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Myokarditis: Kann die Covid-19-Impfung das Herz schädigen?

Eine seltene Nebenwirkung der Corona-Impfung sorgt bei einige Menschen für Beunruhigung: Vor allem bei jungen Männern und Jungen trat in einigen Fällen nach einer mRNA-Impfung eine Herzmuskelentzündung, fachsprachlich als Myokarditis bezeichnet, auf. Die Ständige Impfkommission empfiehlt deswegen für unter 30-Jährige nur noch das BioNTech/Pfizer-Vakzin, nicht mehr das von Moderna. Was aber ist eine Myokarditis? Und wie hoch ist das Risiko?
NPO, 12.11.2021

Wie hoch ist das Risiko eine Herzmuskelentzündung nach einer Corona-Impfung mit einem mRNA-Vakzin?

GettyImages, Lars Neumann

Herzmuskelentzündungen treten normalerweise während oder nach Infektionen auf – beispielsweise nach einer Erkältung oder Grippe, aber auch bei Covid-19. Schätzungen zufolge wird bei rund fünf bis zehn Prozent aller Virusinfektionen auch das Herz vorübergehend in Mitleidenschaft gezogen. Dabei befallen die Krankheitserreger das Muskelgewebe des Herzens und zerstören dort Zellen. Dies löst Entzündungen aus, die das Immunsystem auf den Plan rufen. Meist gelingt es der körpereigenen Abwehr, die schädigende Prozesse rechtzeitig zu unterbinden, so dass wir nichts vom viralen Angriff auf unser Herz bemerken. Diese „subklinische“ Myokarditis heilt auch ohne Behandlung meist komplett aus.

In einigen Fällen aber kommt es zu einer überschießenden Immunreaktion, die die Entzündungsprozesse noch mehr anheizt. Dann kann sich die Entzündungen auf den gesamten Herzmuskel ausweiten und Symptome verursachen. Diese können von einer unspezifischen Schwäche und Müdigkeit über Kurzatmigkeit und Atemnot bei Anstrengung bis zu einem Herzrasen und Schmerzen in der Brust reichen.

Covid-19 und Myokarditis

Dass auch das Coronavirus SARS-CoV-2 das Herz angreift und eine Myokarditis verursachen kann, zeigte sich schon zu Beginn der Corona-Pandemie: Bereits im Frühjahr 2020 berichteten Mediziner in Wuhan und in Italien über Fälle von akuten Herzschäden und Herzmuskelentzündungen bei Covid-19-Patienten. Diese traten teilweise auch dann auf, wenn die Betroffenen kaum andere Symptome zeigten. In manchen Fällen kam es zudem erst ein bis zwei Wochen nach Abklingen der akuten Infektionssymptome zur Herzmuskelentzündung.

Inzwischen haben Studien belegt, dass das Coronavirus die Herzmuskelzellen direkt entern und sich in ihnen vermehren kann. Der virale Angriff auf die Herzmuskelzellen lässt sich selbst in Zellkulturen an ihrer Bewegung ablesen:  „Die Zellen bekommen richtig Stress, wenn sie dem Virus ausgesetzt werden“, erklärt Stephanie Dimmeler von der Universität Frankfurt. „Die sogenannte ‚beating rate‘ geht erst steil nach oben und fällt nach drei Tagen ab, weil die Zellen sterben.“

Die Häufigkeit der Myokarditis bei Covid-19 ist je nach Alter und Gesundheitszustand unterschiedlich. Untersuchungen haben ergeben, dass beispielsweise bei jungen, nur leicht an Covid-19 erkrankten  Sportlern rund 15 Prozent eine Myokarditis entwickelten. Eine Stichprobe in Frankfurt bei 100 Corona-Patienten ergab einen Anteil von 60 Prozent.

Herzmuskelentzündungen nach einer mRNA-Impfung

Eine Herzmuskelentzündung kann aber auch als Nebenwirkung einer Corona-Impfung mit einem mRNA-Vakzin auftreten: Daten aus den USA und Israel legten schon zu Beginn des Jahres nahe, dass solche Fälle von Myokarditis überwiegend bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 29 Jahren auftreten. Meist entwickeln diese innerhalb von 14 Tagen nach der zweiten Impf-Dosis Beschwerden. In der Regel verläuft diese Herzmuskelentzündung aber mild.

„Diese sehr seltenen und in der Regel mild verlaufenden Fälle einer Myokarditis oder Perikarditis heilen in nahezu allen Fällen aus", erklärt Thomas Voigtländer von der Deutschen Herzstiftung. "Wer sich nicht gegen Covid-19 impfen lässt, geht ein weit höheres Risiko durch die Gefahren eines schweren Covid-19-Krankheitsverlaufs wie Organschäden oder gar Tod ein. Dies gilt besonders für chronisch kranke Menschen und Ältere." Allerdings: Wenn die Geimpften schon ein vorgeschädigtes Herz haben oder anderweitig herzkrank sind, kann die als seltene Nebenwirkung auftretende Myokarditis nach Impfung schwerwiegender ausfallen. Vermutlich war dies auch der Grund, warum kürzlich ein Zwölfjähriges Kind nach einer mRNA-Impfung starb: Es war schon vorher in kardiologischer Behandlung und deshalb kam es wahrscheinlich zu Komplikationen.

Wie hoch ist das Risiko?

Wie häufig oder selten eine Herzmuskelentzündung nach einer mRNA-Impfung ist , lässt sich inzwischen auch an Daten aus Deutschland ermitteln: Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) sind bei 92 Millionen verimpften Dosen von Comirnaty (Biontech) und Spikevax (Moderna) bis September 2021 insgesamt 1.243 Verdachtsmeldungen einer Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung gemeldet worden. Die Melderate war bei Jungen im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie jungen Männern unter 30 Jahren am höchsten. Umgerechnet beträgt damit das Risiko für eine Myokarditis oder Perikarditis bei einem unter 30-Jährigen für BioNTech 5:100.000, für Moderna 11:100.000.

Das ist auch der Grund, warum die Ständige Impfkommission (STIKO) jetzt die Impfempfehlungen für Jugendliche und junge Erwachsene unter 30 Jahren geändert hat: Bei ihnen soll jetzt nur noch der mRNA-Impfstoff von Biontech eingesetzt werden, weil bei diesem das Risiko für eine Myokarditis nur halb so hoch ist. Die Empfehlung gilt sowohl für die Grundimmunisierung als auch für Auffrischimpfungen bei Unter-30-Jährigen – unabhängig davon, welcher Impfstoff vorher verabreicht wurde. Für Menschen über 30 Jahre gilt diese neue Empfehlung dagegen nicht.

Generell sind sich die Experten aber in einem Punkt einig: Das Risiko für eine Myokarditis ist bei Ungeimpften weit höher und auch der Verlauf der Herzmuskelentzündung könnte schwerwiegender ausfallen, wenn sie sich mit dem Coronavirus infizieren. Angesichts der drastisch gestiegenen Infektionszahlen raten Mediziner daher dazu, sich unbedingt gegen Covid.19 impfen zu lassen.  „Gleichwohl sollten Patienten sowie Ärzte und medizinisches Fachpersonal nach einer Impfung auf bestimmte Zeichen einer Myokarditis und Perikarditis achten", sagt Voigtländer.

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