem in Europa heimische Salamander.

Feuersalamander mit durch Batrachochytrium salamandrivorans verursachten Hautgeschwüren. Für die europäischen Schwanzlurche ist der aus Ostasien eingeschleppte Erreger neu, so dass keine Abwehrmechanismen existieren.

F. Pasmans / CC0

Risiko globaler Handel

Ob und wie sich die Ausbreitung dieser beiden tödlichen Seuchen stoppen lässt, ist bisher unbekannt. Allerdings mehren sich die Hinweise darauf, dass der Amphibienhandel erheblich zur Ausbreitung der Pilze beigetragen und womöglich sogar erst deren tödliche Varianten erschaffen hat. Denn durch den Handel kommt es immer wieder zu Kreuzungen zuvor getrennter Erregerpopulationen. Zum einen können dadurch besonders aggressive Linien entstehen. Zum anderen macht das ständige Auftauchen neuer Varianten den Amphibien eine Anpassung an die Seuchen nahezu unmöglich.

Wissenschaftler vom Helmholtz-Institut für Umweltforschung in Leipzig plädierten jüngst daher dafür, den internationalen Handel mit Amphibien komplett zu beenden und verstärkte Maßnahmen zur Biosicherheit zu ergreifen: "Sonst werden wir immer neue Pilz-Linien schaffen. Und wer weiß, was die dann erst alles anrichten."

Der globale Amphibienhandel ist nicht nur organisierte Tierquälerei, sondern scheint erheblich zur Ausbreitung der tödlichen Erreger beizutragen.

Sind die Amphibien noch zu retten?

Doch dies allein wird wohl nicht reichen. Um die Amphibien noch zu retten, müssen wir vielmehr auf mehreren Ebenen gleichzeitig ansetzen - von Krankheiten bis zu Klimaänderungen. Wie wichtig ein solcher ganzheitlicher Ansatz ist, zeigt folgendes Beispiel: Viele Ochsenfrösche reagieren auf eine Chytridpilz-Infektion unbeeindruckt, solange es ihnen ansonsten gut geht. Sind die Umweltbedingungen ungünstig oder kommt ein zweiter Erreger wie das ebenfalls gefährliche Rana-Virus hinzu, gehen die Frösche jedoch an der Infektion zugrunde.

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