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Leisure Sickness: Krank im Urlaub – woran liegts?

Sonnige Strände, eindrucksvolle Berge oder einfach nur Balkonien – vom Urlaub erhoffen wir uns vor allem Ruhe und Entspannung. Doch bei vielen von uns schlägt ausgerechnet dann die "Leisure Sickness" zu: Kaum fällt der Stress ab, werden wir prompt krank. Die Nase läuft, der Kopf pocht oder der Magen spielt verrückt. Aber was steckt dahinter? Und warum trifft es einige stärker als andere?

Kaum am Urlaubsort eingetroffen, schlägt bei vielen Menschen das Phänomen der "Leisure Sickness" zu.

iStock.com, AntonioGuillem

Das Phänomen kennen viele: Kaum hat der Urlaub begonnen und die Anspannung des Arbeitsalltags fällt von einem ab, wird man prompt krank. Viele bekommen dann erstmal eine Erkältung, ein Darmvirus schlägt zu oder die Migräneattacke macht alle Freizeitpläne erstmal zunichte. Wer glaubt, das ist nur Zufall, irrt. Denn dieses Phänomen ist in der Medizin wohlbekannt. Forscher bezeichnen es als "Leisure Sickness" – Freizeitkrankheit.

Warum wird man am Urlaubsanfang so oft krank?

Die Ursache dahinter: Solange wir dem Alltagsdruck standhalten müssen, schüttet unser Körper große Mengen an Stresshormonen aus. Das ist zwar langfristig nicht gesund, vorübergehend aber hilft es unserem Organismus, mit den starken Belastungen fertig zu werden. Die Hormone Cortisol und Co mobilisieren gewissermaßen die letzten Reserven, um uns halbwegs gesund durch den Alltag zu bringen.

Doch wenn dann der Stress plötzlich nachlässt, schaltet auch unser Körper einen Gang runter: Es werden nun nicht mehr so viele Stresshormone ausgeschüttet und auch andere Prozesse sind nicht mehr zu Höchstleistungen getrieben. Dadurch macht sich nun die Erschöpfung bemerkbar und auch die Immunabwehr legt eine Erholungspause ein. Die Folge: Die schmerzhemmende Wirkung des Stresses lässt nach und wir merken plötzlich wieder alle möglichen Wehwechen. Gleichzeitig haben Infektionen jetzt leichteres Spiel.

Auf den Freizeittyp kommt es an

Das aber ist noch nicht alles: Wie Forscher um Claudia Möller von der IUBH Internationalen Hochschule herausgefunden haben, spielt auch unsere Persönlichkeit eine Rolle dafür, wie anfällig wir für die Leisure Sickness sind. Demnach kommt es stark darauf an, wie unsere Work-Life-Balance aussieht und auch, wie wir unsere Freizeit typischerweise verbringen. Dabei identifizierten die Wissenschaftler fünf Typen, deren Risiko für die Freizeitkrankheit jeweils unterschiedlich ausfällt.

"Unsere Vermutungen, dass unstrukturierte Freizeit eher vor Leisure Sickness schützt, haben sich nicht bestätigt. Es scheint vielmehr so zu sein, dass zu wenig Sozialkontakte und Verpflichtungen, also wenig Struktur und Verbindlichkeit in der Freizeit eher zum Auftreten des Phänomens beitragen", sagt Möller. Ein wichtiger Aspekt sei auch der Kontrast zur Arbeit. Je stärker man in der Freizeit abschaltet und einen Ausgleich zur Arbeit schafft, desto geringer sei das Risiko.

Hohes Risiko für Arbeitstiere und Inaktive

Typ 1: Das Arbeitstier: Dieser Typ ist besonders anfällig für die Freizeitkrankheit – kein Wunder. Denn selbst im Urlaub schalten diese Menschen nicht richtig ab. Das Arbeitstier lebt förmlich für seinen Job und identifiziert sich stark damit. Meist ist es auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar und checkt selbst im Urlaub die E-Mails oder telefoniert mit Kollegen oder Geschäftspartnern.

Wegen meist großer Erschöpfung ist die Lust auf viel Action in Urlaub und Freizeit eher gering. Auch Sport und soziale Kontakte kommen meist zu kurz. Die Teilnahme an freiwillige Fortbildungen im Urlaub sind dagegen keine Seltenheit. Das hohe Pflichtbewusstsein zeigt sich auch darin, dass unvermeidbare Pflichten wie Hausarbeit oder Einkaufen trotzdem erledigt werden, nicht selten engagieren sich die Arbeitstiere sogar trotz Erschöpfung noch zusätzlich in einem Ehrenamt. In dieser Gruppe finden sich in erster Linie Personen im höheren Alter ab 45 Jahren und eher ohne Führungsposition wieder.

Typ 2: Die Inaktiven: Auch sie haben ein hohes Risiko für die Leisure Sickness – allerdings aus anderem Grund. Denn die meist jüngeren, häufig männlichen Angehörigen dieses Freizeittyps nehmen eher selten Arbeit mit nach Hause und haben auch wenig Ambitionen, ständig erreichbar oder sozial engagiert zu sein. Theoretisch blieben so viel Energie und Zeit für Aktivitäten, aber tendenziell zeigt dieser Typ wenig Struktur und Verbindlichkeiten in der Freizeitgestaltung. Stattdessen sind Urlaub und Freizeit eher von einem "Sich Treibenlassen" geprägt. Das klingt zwar sehr erholsam, fördert aber leider auch die Freizeitkrankheit, wie die Forscher feststellten.

Ausbalancierten und "Verplanten" geht es besser

Ein eher geringes Risiko, am Urlaubsanfang krank zu werden, haben dagegen diese beiden Freizeittypen:

Die Ausbalancierten: Diese Gruppe verbringt kaum Freizeit mit arbeitsbezogenen Dingen und schaltet komplett ab. Diese Menschen sind meist weniger erschöpft von der Arbeit und haben dadurch mehr Lust auf Aktivitäten und Unternehmungen. Oft schaffen sie sich einen bewussten Ausgleich – durch Sport, Hobbys oder Zeit in der Natur, aber auch durch soziale Kontakte und Ehrenämter. Männer ab 45 sind genau wie Menschen in Führungspositionen etwas stärker vertreten.

Die Verplanten: Ähnlich wie die "Arbeitstiere" nimmt dieser Freizeittyp durchaus manchmal Arbeit mit und checkt auch seine E-Mails im Urlaub. Weil dieser aber nicht so stark überhandnimmt, bleibt trotzdem noch Energie für ausgleichende Aktivitäten und Unternehmungen. Diesen Menschen sind zudem soziale Kontakte und Gruppenaktivitäten im Urlaub wichtig. Wirklich freie Freizeit ohne Termine oder geplante Aktionen sind dagegen selten. Zu dieser Gruppe gehören besonders häufig Frauen.

Eher im Mittelfeld liegt der letzte der fünf Freizeittypen:

Die Einzelgänger: Bei ihnen ist Müßiggang Trumpf: Die Arbeit spielt bei diesen Menschen in der Freizeit keine so große Rolle, das Gleiche gilt für Sport in Gesellschaft oder soziale Kontakte. Stattdessen bevorzugt dieser Typ eine unstrukturierte, freie Freizeit ohne feste Termine oder Verpflichtungen. Im Urlaub lässt man sich treiben und tut nur das, wozu man gerade Lust hat. Viele Mitglieder dieser Gruppe sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, etwas mehr weiblich und arbeiten oft Vollzeit ohne Führungsposition.

Wie kann man vorbeugen?

Was aber kann man tun, um nicht von der Freizeitkrankheit erwischt zu werden? Muss man jetzt seine ganze Persönlichkeit umkrempeln? Nicht unbedingt. Sinnvoll kann es aber sein, den Urlaub langsam anzugehen und für einen allmählichen Übergang von Vollstress und Entspannung zu sorgen. Möglich ist dies beispielsweise, indem man vor Abreise an den Urlaubsort ein oder zwei freie Übergangstage zuhause einplant.

Hilfreich ist auch ausreichend Bewegung: Sport in Maßen hilft dabei, Stresshormone abzubauen und setzt positive Energien frei. Das kann davor bewahren, dass Körper und Geist in ein "Loch" fallen. Wichtig auch: Haben Sie an sich und den Urlaub keine zu hohen Erwartungen, sonst setzt das erst recht unter Druck.

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