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Kindertransport mit dem Fahrrad: Welches System ist am sichersten?

Das Fahrrad boomt: Vor allem in den Städten nutzen immer mehr Menschen für Alltagswege ein Fahrrad statt des Autos – auch für den Transport von Kindern. Der Nachwuchs wird dabei wahlweise im Anhänger gezogen, sitzt in der Box des Lastenrads oder auf einer Art Gepäckträger. Aber wie sicher sind diese Systeme im Straßenverkehr? Und wie gut geeignet sind sie im Alltag? Der ADAC hat diese Fragen in einem Test untersucht.
NPO / ADAC, 28.07.2021

Kindersitze, Fahrradanhänger, Lastenräder, Trailerbikes oder angehängte Tandemstangen - für den Kindertransport mit dem Fahrrad gibt heute es eine große Auswahl unterschiedlichster Produkte.

GettyImages, PIKSEL

Wenn es darum geht, ein Kind per Fahrrad mitzunehmen, nutzen die meisten Eltern den klassischen, auf dem Gepäckträger angebrachten Kindersitz. Was aber, wenn man gleich zwei kleinere Kinder per Fahrrad transportieren möchte? Dafür gibt es inzwischen mehrere ganz unterschiedliche Lösungen.

Welche Transportsysteme gibt es?

Ein echter Klassiker ist der Fahrradanhänger – ein meist zweirädriges Gefährt, das mit einer Deichsel hinten am Fahrrad befestigt wird. Ein oder zwei Kinder können im Inneren des Anhängers vor Regen geschützt sitzen, die Anhänger gibt es je nach Modell mit oder Federung. Stark im kommen sind dagegen Lastenräder mit Transportbox. Bei diesen sitzen die Kinder auf einer kleinen Bank in der Box, die bei einspurigen Modellen zwischen Vorderrad und Lenker sitzt. Bei zweispurigen Lastenrädern ist die Box zwischen den beiden Vorderrädern angebracht.

Eine weitere Möglichkeit ist der sogenannte "Backpacker" – ein Fahrrad mit verlängertem Heck, durch das zwei Kindersitze hintereinander auf dem Gepäckträger montiert werden können. Alternativ kann man auch ein normales Rad mit Kindersitz ausrüsten und das ältere, zweite Kind wird mit eigenem kleinen Fahrrad über eine kleine Anhängerkupplung hinten angehängt. Diese vor allem vor kurze Strecken und vorübergehendes Anhänge gedachte Lösung wird auch als Nachläufer bezeichnet.

Crash mit dem Fahrradanhänger

ADAC / Uwe Rattay

Fünf Systeme im Sicherheitstest

Doch bieten diese Transportsysteme den Kindern auch ausreichenden Schutz vor Verletzungen bei einem Unfall? Wie sieht es mit der Handhabung und dem Komfort für die Sprösslinge aus? Der ADAC hat fünf Systeme verglichen, die das Befördern von zwei Kindern ermöglichen: drei verschiedene Typen von Lastenfahrrädern, einen Fahrradanhänger als gefederte und ungefederte Variante, sowie ein Nachläufersystem samt Kindersitz für den Fahrradgepäckträger.

Beim Crashversuch wurde der Transport von zwei Kleinkindern im Alter von etwa 1,5 und 3 Jahren getestet, die durch entsprechende Dummies simuliert wurden. Im Test wurde ein Unfallszenario nachgestellt, bei dem ein Auto mit 30 Kilometern pro Stunde und in einem Winkel von 45 Grad mit dem stehende Fahrrad samt Kindertransporteinheit kollidiert.

Crashversuch mit dem einspurigen Lastenrad "Long John"

ADAC/ Uwe Rattay

Backpacker gut, Nachläufer eher nicht

Das Ergebnis:  Den besten Unfallschutz bietet die Lastenrad-Variante "Backpacker", bei dem zwei Kindersitze auf dem Gepäckträger montiert werden. Bei einem Aufprall mit einem Pkw befinden sich die Kinder durch die hohe Sitzposition nicht im direkten Crashbereich. Dadurch ist das Risiko für Quetschungen und Brüche geringer. Insgesamt erhielt der Backpacker für den Crashtest das Urteil befriedigend.

Außerhalb des Tests schnitt dieses System in puncto Standfestigkeit, Sicherheit der Kinder während der Fahrt und Rückhaltesystem größtenteils gut ab. Wichtig dafür ist aber, dass sichere Fahrradkindersitze verwendet werden - diese müssen im Zubehörmarkt separat gekauft werden. Ebenfalls vorteilhaft ist das gute Fahrverhalten beim Manövrieren durch Hindernisse oder Ausweichen, wie die Tests ergaben. Eher schlecht sieht es dagegen aus, wenn man mit diesem System viele Bordsteinkanten überwinden muss: Hier wird der hohe Schwerpunkt zum Nachteil.

Das Nachläufersystem schneidet bei den Crashversuchen dagegen am schlechtesten ab. Da das Kind auf dem angehängten Kinderfahrrad ungeschützt ist, werden Hüfte und Beine beim Zusammenstoß mit dem Auto direkt getroffen. Der Dummy prallt danach mit dem Kopf auf den Asphalt. Zudem ist das Kind auf dem nachgezogenen Fahrrad auch bei normaler Fahrt nicht gesichert und muss selbst dafür sorgen, nicht den Halt zu verlieren.

Kindertransport mit dem Fahrrad: ADAC vergleicht 5 Systeme

ADAC

Transportboxen: Kippgefahr beim Unfall

Die Lastenräder mit einer Transportbox erscheinen auf den ersten Blick als sehr sichere Lösung für den Kindertransport. Tatsächlich erweisen sich beide Lastenradtypen mit Transportbox zwar als eher behäbig und wenig wendig, sind dafür aber sehr standfest. In den Crashtests machten sie allerdings keine gute Figur: Zwar schützt die Box ihre kleinen Insassen beim Kontakt mit dem Auto, dafür ist die Stabilität beim Unfall gering: Sowohl das einspurige wie zweispurige Lastenrad wurde beim Aufprall umgeworfen und schlitterte auf seinen glatten Wänden über die Straße. Dadurch ist die Gefahr groß, dass es zu einer Kollision mit dem Gegenverkehr kommt.

Ebenfalls ungünstig: Beim einspurigen Lastenrad des Typs "Long John" versagten beim Crash die Gurtsysteme der Kinder-Dummys. Sie sind an der klappbaren Sitzbank befestigt, doch diese wurde beim Unfall komplett aus der Verankerung gerissen. Als Folge fielen die Insassen beim Umkippen des Rads ungeschützt auf die Straße. Hier sieht der ADAC erhöhten Nachholbedarf bei den Herstellern. Insgesamt erhielten beide Box-Systeme beim Crashtest nur ein ausreichend.

Anhänger: Niedrige Sitzposition kann zum Nachteil werden

Die klassischen Fahrradanhänger bieten den Kindern bei normaler Fahrt gute Sicherheit und eine geringe Verletzungsgefahr, weil sie die Kinder durch die Gurtfixierung und den stabilen Rahmen schützen. Auch die Standsicherheit des abgestellten Rades ist gut. Kommt es jedoch zu einem Unfall, kann es auch für die Insassen der Fahrradanhänger gefährlich werden: Die Kinder sitzen sehr niedrig, wodurch sie sich im direkten Aufprallbereich des Pkw befinden. Dennoch schnitten die Anhänger im Crashtest zumindest mit befriedigend ab.

Punkten können die Anhänger vor allem beim Wetterschutz der Kinder, aber auch beim Rangieren im Stand oder dem Umfahren von Hindernissen. Wer auf seien Strecken viele Bordsteinkanten überwinden muss, sollte allerdings eher ein gefedertes Modell wählen. Im Vergleich zum ungefederten Anhänger werden die Belastungen beim Überfahren von Randsteinen oder Schlaglöchern durch die Federung um bis zu 50 Prozent reduziert.

Qual der Wahl

Insgesamt zeigen die Bewertungen und Tests, dass es nicht das eine, in allen Belangen optimale Fahrrad-Transportsystem für Kinder gibt. Stattdessen müssen sich Eltern entscheiden, welche Aspekte für sie in ihrem Alltag am wichtigsten sind. Sollen längere Strecken und auch Einkäufe transportiert werden, bieten die Lastenräder mit Transportboxen die besten Möglichkeiten. Stehen Sicherheit und einfache Handhabung im Vordergrund, bieten sich Backpacker an. Die Fahrradanhänger bieten relativ viel Komfort in Handhabung und Fahrverhalten und eine mittlere Sicherheit.

Generell rät der ADAC: Fahrer wie auch Insassen sollten grundsätzlich immer einen Helm tragen, um bei einem Unfall die Verletzungsgefahr im Kopfbereich zu reduzieren.

Quelle: ADAC

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