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Luzide Träume - Ein wacher Geist im schlafenden Körper

In Klarträumen schaltet sich der Verstand ein und der Träumende ist sich bewusst, dass er träumt. Man befindet sich im paradoxen Zustand des "bewussten Träumens". Schlafende können dies nutzen, um positiv in das Traumgeschehen einzugreifen. Hilfreich ist dies vor allem bei chronischen Alpträumen. Es gibt verschiedene Techniken, um luzides Träumen zu lernen. Mittlerweile lassen sich diese Erfahrungen auch mittels Elektrostimulation hervorrufen.
SRE, 03.02.2020

Träume bewusst steuern. Das klingt im wahrsten Sinne des Wortes traumhaft.

Unsplash.com, Johannes Plenio

Viele Menschen kennen es: Man wacht auf und denkt sich: Was für einen Mist hab ich gestern wieder geträumt? Wenn man etwa seine Abschlussprüfung nur in Unterhose hält, in die endlose Tiefe fällt oder gegen radioaktiv mutierte Zombie-Eisbären kämpft. Auch wenn es seltsam klingt: einige Menschen haben dieses Problem nicht, denn sie wissen auch während des Schlafs, dass sie träumen, und können bewusst in das Traumgeschehen eingreifen.

Sich klar machen, dass man träumt

Diese Klarträume oder luziden Träume sind äußerst selten. Nur etwa die Hälfte aller Menschen erlebt mindestens einmal in ihrem Leben einen Klartraum. Das Besondere dabei ist, dass man sich während des Träumens bewusst ist, dass man träumt, während der Traum weiterläuft. Bei einigen wenigen Personen ist das Phänomen wesentlich ausgeprägter: sie können aktiv in das Traumgeschehen eingreifen und die Handlung wie einen Film beeinflussen.

In Klarträumen ist man sich seines Körpers bewusst und die Traumwelt fühlt sich real an. Warum dieses Phänomen auftritt und was dabei genau im Gehirn abläuft, ist jedoch noch relativ unbekannt. Nachgewiesen ist lediglich, dass Klarträume vor allem im sogenannten REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) auftreten. In dieser Phase bewegen sich die Augen schnell hinter den geschlossenen Liedern und wir träumen am intensivsten.

Bei normalen Menschen ist der frontale Bereich des Gehirns während des REM-Schlafs eher träge. Diese Hirnbereiche sind vor allem für das Denken, die Selbstwahrnehmung und die kritische Bewertung von Ereignissen zuständig. Möglicherweise ist das die Ursache dafür, dass Träume eher irrational sind. Bei luziden Träumen sind die frontalen Bereiche des Gehirns aber wesentlich aktiver als normalerweise. Deshalb lassen sich die äußerst seltenen luziden Träume anhand der Hirnaktivität dieses Bereichs von nichtluziden unterscheiden.

Zwischen Seelenreisen und Schlaflabor

Während das Klarträumen bei uns kaum bekannt ist, sind luzide Träume in anderen Kulturkreisen teilweise schon tausende von Jahren bekannt und werden zu verschiedensten Zwecken eingesetzt. Schamanen nutzen sie, um Seelenreisen in die Welt der Geister anzutreten. Im Buddhismus sind Klarträume vor allem unter dem Begriff Traumyoga bekannt. Diese Meditationsform dient dem Erlangen der geistigen Klarheit während unbewusster Tätigkeiten wie dem Schlafen. Diese Yoga-Form soll die spirituelle Entwicklung auf dem Weg zur Erleuchtung vorantreiben.

In der westlichen Welt galt luzides Träumen deswegen lange Zeit als esoterische Spinnerei und wurde von vielen Psychologen lediglich als eine Art "Mikro-Erwachen" interpretiert. Erst in den 1970er Jahren konnte der Forscher Stephen LaBerge den Nachweis für Klarträume im Schlaflabor erbringen. Durch vorher abgesprochene Augenbewegungen während des Schlafes signalisierten die Schlafenden den Forschern, dass sie bewusst träumten. Ihre Atemfrequenz und EEG-Aufzeichnungen zeigten jedoch, dass sie gleichzeitig schliefen.

Heutzutage sind Klarträume vor allem für die Neurowissenschaften interessant. Denn über Träume wissen wir nicht viel, da sich diese nicht direkt aufzeichnen lassen. Luzide Träume sind für Forscher besonders spannend, da sich das Bewusstsein dann in einer Art Zwischenzustand befindet. Das Gehirn befindet sich dann gewissermaßen in zwei Zuständen: im Wach- und im Schlafzustand.

Luzides Träumen kann als Technik gegen Albträume eingesetzt werden.

pixabay.com, Graehawk

Alptraum-Killer und Training im Schlaf

Dieser Zwischenzustand kann auch therapeutisch genutzt werden: Ein gewisser Anteil an Menschen leidet unter wiederkehrenden Alpträumen, die die Psyche belasten.  Nach LaBerge ist belegt, dass das aktive Eingreifen in luziden Träumen helfen kann, den Traum in eine positive Richtung zu wenden. Ein Einsatz in der psychotherapeutischen Behandlung kann auch bei Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung sinnvoll sein, die ihr Trauma im Schlaf wieder und wieder durchleben.

Der Sportwissenschaftler Paul Tholey beschäftigte sich hingegen mit der Frage, ob sich Klarträume auch nutzen lassen, um zu lernen und bestimmte Bewegungsabläufe während des Schlafs zu optimieren. Tholey probierte selbst, ob er seine Fähigkeiten im Wachzustand durch ein Training im Traum trainieren konnte. Während seiner luziden Träume ging er immer wieder die Bewegungsabläufe von komplizierten Sportarten wie Snowboarden oder Skateboardfahren durch.

Nach eigenen Angaben hat dies seine Fähigkeiten in den Sportarten verbessert. Mittlerweile ist auch belegt, dass dies für einfache Sportarten funktioniert. Bei komplexeren Aufgaben werden die Schlafenden in der Traumwelt jedoch leicht abgelenkt, weshalb sich der Effekt meist in Grenzen hält. Auch Künstler verwenden die Technik des Klarträumens, da sie die Welt im luziden Traum kreativ und bewusst gestalten können und ihre Ideen, an die sie sich nach dem Aufwachen erinnern, nutzen.

Mittlerweile ist es möglich, Klarträume mit Hilfe elektrischer Hirnstimulation gezielt zu erzeugen.

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Traumtechniken lernen

Doch kann man luzides Träumen lernen? Prinzipiell ja, auch wenn es den meisten Menschen schwer fällt und lange dauert. Um Klarträume zu erleben, gibt es mehrere Techniken, die zum Erfolg führen können. Bekannt ist vor allem die MILD-Technik (Mnemic Induction of Lucid Dreams) nach Le Berge: Dabei sagt man vor dem Einschlafen immer wieder vor sich hin: „Ich werde im Traum erkennen, dass ich träume.“ Mit dieser Methode soll sich der Verstand im Unterbewusstsein des Schlafes daran erinnern, das Geschehen im Schlaf bewusst wahrzunehmen.

Da Träume vor allem während der REM-Phase des Schlafes auftreten, kann man auch mitten in der Nacht aufstehen, die MILD-Technik anzuwenden, und sich wieder hinlegen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sich während des Wachzustandes ständig zu fragen, ob man wach ist oder ob man träumt. Im Idealfall nimmt man diese kritische Distanz dann auch mit in das Unterbewusstseins des Schlafes. Hilfreich kann auch sein, sich das Traumszenario bei stets wiederkehrenden Träumen vor dem Schlafengehen vorzustellen und die Erinnerung aktiv zu gestalten.

Bewusstsein per Elektrostimulation

Mittlerweile ist es auch möglich, Klarträume mit Hilfe elektrischer Hirnstimulation gezielt zu erzeugen. Neurowissenschaftler stellten fest, dass während luzider Träume in den Hirnströmen im EEG vor allem Gammawellen mit einer Frequenz von 40 Hertz auftraten, die sonst eher selten sind. Ursula Voss von der Goethe-Universität Frankfurt am Main nutzt dies, um bei Versuchspersonen mit einem schwachen elektrischen Strom über Elektroden Gammawellen im vorderen Hirn anzuregen, um luzide Träume zu erzeugen. Mit Erfolg: 70 Prozent der Testpersonen hatten Träume und waren sich dessen bewusst. Bislang ist die Methode allerdings nur zur Forschungszwecken zugelassen. Und das ist auch vernünftig, denn Eingriffe ins menschliche Bewusstsein sollten nur von Fachleuten durchgeführt werden.

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