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Lautlos über den Wolken: Elektro-Flugzeuge im Aufwind

Sie brauchen kein Kerosin und wenn sie abheben, hört man sie kaum: Elektro-Flugzeuge heben ab nur mit der Kraft ihrer Batterien – und diese werden immer leistungsfähiger. Heute, am 10. Juli 2015, will Airbus einen Rekordversuch wagen: Mit ihrem Elektroflieger E-Fan sollen zwei Piloten den Ärmelkanal überqueren. Dass man es mit Strom sogar über die Alpen schaffen kann, bewies erst vor wenigen Tagen ein weiterer E-Zweisitzer. Gehört die Luft in Zukunft den Elektro-Flugzeugen?

Schon die Pioniere der Luftfahrt experimentierten mit elektrisch angetriebenen Fluggeräten. So führten Arthur Krebs und Charles Renard bereits im Jahr 1884  den ersten Flug mit einem Luftschiff durch, das von einem Elektromotor angetrieben wurde. Ein Flugzeug allein durch Strom in die Luft zu bringen, ist allerdings erheblich schwieriger. Denn es benötigt eine gewisse Geschwindigkeit, um abheben zu können – und deshalb müssen die Elektromotoren so leistungsfähig sei, das die den Propeller oder die Turbine ausreichend schnell und lange drehen.

Bis der erste Flug mit einem Elektro-Flugzeug gelang, dauerte es daher noch eine ganze Weile. Erst 1973 gelang es dem Amateur-Flugzeugbauer Heinz Brditschka, den Motorsegler MB-E1 mit reinem Stromantrieb zu konstruieren. Der Einsitzer besaß einen Elektromotor mit einer Leistung von rund zehn Kilowatt, der von Nickel-Kadmium-Akkus mit Strom versorgt wurde. Immerhin knapp zehn Minuten schaffte dieses erste echte E-Flugzeug auf seinem Jungfernflug.

 

Das Stuttgarter Elektro-Flugzeug E-Genius auf seinem Flug über die Alpen.

Universität Stuttgart, Institut für Flugzeugbau

Über die Alpen

Inzwischen haben die Fortschritte vor allem in der Batterietechnik erheblich leistungsfähigere Elektro-Flugzeuge möglich gemacht. Vor kurzem erst schaffte es der Zweisitzer E-Genius sogar über die Alpen. Das von der Universität Stuttgart entwickelte Elektro-Flugzeug legte auf seinem zweistündigen Flug von Stuttgart bis nach Norditalien 320 Kilometer zurück und überwand Gipfel von fast 4.000 Metern Höhe. Nach nur kurzem Aufladen der Batterien ging es noch am gleichen Nachmittag wieder zurück.

Für diese Rekordtour von insgesamt fast 700 Kilometern benötigte der E-Flieger nur 83 Kilowatt elektrischer Energie – das entspricht gerade einmal dem Energiegehalt von 9,2 Litern Benzin. Ein Auto würde damit nur rund 200 Kilometer weit kommen. Auch wenn es nur ein Zweisitzer ist: E-Genius zeigt damit, dass man auch mit Strom durchaus längere Strecken zurücklegen kann. Hinzu kommt: Der Elektromotor läuft leise und ohne Vibrationen und benötigt kaum Wartung. Auch klimaschädliche und zudem leicht entzündliche Treibstoffe wie Kerosin werden nicht gebraucht.

 

Der E-Fan von Airbus auf seinem Jungfernflug.

Airbus

Der erste E-Flug über den Ärmelkanal

Aber auch große Luftfahrt-Unternehmen experimentieren längst mit elektrisch betriebenen Flugzeugen. So wird Airbus am Vormittag des 10.Juli 2015 erstmals den Versuch wagen, mit einem Elektro-Flugzeug über den Ärmelkanal zu fliegen. "Wir sind sehr gespannt, wie der E-Fan diese Herausforderung meistern wird", sagt Jean Botti, technischer Leiter bei der Airbus Group. "Wir haben den Flug seit Monaten vorbereitet und haben das Flugprofil genau geplant."

Der Airbus E-Fan ist ein gut sechs Meter langer Zweisitzer, dessen Triebwerke von zwei Elektromotoren mit je 30 Kilowatt Leistung angetrieben werden. Das Elektro-Flugzeug erreicht damit immerhin eine Höchstgeschwindigkeit von 220 Kilometern pro Stunde. Für den nötigen Strom sorgen Lithium-Ionen-Polymer-Akkus. "Der E-Fan fliegt wie ein herkömmliches Flugzeug seiner Größe und ist sehr verlässlich", heißt es bei Airbus. Er ist zudem nahezu lautlos und soll relativ kosteneffektiv sein. Bewährt sich der E-Fan weiter, könnte es ihn bald sogar in Serie geben – Airbus will bis 2017 100 Stück dieses Elektro-Flugzeugs produzieren. Und sogar ein Viersitzer ist schon in Vorbereitung.

Strom von der Sonne

Dass ein elektrisch getriebener Flug sogar mit der Kraft der Sonne möglich ist, beweist die zurzeit noch laufende Weltumrundung des Solarflugzeugs Solar Impulse 2. In insgesamt 500 Flugstunden wollen die beiden sich abwechselnden Piloten André Borschberg und Bertrand Piccard gut 35.000 Kilometer zurücklegen. Einen ersten Rekord haben auch sie schon hinter sich: Am 3. Juli 2015 gelang ihnen der erste solargetriebene Nonstopflug von fünf Tagen und fünf Nächten. 7.200 Kilometer legte der Pilot Borschberg in dieser Zeit einmal quer über den Pazifik von Japan nach Hawaii zurück.

Den Strom für ihre vier Propeller erhält die Solar Impulse 2 von den 17.000 Solarzellen, die auf der Oberseite ihrer extrem langen Flügel angebracht sind. Sie versorgen die Motoren mit genügend Strom, um das Flugzeug auf 140 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Vier Lithium-Polymer-Akkus – einer für jeden Motor, versorgen die Propeller auch nachts mit Energie.

 

Das solarbetriebene Elektro-Flugzeug Solar Impulse 2 bei der Landung auf Hawaii.

Solar Impulse/ Revillard/ Rezo.ch

Nur Exoten oder ein Zukunftsmodell?

Mit ihrem Projekt der Weltumrundung wollen die beiden Schweizer Piloten demonstrieren, dass man auch mit der Kraft erneuerbarer Energie und ohne Kerosin abheben und lange Strecken zurücklegen kann. „Mit jedem ihrer ersten Male haben die Forscher des letzten Jahrhunderts die Grenzen des Möglichen verschoben", so Piccard. "Auch heute dürfen die Anreize, neue Entdeckungen zu machen, nicht nachlassen, um die Lebensqualität auf unserem Planeten weiter zu verbessern."

Ob allerdings Solarflugzeuge die Fluggeräte der Zukunft werden, darf bezweifelt werden. Denn in absehbarer Zeit werden Solarzellen nicht leistungsfähig genug sei, um auch größerer Flieger in die Luft zu heben. Anders sieht es da schon mit E-Zweisitzern wie dem Airbus E-Fan aus. Zumindest im Freizeitflieger-Bereich könnten sich solche stromgetriebenen Kleinflugzeuge durchaus durchsetzen – wenn der Preis stimmt.

Bisher keine Alternative ist der Strom allerdings für die großen Passagier- und Frachtmaschinen. Hier reicht die Leistung von Elektromotoren bei weitem noch nicht aus, um den nötigen Schub für diese tonnenschweren Vögel zu generieren.

 

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