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Hitzesommer 2018: Ist der Klimawandel schuld?

Tropische Hitze, kaum Regen und Sonne ohne Ende - Deutschland erlebt einen Sommer der Superlative. Schon seit Mai ist es hierzulande und fast überall auf der Nordhalbkugel wärmer und trockener als normal. Ist das einfach nur ein klimatischer Ausreißer oder zeigt sich hier schon der Klimawandel von seiner heißen Seite?
NPO, 10-08.2018

Viel zu warm: Temperaturanomalien der ersten Julihälfte in Skandinavien verglichen mit dem Mittel von 2000 bis 2015.

NASA Earth Observatory

Dieser Sommer ist zwar nicht der heißeste, aber dafür hat er uns eine so langanhaltende Wärme, Sonne und Trockenheit beschert wie selten zuvor. Schon seit Mai hat es in Deutschland, aber auch in vielen anderen Regionen der Nordhalbkugel viel zu wenig geregnet. Auf Satellitenbildern erscheint selbst das normalerweise ganzjährig grüne Mittel- und Nordeuropa inzwischen bräunlich verfärbt. Die Pegel der meisten Flüsse und Seen sind drastisch gesunken, Wiesen und Weiden sind vertrocknet und sogar die Bäume beginnen schon, ihr Laub abzuwerfen.

Blockade im Luftraum

Einer der Gründe für das ungewöhnlich langanhaltende Sommerwetter ist eine Abfolge von stabilen, sich ständig erneuernde Hochdruckgebieten über Europa und andere Regionen der Nordhalbkugel. Liegt ein solches stabiles Hoch über uns, blockiert es die normalerweise vorherrschende Westströmung - und versperrt damit den abkühlenden Tiefdruckgebieten den Weg nach Mitteleuropa. Dadurch bleiben Wolken und Regen weitgehend aus und die Luftmassen über uns heizen sich allmählich immer weiter auf.

Bei dieser Wetterlage wird das ausgedehnte und stabile Hochdruckgebiet oft von zwei kleineren Tiefs flankiert – auf einer Höhenwetterkarte ähnelt dieses Muster dem griechischen Buchstaben Omega.   Deshalb bezeichnet man diese Wetterlage auch als Omega-Lage. Eine solche Omega-Lage war auch schon für den "Jahrhundertsommer" im Jahr 2003 und für die Hitzewelle in Osteuropa und Russland im Jahr 2010 verantwortlich.

Europa trocknet aus: Von Grün zu Braun in nur einem Monat

© ESA

Stau auf der "Windautobahn"

Aber warum sind diese Hochdruck-Blockaden ausgerechnet in diesem Jahr so beharrlich? Die Erklärung liegt hoch über unseren Köpfen: In rund zehn Kilometern Höhe zieht sich dort eine "Windautobahn" einmal um den ganzen Globus – der Polarfront-Jetstream. In ihm rasen Luftmassen mit 250 bis 550 Kilometern pro Stunde Richtung Osten. Antriebskraft und gleichzeitig Formgeber für diesen gewaltigen Windstrom sind die Temperaturunterschiede zwischen den polaren und tropischen Luftmassen. Die starken Luftdruckunterschiede zwischen ihnen treiben den Jetstream an und lassen ihn gleichzeitig in Nord-Südrichtung pendeln.

Doch in den letzten Jahren haben sich die Wellen des Jetstreams schon häufiger stark verlangsamt oder sind sogar ganz in Stocken geraten. Dadurch verharren die Jetstream-Mäander ungewöhnlich lange an einem Ort und halten damit auch die dortige Wetterlage fest. Das Problem dabei: "Wenn in einer Region über Wochen das gleiche Wetter herrscht, können sich sonnige Tage in eine schwere Hitzewelle auswachsen oder Regen in eine Flutkatastrophe", erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Hinzu kommt, dass sich die Mäander des Jetstreams auch vergrößert haben – er pendelt mit größerer Amplitude als früher. Dadurch können Beulen dieser Windautobahn im Norden bis weit in die Arktis hineinreichen und feuchtwarme Luftmassen aus dem Süden dorthin bringen – wie seit Ende Juli bei uns. Umgekehrt können südwärts ragende Mäander extrem kalte Luft bis zu uns bringen – und unsere Winter kälter machen.

Jetstreams sind die "Wind-Autobahnen" unseres Planeten. Ihr Verhalten wird jedoch zunehmend vom Klimawandel beeinflusst.

NASA/ Scientific Visualisation Studio

Symptom des Klimawandels?

Aber egal ob Blickade-Hoch oder Jetstream-Stau: Die große Frage ist, ob solche Extremsommer wie in diesem Jahr eine normale Klimaschwankung sind oder aber schon ein Symptom des Klimawandels. Dummerweise ist die Antwort darauf nicht ganz so einfach, denn Wetter und Klima sind durch große natürliche Schwankungen gekennzeichnet. Ob ein Einzelereignis wie dieser Hitzesommer nur eine dieser normalen Variationen ist oder nicht, ist deswegen kaum nachweisbar.

Aber: Entscheidend ist, wie oft solche Hitzeextreme auftreten. Mutiert ein "Jahrtausendsommer" zu einer alle paar Jahre auftretenden Routine, dann steckt mehr dahinter als nur Zufall. "Ich bin mir relativ sicher, dass wir diese Hitzewelle, die wir momentan haben, ohne den Klimawandel nicht hätten", sagt Klimaforscherin Johanna Hay vom Imperial College London. "Natürlich lässt sich das so nicht direkt beweisen. Aber wir können mit Sicherheit sagen, dass solche früher außergewöhnlichen Ereignisse inzwischen immer häufiger geworden sind."

Studien belegen, dass wir hierzulande inzwischen schon doppelt so viele Hitzetage mit mehr als 30 Grad haben als noch in den 1980er Jahren. Schon jetzt ist zudem nachweisbar, dass die Monats-Hitzerekorde dank Klimawandel immer schneller fallen. Demnach kommen Rekord-Hitzemonate heute weltweit fünfmal häufiger vor, als es ohne die globale Erwärmung zu erwarten wäre.

Und der Trend wird sich fortsetzen, glaubt man den Prognosen der Klimaforscher. Nach diesen könnten "Jahrhundertsommer" spätestens für unsere Enkel zur Regel werden. Hitzewellen werden demnach pro Grad im Mittel um zwei bis zehn Tage länger. In knapp 50 Jahren könnte dann fast jeder Sommer neue Rekorde brechen.

Dramatische Dürrefotos aus dem All: Diese von Alexander Gerst aus der Internationalen Raumstation gemachte Aufnahme zeigt die Lage im Rheinland zwischen Düsseldorf und dem Siebengebirge.

ESA / Alexander Gerst

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