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Glücksspiel und seine Psychologie

Manche mögen Glücksspiel, andere nicht. Und unter denen, die es mögen, sind manche schon nach wenigen Runden zufrieden, während andere nächtelang zocken können. Doch warum ist das so?

Warum jemand gerne spielt, ist vor allem ein äußerst psychologisches Phänomen, das in unserem Gehirn entschieden wird.

unsplash.com, Michal Parzuchowski

Menschen sind so verschieden: Der eine kann keine Kneipe betreten, ohne ein paar Eurostücke in den Spielautomaten zu werfen. Der andere hingegen würde selbst dann keine einstellige Euro-Summen ausgeben, wenn der Lotto-Jackpot bei einem fast dreistelligen Millionen-Betrag angelangt ist. Doch woher kommt das? Und sind manche Menschen tatsächlich Glücksspiel-anfälliger als andere? Diesen Fragen gehen wir auf den folgenden Zeilen nach.

Eine Sache der Persönlichkeit

Auf der untersten Sprosse einer Erklärungsleiter lässt sich feststellen, dass es tatsächlich so ist, dass manche Menschen dem Glücksspiel eher zugeneigt sind als andere. Das ist eine ganz normale Variante der Persönlichkeit, wie sie sich auch in unzähligen anderen Bereichen wiederfindet. Der eine mag Glücksspiel und Turnschuhe, der andere mag es nicht, dafür aber braune Lederslipper.

Doch betrachtet man diese Persönlichkeit aus einem tiefenpsychologischen Blickwinkel heraus, kommen Neigungen hinzu. Der Fachmann spricht in diesem Fall vom sogenannten Attention Seeking, das sich im Deutschen leider nur etwas schwammig als Aufmerksamkeitssuche übersetzen lässt. Das ist zunächst nichts Negatives, sondern ebenfalls eine einfache charakterliche Variante.

Solche Menschen suchen immerzu nach neuen Herausforderungen. In milden Varianten können das vielfältig wechselnde Hobbies sein. Etwas ausgeprägter zeigt sich Attention Seeking hingegen beim Hang zu extremen Sportarten, die eine hohe Ausschüttung von Adrenalin versprechen. Und in die gleiche Kerbe schlägt eben auch das Glücksspiel. Von der Spannung bis dem möglichen Gewinn.

Alle Glücksspieler sind auch Attention Seeker, aber nicht alle Attention Seeker sind automatisch auch Glücksspieler.

unsplash.com, Carl Cerstrand

Belohnt werden

Die Basis jeglichen Attention Seekings ist es dabei, dass das Gehirn getriggert wird. Präzise formuliert wird unser Belohnungszentrum aktiviert. Wer mit einem Bungee-Seil an den Füßen von einer Brücke springt, sorgt dafür, dass sich sein Gehirn durch den Adrenalin-Flash belohnt fühlt. Wer ein echter Bücherwurm ist, löst die gleiche Ausschüttung von Hormonen durch den Kauf eines neuen oder seltenen Werkes aus.

Ganz gleich funktioniert es auch beim Glücksspiel. Ein Fachmann von casinoanbieter.de formulierte es folgendermaßen: „Jede Gewinnausschüttung wird vom Gehirn als eine Belohnung registriert. Eine einfache Form der Konditionierung, die dafür sorgt, dass wir uns für die Spannung beim Spiel belohnt fühlen“.

Besonders interessant ist, was sich während dieses Vorgangs in unserem Gehirn abspielt. Es beginnt mit einem Trigger, einem von außen kommenden Auslöser. Um beim Glücksspiel zu bleiben, kann das der Anblick eines Geldautomaten sein, vielleicht die Musik, die dieser abspielt oder auch nur ein bestimmter Geruch, den man aufgrund von früheren Erfahrungen mit dem Glücksspiel verbindet. Dieser Trigger sorgt dafür, dass das limbische System in unserem Gehirn ein Verlangen in uns auslöst. Das Gehirn gibt uns nun den Befehl „Verlangen stillen“.

Sobald man sich jetzt an den Roulette-Tisch begibt und dabei Geld gewinnt, tritt eine Feedback-Schleife in Kraft. Das Gehirn entscheidet nun, ob sein Verlangen zur Genüge gestillt wurde – in dem Fall würde man das Spiel beenden und sich vom Tisch erheben – oder eben nicht, ist das der Fall, wird der Befehl erneut ausgegeben und die Sache beginnt von vorn, bis das Verlangen endgültig gestillt ist.

Das „Warum“ der Verlangensbefriedigung beschäftigt bis heute die Neurowissenschaft. Zumindest teilweise ist dabei klar, dass der sogenannte „Glücksbotenstoff“ Dopamin eine entscheidende Rolle. Er sorgt bei einem zu niedrigen Level, das ist der derzeitige Wissensstand, dafür, dass das Verlangen einer Belohnung durch die entscheidenden Gehirnregionen durchgereicht wird. Die letztendliche Befriedigung entsteht dann dadurch, dass Endorphine ausgeschüttet werden, also die echten Glückshormone.

Bei den meisten Spielern reichen Gewinne aus, um das Belohungszentrum zu befriedigen. Gibt es in dessen Umfeld jedoch Störungen, erfolgt nie eine vollständige Belohnung und der Drang bleibt.

unsplash.com,steve sawusch

Die Gefahr

Vor allem die zuletzt erwähnten Hormone und Botenstoffe sind letzten Endes der Hauptgrund dafür, dass in manchen Menschen eine inhärente „Not“, es zu übertreiben, herrscht. Der eine spielt trotz hoher Gewinne weiter, der andere sucht nach immer extremeren Adrenalinkicks. Die bisherigen Forschungen in dieser Richtung deuten darauf hin, dass diese Not dadurch entsteht, dass es im Gehirn zu Fehlfunktionen kommt. Das kann bei der Ausschüttung von Dopamin geschehen, bei den Rezeptoren oder auch auf der Endorphin-Seite passieren – tatsächlich gibt es hier sehr viele verschiedene Fehlerquellen. Die Quintessenz ist jedoch immer, dass das Verlangen zwar kontinuierlich getriggert, aber eben niemals zur Gänze befriedigt wird – das ist der neurologische Ansatz zur Erklärung von Spielsucht.  

Der Süchtige spielt und spielt und macht vielleicht sogar eine erhebliche Menge an Gewinnen. Bei einer funktionierenden Signallaufbahn würde irgendwann nicht nur das Verlangen befriedigt werden, sondern auch der vernunftbegabte Bereich des Hirns übernehmen und abwägen, ob potenzielle weitere Erfolgserlebnisse durch noch mehr Gewinne das Risiko wert sind, durch weiteres Spielen große Verluste zu machen. Bei einer echten Spielsucht jedoch ist das Verlangen des Belohnungszentrums stärker als alles andere. Gravierend ist dann vor allem, dass dadurch, dass es sich ja um eine Störung im Gehirn handelt, kein noch so großer Erfolg den Drang stillen kann.

Ein Spielsüchtiger könnte an einem Tag beim Black Jack 50.000 Euro gewinnen. Das wäre ihm zwar nicht egal, aber sein Gehirn würde das Geld nur als Grundstock sehen, weiter zu spielen um die Belohnung zu bekommenen, die es sich aufgrund besagter Störung selbst nicht geben kann. Aber: Selbst wenn man sehr oft spielt, bedeutet das noch nicht, dass eine Sucht vorliegt. Dazu hat die WHO eine sehr genaue Klassifizierung vorgenommen. Erst wenn das normale Leben erheblich durch das Spiel beeinträchtig wird und sich ein Großteil aller Gedanken darum drehen, sind wirkliche Alarmsignale vorhanden.

Fazit

Glücksspiel ist eigentlich ein zutiefst menschlicher Vorgang, der aus dem Drang entsteht, belohnt werden zu wollen. Wie stark man dazu neigt, hängt vor allem davon ab, wie sehr man charakterlich ein Attention Seeker ist. Und innerhalb dieser Gruppe entscheiden darüber hinaus auch noch persönliche Präferenzen darüber, ob man Glücksspiel überhaupt mag, oder seine Aufmerksamkeit durch andere Dinge befriedigen kann.

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