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Libra: Was steckt hinter Facebooks neuer Währung?

Im Juni 2019 hat Facebook angekündigt, dass es demnächst eine eigene digitale Währung lancieren will. "Libra", so der Name des virtuellen Geldes, soll seinen Nutzern das Bezahlen im Internet erleichtern. Doch wie genau soll diese digitale Währung funktionieren? Wie sicher wäre das Bezahlen mit Libra und wer kontrolliert dann die finanziellen Transaktionen? Wir erklären das Grundprinzip dieser Währung, die Hintergründe und mögliche Risiken.
NPO, 22.07.2019

Mit der Libra möchten Facebook und seine Partner eine eigene digitale Währung lancieren, stoßen aber bislang auf wenig Gegenliebe.

iStock.com, coffekai (nur Hand mit Smartphone)

Wenn es ums Geld geht, denken die meisten von uns an Münzen, Scheine, Kreditkarten und Überweisungen. Diese Zahlungsmittel haben gemeinsam, dass sie von Banken verwaltet und autorisiert werden. Diese wickeln Transaktionen ab, kontrollieren den Wert des Geldes und sorgen für Sicherheit im Zahlungsverkehr – eine wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Währungssystem.

Doch jenseits der klassischen Währungen haben sich in den letzten Jahren auch alternative digitale Zahlungsmittel wie Bitcoin, Ethereum und andere etabliert. Diese sogenannten Kryptowährungen funktionieren dezentral und ohne Bank als Mittler. Stattdessen stellt die Blockchain, eine Art digitales, öffentliches Kassenbuch die Sicherheit und Nachvollziehbarkeit aller Geldtransaktionen sicher. Spezielle kryptografische Schlüssel und eine digitale Brieftasche sorgen dafür, dass nur die autorisierten Personen Zugriff auf Geld, Waren oder Informationen haben. So weit, so bekannt.

Was ist Libra?

Im Juni 2019 sorgte nun Facebook-Gründer Mark Zuckerberg für erhebliche Aufregung und Schlagzeilen weltweit. Denn er kündigte an, dass Facebook bald seine eigene digitale Währung lancieren will. Libra, so der Name der Währung, soll seinen Nutzern das Bezahlen über das Internet ermöglichen. Gelten soll Libra dabei nicht nur innerhalb von Facebook, WhatsApp oder Instagram, sondern auch bei Transaktionen mit Partnerunternehmen. Bisher haben bereits 27 große Firmen ihre Mitwirkung zugesagt, darunter Paypal, Visa und Mastercard, aber auch eBay und Uber.

"Mit dem System können Sie jedem, der ein Smartphone besitzt, Libra zukommen lassen - das ist so einfach und schnell wie das Senden einer Textmessage und kostet wenig bis gar nichts", heißt es in einer Facebook-Pressemitteilung dazu. "Später hoffen wir dann zusätzliche Dienste anbieten zu können, wie das Bezahlen per Klick, den Kauf einer Tasse Kaffee durch Scannen eines Codes oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne Bargeld oder Monatskarte."

Was soll Libra bringen?

Der Vorteil der Bezahlung mit Libra soll dabei wie bei Bitcoin und Co in seiner Unabhängigkeit von klassischen Banken liegen.  Dadurch kann die Währung auch dort genutzt werden, wo Menschen nur begrenzt Zugang zu Banken haben - beispielsweise in vielen afrikanische Regionen. Nach Schätzungen von Experten gibt es weltweit rund 1,7 Milliarden Menschen ohne Bankkonto und damit auch ohne Zugang zu klassischen Bankgeschäften. Ein weiterer Vorteil: Weil die teils hohen Bankgebühren für Auslandsüberweisungen entfallen, wäre der Transfer von Geld ins Ausland billiger.

Ob Libra allerdings tatsächlich von den Nutzern angenommen wird, ist offen. Zumindest in den reichen Industrieländern könnte der Zuspruch eher verhalten ausfallen, wie eine Umfrage unter US-Nutzern von sozialen Medien vor Kurzem nahelegte. Dabei gaben 80 Prozent der Befragten an, dass sie Libra eher nicht nutzen oder kaufen würden.

Verwalter werden soll die neue Kryptowährung über die digitale Geldbörse, "Calibra".

iStock.com, aislan13

Wie funktioniert Libra?

Zu den Details des neuen Währungssystems ist Facebook bislang wenig auskunftsfreudig. Selbst bei zwei Anhörungen vor den US-Kongress blieben die Ausführungen der Libra-Repräsentanten häufig eher vage. Klar scheint aber, dass Libra wie die klassischen Kryptowährungen auf einer Blockchain basieren soll. Die dezentrale, öffentliche Struktur dieses digitalen Kassenbuchs stellt sicher, dass Transaktionen nicht nachträglich verändert oder gefälscht werden können – denn das würde klar erkennbare Diskrepanzen in der Datenspur hinterlassen. Das eigene Libra-Guthaben verwahrt man wie beim Bitcoin in einer stark verschlüsselten digitalen Geldbörse, "Calibra" genannt.

Im Unterschied zu reinen Kryptowährungen wie Bitcoin und Co soll Libra allerdings fest an "normale" Währungen und auch Anleihen angekoppelt sein. Dabei dient ein Bestand an US-Dollars, britischen Pfund, Euros als Rücklage und Reserve, die über eine Art festen Wechselkurs den Wert der Libra bestimmen. Diese Methode soll verhindern, dass die Facebook-Währung ähnlich stark schwankt wie beispielsweise der Bitcoin, der an keine klassische Währung gebunden ist.

Wer kontrolliert Libra?

Wie bei klassischen Kryptowährungen gibt es auch bei Libra keine Bank, die den Zahlungsverkehr kontrolliert und regelt. Während aber bei Bitcoin und Co im Prinzip alle Nutzer gleichermaßen als Kontrolleure und Akteure zugleich dienen, ist dies bei der Facebook-Währung anders: Sie soll von einer eigens dafür gegründeten Stiftung, der Libra Association, verwaltet werden. Teilhaber dieser Stiftung sind neben Facebook auch die teilnehmenden Unternehmenspartner.

Mit anderen Worten: Zwar hat keine Bank die Kontrolle, dafür aber ein Konglomerat von Privatunternehmen. Genau an diesem Punkt setzt auch die Kritik vieler Experten und Finanzbehörden an. Einige sehen in der Libra Association im Prinzip doch so etwas wie eine Bank und fordern, dass diese dann auch den gleichen Regeln und Kontrollmechanismen gehorchen müsste. Bisher allerdings ist nicht geklärt, ob und inwieweit sich die Libra-Stiftung diesen Regularien unterwerfen wird.

Eine weitere Befürchtung ist, dass eine massenhafte Nutzung der Libra die lenkende Funktion der Zentralbanken schwächen könnte. Weil diese unter anderem dafür verantwortlich sind, die staatlichen Währungen und Wechselkurse möglichst stabil zu halten, könnte die Facebook-Währung im schlimmsten Fall daher sogar das Weltfinanzsystem destabilisieren.  Ein US-Senator verglich Facebooks Pläne daher kürzlich mit "einem Kleinkind, das mit einer Schachtel Streichhölzer spielt".

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Die größten Bedenken weckt die Tatsache, dass mit Facebook ein Unternehmen federführend ist, das sich bisher in puncto Datenschutz nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat – im Gegenteil. Immer wieder kommt das soziale Netzwerk in die Schlagzeilen, weil Nutzerdaten absichtlich oder aus Fahrlässigkeit weitergegeben werden. Und auch innerhalb von Facebook steht der Konzern im Verdacht, Informationen aus Nutzerprofilen und Posts systematisch auszuwerten und zu nutzen.

Wenn nun ausgerechnet Facebook eine eigene Währung lanciert, stellt sich die Frage, wie sie es mit dem Datenschutz in einem so sensiblen Geschäft wie dem Finanzwesen halten. Denn bisher ist nicht klar, wie anonym Transaktionen mit Libra wirklich wären. Facebook selbst schreibt dazu: "Calibra wird ohne die Zustimmung des Nutzers keine Kontoinformationen oder finanzielle Daten mit Facebook oder Dritten teilen." Allerdings sind gerade Firmen wie Facebook und Co dafür bekannt, dass sie in ihren AGBs die Nutzer quasi zwingen, einer Datennutzung zuzustimmen - wer das nicht tut, kann die Plattformen nicht nutzen.

Sollten sie nicht anonym sein, dann hätten Facebook und Co damit neben den persönlichen Daten ihrer Nutzer auch Informationen über deren Geldtransaktionen – keine sonderlich vertrauenerweckende Aussicht. Wenn Libra dagegen ähnlich wie Bitcoin und Co völlig anonyme Transaktionen ohne jegliche Überwachung oder übergeordnete Datenerfassung ermöglicht, dann könnte dies den Missbrauch durch Kriminelle oder Terroristen erleichtern. Denn sie könnten dann unkontrolliert große Geldsummen von einem Land zum anderen verschieben und so Geldwäsche betreiben oder Terrorgruppen finanzieren.

Bisher ist unklar, wann und in welcher Form die Facebook-Währung tatsächlich eingeführt wird, das räumt auch das Unternehmen ein: "Wir sind uns bewusst, dass der Weg zur Umsetzung dieser Vision lang und mühsam wird und nicht in Isolation machbar ist", twitterte David Marcus dazu. "Was wir hier präsentieren ist erst der Anfang und es gibt noch viel zu verbessern." Experten schätzen, dass es sogar noch mehrere Jahre dauern könnte, bis Libra alle regulatorischen Fragen geklärt, alle rechtlichen Hürden genommen hat und tatsächlich in Umlauf kommt. Man darf gespannt sein, ob und in welcher Form dies dann passiert.

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