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Innovatives Lernen oder alles beim Alten - Wie sieht Schule im Jahr 2030 aus?
Der Alltag eines Schülers ist heute klar geregelt: Morgens verlässt er das Haus, geht zur Schule und bleibt dort meist bis nachmittags. Im Unterricht wird neuer Stoff gelernt, das zuvor Gelernte abgefragt und bis zur nächsten Stunde gibt es dann noch die Hausaufgaben. Die Inhalte, um die es geht, kommen größtenteils aus Schulbüchern oder werden vom Lehrer an der Tafel oder per Präsentation vorgestellt. Projektarbeit und selbstständiges Arbeiten gelten zwar schon lange als didaktisch sinnvoll, werden aber an den meisten Schulen nur wenig umgesetzt.
Wie die Schule der Zukunft aussehen könnte und was sich bis 2030 ändern könnte und sollte, das haben Forscher vor kurzem 645 Bildungs-Experten des World Innovation Summit for Education (WISE) gefragt. Dieses globale Netzwerk vereint Studenten, Lehrer, Bildungsforscher und andere Fachleute, die mehr Innovation und Zusammenarbeit im Bildungsbereich streben.
Vernetztes Lernen statt isolierten Paukens
Das Ergebnis: Die meisten Experten gehen davon aus, dass die gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen auch vor der Schule nicht haltmachen werden. Sie sehen daher weitreichende Veränderungen auf uns zukommen. Einer der Triebkräfte dabei sind das Internet und soziale Medien. Denn ihrer Ansicht nach werden sich die Schulen immer stärker zu digital vernetzten Lernnetzwerken entwickeln. Zumindest in Deutschland haben Computer allerdings bisher nur zögerlich Einzug in die Klassenzimmer erhalten. Zwar gibt es schon einige Schulen, die iPad und Co routinemäßig in den Unterricht einbauen, sie sind aber eher in der Minderheit.
Online-Ressourcen und Technologien ermöglichen künftig eine viel stärkere Vernetzung von Schülern untereinander, beispielsweise zu Projektarbeiten oder zur gegenseitigen Hilfe. Über das Web findet mehr gegenseitiger Austausch statt und das Lernen wird dadurch gemeinschaftlicher: Anstatt dass jeder zuhause allein über seinen Hausaufgaben brütet, erledigt man diese künftig voll vernetzt über das Internet. Schon jetzt haben Foren zur Hausaufgabenhilfe immer größeren Zulauf. Allerdings: Ganz ohne den Gang zur Schule wird es auch 2030 nicht gehen. Denn physische Präsenz und menschliches Interagieren werden auch in Zukunft unabdingbar bleiben, darin herrscht auch unter den Experten Einigkeit.
Internet statt Schulbuch
Und auch das gute alte Schulbuch und die Arbeitsblätter könnten dann doch allmählich ausgedient haben. Im Jahr 2030, so glaubt fast die Hälfte der Experten, werden die Lerninhalte hauptsächlich über Online-Plattformen bereitgestellt werden. Die Schüler bearbeiten ihre Aufgaben online und können dadurch auch sehr viel besser ihr individuelles Lerntempo nutzen. Die Lerninhalte selbst werden sich dann ebenfalls sehr viel stärker auf die einzelnen Kinder maßschneidern lassen. Für ein Kind mit Schwächen in Mathe gibt es dann eben im Lernprogramm andere Aufgaben als bei einem Mitschüler, der in einem anderen Bereich Nachholbedarf hat.
Lehrer: Vom Beibringer zum Methoden-Vermittler
Und nicht nur das: Auch die Rolle des Lehrers wird sich ändern. Heute ist der Lehrer in erster Linie derjenige, der das Wissen vermittelt. Er erklärt die Inhalte, sagt, was gelesen wird und stellt die Aufgaben. Wenn aber immer häufiger digitale Medien diese Rolle übernehmen, dann wandelt sich auch der Job des Lehrers.
Denn schon heute haben viele Kinder und Jugendliche weniger das Problem, Informationen zu einem Thema zu finden, sondern eher im Gegenteil: Die Flut der Daten im Internet macht es schwer, die Quellen und Inhalte herauszufiltern, die richtig und verlässlich sind. Schon heute wird daher von Lehrern immer häufiger gefordert, den Kindern Medienkompetenz zu vermitteln. Diese Aufgabe wird nach Ansicht der Experten in Zukunft an Gewicht bekommen. 2030 sehen sie den Lehrer daher vorwiegend als Mentor und methodischen Helfer und weniger als den Übermittler von Wissen.
Mehr Soft-Skills, weniger Faktenwissen?
Apropos Wissen: Schon jetzt spielen im Berufsleben neben dem Können und dem in Studium oder Ausbildung erworbenen Fachwissen immer mehr die sogenannte Soft-Skills eine Rolle: Die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, geschickt zu verhandeln oder seine Ansichten verständlich darzustellen. Hinzu kommt, dass gerade Grundschullehrer bei ihren Schülern mehr und mehr Erziehungsaufgaben übernehmen müssen. Die Kinder bringen von Haus aus immer weniger grundlegende Alltagsfertigkeiten mit.
Die WISE-Experten halten es daher für wahrscheinlich, dass auch in der Schule der Zukunft soziale Kompetenzen und Persönlichkeitstraining einen immer größeren Raum erhalten werden. Das rein akademische Wissen wird dagegen ihrer Ansicht nach in seiner Bedeutung abnehmen – denn das kann man sich zur Not auch "on the Job" aneignen.
Ob das alles wirklich so kommt, wie es die Experten prognostizieren, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass sich gerade im Bereich der Schule und der Bildungssysteme Innovationen und Veränderungen meist deutlich langsamer durchsetzen und etablieren als vorher vorausgesagt.