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Makrobiotik

Ein langes Leben soll sie bescheren, die … ja, was ist sie eigentlich, die Makrobiotik? Der landläufigen Meinung nach handelt es sich um eine reine Ernährungsweise. Diejenigen, die sich tiefgreifend mit ihr befassen, verstehen sie als Wissenschaft. Und für andere wiederum ist sie eine Philosophie. Tatsächlich stammt der Begriff aus der griechischen Antike und ist laut Duden definiert als „die Kunst, das Leben zu verlängern“. Was die alten Griechen dafür getan haben, wissen wir nicht. Christoph Wilhelm Hufeland, Leibarzt von Goethe und Schiller und Begründer der Makrobiotik in Deutschland, jedenfalls empfahl seinen Patienten Luft, Licht, Wärme, Wasser, eine natürliche Ernährung und den Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Gewürze. Zum 250. Geburtstag des Mediziners am 12. August ein Überblick über die unterschiedlichen Richtungen in der Makrobiotik.
von wissen.de-Autor Jens Ossa

 

Protestdiät und Hippiekult

„Andachtsvoll blickten sie auf die dampfenden Speisen, die bereitstanden. Hafer und Hirse, gedünstete Schwarzwurzeln und gesalzene Sesamsamen, gerösteter Reis und in Distelöl frittierte Algen. Statt Tischwein gab es den Absud gebrannter Löwenzahnwurzeln.“ So beschrieb der Spiegel in einer Ausgabe von 1970 das Mahl einer Hippie-Kommune in Westberlin. Was deren Mitglieder hier zelebrierten, dürfte mit dem von Hufeland entworfenen Konzept der Makrobiotik, das einfach nur für eine gesunde Lebensweise stand, nicht mehr viel zu tun gehabt haben.

Christoph Wilhelm Hufeland
wissenmedia, Gütersloh

Der neue Heiland dieser Leute hieß Nyoichi Sakurazawa – im Westen eher bekannt als Georges Ohsawa –, und der verband mit Makrobiotik weitaus mehr. Für den 1966 verstorbenen Japaner schlossen die makrobiotischen Richtlinien auch Glauben und Meditation mit ein. Wer sie befolgte, brauchte weder Krankheit noch anderes Unheil zu fürchten, benötigte keine schulische Bildung und auch keine Medizin. Überhaupt war ja nur die üppige Kost und Unausgeglichenheit in der westlichen Welt Schuld an allem Übel. Was bot sich der 68er Protestbewegung da Besseres an als eine makrobiotische Lebensweise – allein schon um der Wurst und Schweinebraten futternden Gesellschaft ihre Verachtung zu zeigen.

 

Ernährungsgrundlagen der Makrobiotik

Ohsawas Speiseplan sah im Schnitt den Verzehr von 70 Prozent unbehandeltem Vollkorngetreide und 20 Prozent gekochtem Gemüse, dazu Algen und Hülsenfrüchte vor. Im Gegensatz zu Hufelands Auffassung sollten die Mahlzeiten mit reichlich Kochsalz gewürzt sein und war mit Flüssigkeit sparsam umzugehen. Kranken empfahl der Makrobiotik-Guru ausschließlich Getreide, denn er war überzeugt, dass der Körper Vitamine selbst bilde. Kein Wunder, dass für manchen seiner Anhänger eine solche Kur mit dem Tod statt mit Genesung endete.

Nachfolger von Ohsawa sind weniger radikal. Sein Landsmann Michio Kushi etwa empfiehlt eine ausgewogenere Aufteilung von Getreide und Gemüse, lässt Rohkost sowie Desserts zu und erlaubt zu besonderen Anlässen auch mal einen Schluck Alkohol. Der Amerikaner Steven Acuff indessen fügt seinem Diätplan Eier hinzu, um dem bei makrobiotischer Ernährungsweise oft beklagten Mangel an Vitamin B12 beizukommen. Dies ist bedeutsam für die Zellteilung, die Blutbildung und das Nervensystem.

Kind isst Rohkost
Fotolia.com/Monkey Business Images

Trotz aller Unterschiede, Grundlage der modernen Makrobiotik ist das taoistische Prinzip von Yin und Yang, von – vereinfacht gesagt – gegensätzlichen Kräften, die einander bedingen und somit in der Welt eine Einheit bilden. Diese Gegensätzlichkeit liegt auch bei Lebensmitteln vor. Während einige mehr Yin enthalten, sind andere ausgesprochen Yang. Hier sollte die Balance bewahrt bleiben, wie übrigens in allen anderen Lebensbereichen auch.

Nun ist aber nicht allein die Balance von Yin und Yang ausschlaggebend. Wer sich nach neuen Erkenntnissen makrobiotisch ernähren und Mangelerscheinungen vorbeugen möchte, tut gut daran, sich individuell vom Ernährungsmediziner beraten zu lassen. „Die Makrobiotik ist keine Ernährungsform, sondern eine Lebensform, deren Gesetzmäßigkeiten die Ernährung folgt“, sagt Maktrobiotik-Expertin Imke Lamberts aus Hamburg. „Insofern hängt der Speiseplan von Lebenssituation, Geschlecht, Beruf, Herkunftsregion und so weiter ab. Um seinen Eiweißbedarf zu decken, empfiehlt sich  für den durchschnittlichen Mitteleuropäer neben Hülsenfrüchten und Tofu zwei bis dreimal die Woche Fisch und gelegentlich auch mal Fleisch.“

Makrobiotische Kost ist also keine rein vegetarische Angelegenheit, wohl aber sollte alles aus biologischem Anbau stammen. Und noch eines: Da sich auf ernährungswissenschaftlicher Seite die Erkenntnisse ständig ändern, ist es ratsam, sich auch ständig auf dem Laufenden zu halten.

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