wissen.de Artikel

Komplementärmedizin bei Krebs

Bis zu 80 Prozent aller Krebspatienten ergänzen die schulmedizinische Therapie mit komplementärmedizinischen Methoden wie beispielsweise Homöopathie, Nahrungsergänzungsstoffen oder Akupunktur. Dabei ist die Vielzahl der angebotenen Verfahren schwer überschaubar. Wo kann die Komplementärmedizin konventionelle Krebstherapien ergänzen? Und wo ist Vorsicht geboten?
von wissen.de-Autorin Theresia Blattmann, Februar 2013

Akupunktur
thinkstockphotos.de/Getty Images/Comstock
Der Wunsch nach Heilung, nach weniger Nebenwirkungen, oder der Wunsch, selbst aktiv an der Gesundung mitzuwirken – all diese Gedanken veranlassen über die Hälfte der Krebspatienten, über die schulmedizinische Behandlung hinaus weitere Therapieverfahren anzuwenden. Doch: Wie findet man das Passende? Für wen sind komplementärmedizinische Methoden überhaupt geeignet? Und wo gibt es verlässliche Informationen dazu?

Mit solchen Fragen beschäftigt sich Dr. Hans Lampe, Onkologe und Mitbegründer des Instituts für integrative Medizin an der Universität Rostock. Fest steht für den Arzt vor allem eines: „Komplementärmedizinische Methoden sind immer Maßnahmen, die eine konventionelle Krebstherapie ergänzen und keinesfalls ersetzen können“. Wesentlich ist dabei eine Abgrenzung von komplementärer und alternativer Medizin: Während die Alternativmedizin konventionelle Therapien wie Chemotherapie oder Bestrahlung ersetzen will, hat die komplementäre Medizin das Ziel, etablierte Behandlungen zu ergänzen.

Allgemeingültige Empfehlungen, welche komplementäre Methode für alle Krebspatienten geeignet ist, gibt es nicht. Denn ebenso wie in der Schulmedizin gilt auch für komplementäre Behandlungen: Jeder Patient ist individuell.

 

Sport, Ernährung und Entspannung

Krankenhausessen
pixelio.de/RainerSturm
Seinen Patienten empfiehlt Lampe zunächst, sich ausreichend zu bewegen und ausgewogen zu ernähren. „Auch wenn es banal klingt, erreichen Sie dadurch mehr, als komplementärmedizinische Verfahren bewirken können.“ Denn sowohl Sport als auch eine gesunde Ernährung können die Abwehrkräfte stärken und bestimmte Nebenwirkungen der Chemotherapie lindern.

Zudem sollte ein gezieltes Entspannungsprogramm Bestandteil der Krebstherapie sein. Sinnvoll seien zum Beispiel Yoga, Qi Gong oder autogenes Training.

Lampe rät Patienten nur dann über den Einsatz komplementärer Therapien nachzudenken, wenn sich die schulmedizinische Therapie als wenig wirksam erweist oder wenn die Nebenwirkungen zu stark sind. „Wenn die konventionelle Therapie gut funktioniert, empfehle ich, zunächst auf Komplementärmedizin zu verzichten“, betont der Onkologe.

 

Zwischen seriösen Angeboten und Scharlatanerie

Patienten, die die konventionelle Krebstherapie ergänzen möchten, sehen sich oftmals einem wahren Dickicht aus komplementärmedizinischen Angeboten und pseudowissenschaftlichen Heilversprechen gegenüber, deren Plausibilität und Wahrheitsgehalt schwer abzuschätzen sind. Vor allem im Internet werden immer wieder neue, „sanfte“ Präparate gegen Krebs beworben. Viele davon sind nicht auf Wirksamkeit geprüft und sind trotzdem extrem teuer. „Man darf keine falschen Hoffnungen wecken. Wundermittel gegen Krebs gibt es nicht“, erklärt Lampe. „Wenn ein Anbieter pauschal behauptet, jeden Krebs heilen zu können, ist das unseriös.“

Wer wissen möchte, ob eine Therapie geprüft ist oder als Scharlatanerie gilt, kann sich bislang an offizielle Institutionen wie beispielsweise die Deutsche Krebsgesellschaft, das Deutsche Krebsforschungszentrum oder das Institut zur wissenschaftlichen Evaluation naturheilkundlicher Verfahren der Universität zu Köln wenden. Um Patienten besser zu Fragen der Komplementärmedizin beraten zu können, wurde außerdem im Jahr 2012 das von der Deutschen Krebsstiftung geförderte „Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie“ kurz „KOKON“ ins Leben gerufen. Ziel des Großprojektes ist es, eine Plattform mit Informationen zur Komplementärmedizin in der Krebstherapie aufzubauen. „Außerdem sollen deutschlandweit an Kliniken Beratungsstellen eingerichtet werden, an die sich Interessierte wenden können, um geprüfte Informationen über komplementäre Verfahren zu erhalten“, so Lampe.

 

Wechselwirkungen auch bei Komplementärmedizin

Derzeit entscheiden sich hierzulande viele Krebspatienten für den komplementären Einsatz von Homöopathie oder Misteltherapie, aber auch Nahrungsergänzungsstoffe oder Naturheilmittel aus der Phytotherapie erfreuen sich wachsender Beliebtheit. „Welche Therapie wirklich geeignet ist, sollte individuell mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.“, rät Lampe. Denn auch bei vermeintlich „natürlichen“ oder „sanften“ Therapien ist Vorsicht geboten: „Viele komplementäre Methoden haben Wechselwirkungen und können den Effekt einer Chemotherapie verstärken oder mindern“, erklärt der Onkologe. Wenn ein Zusatzmittel die Nebenwirkungen der Krebstherapie verringert, aber gleichzeitig die Wirkung der gesamten Therapie abschwächt, ist nichts gewonnen“.

Beratungsgespräch beim Arzt
shutterstock.com/Marcin Balcerzak

Solcherlei potenzielle Interaktionen sind zum Beispiel bei hochdosierten Vitaminen, pflanzlichen Präparaten oder auch Grapefruitsaft bekannt. Lampe weiß auch, dass viele Patienten trotzdem das Gespräch mit dem Arzt über komplementäre Verfahren scheuen – sei es aus Angst, den Arzt mit dem Wunsch nach unkonventionellen Methoden zu verprellen, oder aufgrund der Befürchtung, als „esoterisch“ abgetan zu werden. Lampe beruhigt: „Viele Ärzte haben inzwischen verstanden, wie wichtig das Thema Komplementärmedizin für Patienten ist“. Gespräche über unkonventionelle Therapieverfahren sollten deshalb Standard in einer guten Arzt-Patienten Beziehung sein. Denn schließlich haben alle Beteiligten dasselbe Ziel: Gemeinsam alles Mögliche für die Heilung und das Wohlbefinden des Patienten zu tun.

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus der Wissensbibliothek

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Fremdwörterlexikon

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon