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Litauen: Unbekanntes Baltikum

Lange Sandstrände, weitläufige Wälder oder kulturelle Highlights - Litauen bietet viele Anreize. Trotzdem ist der größte der drei baltischen Staaten noch immer vergleichsweise unbekannt. Dabei hat sich in Litauen in den letzten Jahren einiges getan: Seit 2004 ist Litauen Mitglied der EU, 2007 ist das Land dem Schengen-Raum beigetreten, so dass für Urlauber die Grenzkontrollen entfallen. Aber auch kulturell und sportlich spielt das Land mit den europaweit höchsten Dünen ganz vorne mit: 2009 war Vilnius europäische Kulturhauptstadt und unter dem Baskettballkorb gehören die Litauer immer zu den Champions - kein Wunder, dass 2011 die Basketball-EM in Litauen stattgefunden hat.
von wissen.de-Autorin Claudia Haese

Bereits im 7. Jahrhundert vor Christus siedelten baltische Stämme an den Stränden und Flussufern im heutigen Litauen. Auch die Römer zogen bis hinauf an die Ostseeküste. 1009 wurde der lateinische Name "Lituae" erstmals erwähnt, ein litauischer Staat entstand allerdings erst 1236 unter dem Großfürsten Mindaugas. Im 15. Jahrhundert erlebte das Baltikum seine Blütezeit: Litauen erstreckte sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Doch die Ausdehnung war nicht von Dauer, zeitweise verschwand Litauen gar von der Weltkarte: 1795 wurde es Russland einverleibt, 1920 bis 1939 von Polen besetzt, während des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen okkupiert und danach dem Sowjetimperium eingegliedert. Erst seit dem 11. März 1990 ist Litauen wieder unabhängige, demokratische Republik.

 

Vilnius – die "Stadt der Türme"

 

Litauen
thinkstockphotos.de/Getty Images/istockphoto/Thorsten Frisch

Wo der Vilnia in die Neris fließt, liegt Vilnius die Hauptstadt Litauens. Von mittelalterlicher Gotik bis zum Neoklassizismus: In der größten Altstadt Osteuropas reihen sich die unterschiedlichsten Baustile vergangener Epochen aneinander. Den größten Teil machen Bauten des Spätbarocks aus. Doch Vilnius ist mehr als Fassade: Der Charme der Stadt schlummert versteckt in den unzähligen Hinterhöfen, verschlungenen Gassen und uralten Wohnhäusern. Seit 1994 zählt die Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Türme, Domkuppeln und Kreuze bestimmen die Skyline von Vilnius: Über 40 Kirchen zählt die Stadt. Die große Kathedrale ist zugleich die bekannteste, und in den Gewölben der St.-Peter-und-Paul-Kirche erzählen fast 2.000 Gipsstatuen mythologische, biblische oder kriegerische Geschichten. Die St.-Anna-Kirche ist das schönste Beispiel für gotische Architektur in Litauen: Schon Napoleon Bonaparte soll von ihr fasziniert gewesen sein.

Die "Stadt der Türme" ist auch die Wiege der Wissenschaft Litauens. Bereits 1579 wurde hier die Universität Vilnius gegründet, noch heute ist sie eine der größten Europas. Aber Vilnius ist auch eine lebendige Kulturstadt: Sieben professionelle Theatertruppen, Sinfonie- und Kammerorchester, Chöre und Künstlergruppen sind hier zu Hause. Und dann gibt es noch die weltweit einzige Statue zu Ehren des Rockmusikers Frank Zappa, Pilgerstätte für Fans aus aller Welt.

 

Kaunas und Klaipeda: Burgen, Basketball und Blues

Im Zentrum der Stadt Kaunas thront die Stadtburg aus dem 13. Jahrhundert. Gotik, Renaissance und Klassizismus auch hier findet sich ein schöne Altstadt mit vielen Architektur- und Geschichtsdenkmälern. Doch das Highlight sind die vielen Museen, mit dem Teufelsmuseum als Kuriosum. Doch Kaunas ist auch als Sportstadt bekannt. Besonderst stolz sind die Einwohner auf ihre Basketball-Mannschaft, die US-amerikanischen Spitzenspielern schon so manches Mal das Fürchten lehrte.

Die Hafenstadt Klaipeda, das ehemalige Memel, gilt trotz ihrer 750-jährigen Geschichte als moderne Stadt, denn im Zweiten Weltkrieg wurden zwei Drittel aller Gebäude zerstört. In Klaipeda laden zahlreiche Jazzclubs zum Mitswingen ein, jeden Juni wird die City beim Jazz-Festival zu einer einzigen Bühne. Beim Meerfest hingegen begrüßt Neptun die Besucher persönlich. Kein Wunder, denn Klaipeda liegt an der Kurischen Nehrung einem Naturparadies ohne Gleichen.

 

Die Kurische Nehrung - Elche, Wanderdünen und Thomas Mann

 

Kurische Nehrung
Baltisches Informations und Tourismusbuero

Die Kurische Nehrung ist eine schmale, 97 Kilometer lange Halbinsel. Ihr westliches Ufer wird von der Ostsee, das östliche vom Kurischen Haff umspült. Hier wachsen dichte Kiefer- und Birkenwälder, in denen Elche, Rehe, Wildschweine und Füchse hausen. Ein Viertel der Halbinsel ist mit Sanddünen bedeckt und die gehen gerne mal auf Reisen: Getrieben vom rauen Ostseewind wandert der Dünensand Richtung Haff. Bereits 14 Dörfer begruben die bis zu 60 Meter hohen Sandberge unter sich.

Auch der Schriftsteller und Nobelpreisträger Thomas Mann erlag der Faszination dieser Natur. Von 1930 bis 1932 verlebte er die Sommer in Nidden, dem heutigen Nida. Hier schrieb er unter anderem einen Teil des Werkes "Joseph und seine Brüder". Voller Stolz haben die Litauer ihm ein Museum gewidmet und feiern alljährlich das Thomas Mann-Festival.

Manns Nidden gehört heute zur Stadt Neringa. Die Architektur ist eigentümlich: Die kleinen Fischerhäuser sind mit Reet oder roten Ziegeln gedeckt und mit geschnitztem Dachschmuck versehen das soll vor bösen Geistern schützen. In Litauen verwebt sich Christentum stark mit heidnischem Brauchtum. Das zeigt sich auch in einer uralten Tradition des Landes: Der Litauischen Kreuzmacherei.

 

Liebgewonnene Traditionen und abgelegte Geschichte

 

Berg der Kreuze
istockphoto.com/Birute Vijeikiene

Christliche Kreuze mit schmückendem Beiwerk und heidnischen Symbolen zu kleinen Kunstwerken zu gestalten, ist eine alte Handwerkskunst in Litauen. Diese Kreuze sind so typisch für das Land, dass sie von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Auf dem Kreuzen-Berg in der Nähe von Šiauliai stehen Tausende dieser Meisterwerke. 1831 wurden hier die ersten christlichen Symbole aufgestellt, und selbst die alles niedermähenden sowjetischen Traktoren konnten diese Tradition nicht zerstören. Kein Wunder, dass Papst Johannes Paul II diesem besonderen Fleckchen schon einen Besuch abgestattet hat.

Spurensuche: Zeugnisse der sowjetischen Vergangenheit sind in Litauen kaum mehr zu entdecken. Nur im Grutas-Park bei Druskininkai stehen im Schatten der Kiefern und Tannen Denkmäler aus der Sowjetzeit. 1989 wurden alle kommunistischen Monumente im Lande demontiert und hierher gebracht. Ein einzigartiger "Themenpark" führt nun an Stalins und Lenins entlang durch die Geschichte. Ein weiteres Erbe des Sowjet-Regimes: Im emaitija-Nationalpark liegt in den tiefen Wäldern beim Plateliai-See eine alte Raketenabschussbasis. Von hier zielten Atomwaffen auf westeuropäische Städte, heute können Touristen in den Kellern und Gebäuden herum spazieren Gänsehaut inbegriffen.

 

Praktische Hinweise

Ein Rückflugticket von Deutschland nach Vilnius kostet ca. 300 Euro . Die Anreise mit dem Auto durch Polen ist langwierig. Es gibt jedoch eine tägliche Fährverbindung von Kiel nach Klaipeda (Fahrzeit ca. 30 Stunden). Die Anreise mit der Bahn führt über Berlin und Warschau (Fahrzeit ab Berlin ca. 20 Stunden). Doppelzimmer in Mittelklasse-Hotels gibt es je nach Saison ab ca. 40 Euro.

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