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Jeanne d’Arc, die kämpferische Heilige

Sie prophezeite einem Thronerben die Krönung, hatte recht damit und wurde doch verurteilt: Jeanne la Pucelle, die Jungfrau von Orléans, war bereits zu Lebzeiten ein Mythos. Vom Volk verehrt und nach ihrem Tod zur Heiligen gekürt, gilt sie in Frankreich bis heute als Nationalheldin. Doch wer war das rätselhafte Mädchen wirklich, das sich von „himmlischen Stimmen“ herausgefordert sah, mit der Waffe in der Hand für ihre Heimat zu kämpfen?
Kai U. Jürgens

Jeanne d’Arc, wie sie später genannt wurde, lebte von 1412 bis 1431 und wurde in Lothringen als Kind wohlsituierter Bauern geboren. Ihr Leben fällt in die Zeit des Hundertjährigen Krieges, einem Thronfolgekonflikt, der auf den engen Verflechtung zwischen England und Frankreich beruhte und bereits seit 1337 andauerte. Nach vielen Wirren ging es nun darum, einen neuen König zu krönen, doch es sah so aus, als würden die Briten mit ihrem Kandidaten die Oberhand behalten. Sie hatten bereits Nordfrankreich weitgehend in ihre Hand gebracht und setzten nun zur Belagerung von Orléans an. Der Stadt kam nicht zuletzt deshalb eine Schlüsselposition zu, weil bei ihr die Loire überquert wurde – wer sie einnahm, besaß direkten Zugang nach Südfrankreich.

Jeanne d’Arc hatte bereits in ihrer Kindheit Visionen, in denen ihr die Hl. Katharina und der Hl. Michael erschienen und ihr auftrugen, Frankreich von den Engländern zu befreien. Hierzu musste der zukünftige König aus Chinon nach Reims zur Krönung eskortiert werden. 1429, also mit siebzehn Jahren, konnte Johanna den Stadtkommandanten einer Festung dazu bringen, ihr für ihre Mission einige Männer und ein Empfehlungsschreiben mitzugeben. Sie erreichte Chinon, überzeugte König Karl VII. von ihrer Ernsthaftigkeit und begleitete ihn bei der Befreiung von Orléans, die dem Konflikt eine entscheidende Wendung gab. Am 18. Juni 1429 wurde Karl VII. in Reims bei einer feierlichen Zeremonie gekrönt. Jeanne d’Arc war an ihrem Ziel.

Doch nun begann ihr Unglück. Bei weiteren Kämpfen verließ Jeanne d’Arc der Erfolg; so gelang es ihr beispielsweise nicht, Paris zu befreien. Schließlich geriet sie 1430 sogar in die Gefangenschaft der Burgunder, die mit den Briten verbündet waren und die Jungfrau auslieferten. Der französische Hof tat nichts für sie. Jeanne d’Arc wurde nach Rouen gebracht und dort von einem geistlichen Gericht zunächst zum Tode und dann – nachdem sie ihre Positionen widerrufen hatte – wegen Ketzerei zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Doch es gab eine weitere Anklage, um die Position von Karl VII. schwächen zu können. Am Ende wurde Jeanne d’Arc 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Kirche widerrief das Urteil bereits 1456.

Jeanne d’Arc war schon zu Lebzeiten eine Legende – und es hat sie wirklich gegeben. Allerdings ist ihr Geburtsdatum nicht überliefert, und es gibt kein Bildnis, das zu ihren Lebzeiten angefertigt worden wäre. Da ihre Asche in die Seine gestreut wurde, existiert auch keine Grabstätte. Umso unvergänglicher hingegen erwies sich ihr Mythos. Während sich Katholiken in Jeannes Frömmigkeit wiederfanden und sie zur Märtyrerin stilisierten, symbolisiert sie aus politischer Perspektive den patriotischen Widerstand gegenüber einer Besatzungsmacht. Über die Jahrhunderte ist ihr Schicksal zudem in zahlreichen Gemälden, Dramen, Opern und Romanen aufgegriffen worden, und es gibt rund ein Dutzend Verfilmungen ihrer Lebensgeschichte. 1909 wurde sie selig und 1920 heilig gesprochen. Kein Zweifel, sie hat etwas bewegt – das Bauernmädchen, das sich zu Höherem berufen fühlte.

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