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Neue Methoden gegen Haarausfall

30 Jahre ruhte eine Formel vergessen in einer Schublade vor sich hin. Ihre Wiederentdeckung könnte Tausenden von Frauen und Männern in Deutschland zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen: Die Rede ist von einem Haarwuchsmittel, das Geheimratsecken, kahlen Stellen oder dünnem Haar den Kampf ansagen könnte – sicherlich auch ganz nach dem Geschmack seines Erfinders.

Glatze als Lösung bei Haarausfall: Sie ist günstig, relativ pflegeleicht und kann gut aussehen, wenn man den richtigen Gesichtstyp dafür hat.

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So konnte der Greifswalder Universitätsprofessor Axel Kramer sein Haarwasser bereits in den 80er Jahren mit Erfolg nicht nur an sich selbst, sondern auch an Freunden und Bekannten testen. Dabei ist das für die Wirkung als verantwortlich ausgemachte Substanz, das Salz Thiocyanat, eines von mehreren Hoffnungsträgern im modernen Kampf gegen Haarausfall – ein Phänomen, das „bei weitem kein reines Männerproblem“ (wissen.de) darstellt. Was bietet der aktuelle Stand der Forschung?

Haarwachstumsmittel neuester Generation

Professor Dr. med. Axel Kramer leitet seit 1990 das Institut für Hygiene und Umweltmedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Seit über 30 Jahren erforscht er das körpereigene Molekül Thiocyanat, das in Fachkreisen als Basis des von ihm entwickelten Wirkkomplexes gilt.

Die Ursachen für Haarausfall sind unterschiedlich. Es gibt Betroffene, bei denen der Haarfollikel seine Arbeit einfach einstellt.

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Dabei war die Entdeckung eher zufälliger Natur. Auf der Suche nach Substanzen, welche die bei Krebstherapien auftretenden Nebenwirkungen lindern könnten und über „komplementärmedizinische Methoden wie beispielsweise Homöopathie, Nahrungsergänzungsstoffen oder Akupunktur“ (wissen.de)  hinausgehen , setzte Professor Kramer in Versuchen mit Mäusen auch Thiocyanat ein. Es zeigte sich, dass diejenigen Tiere, die den Wirkstoff erhielten, nicht nur weniger toxische Nebenwirkungen aufwiesen. Auch verloren sie im Gegensatz zu einer unbehandelten Kontrollgruppe nach den Zytostatika-Gaben keine Haare. Daraus schlussfolgerte Kramer, dass Thiocyanat „selbst bei toxischer Schädigung des Organismus“ (focus.de) den Haarwuchs fördern kann.

30 Jahre später, verfeinert mit hochmodernen Wirkstoffen, ist die ursprüngliche Tinktur nach einer hinreichenden Studien- und Erprobungsphase im Herbst 2016 in Serienproduktion gegangen. Hersteller ist ein mittelständisches, deutsches Unternehmen der Kosmetik und Körperpflege-Branche.

Hormonelle Behandlung

Die häufigste Ursache für Haarausfall ist genetisch bedingt. Hierbei konzentrierte sich die Forschung bislang auf zwei hormonell wirkende Arzneistoffe. Wie sich herausstellte, können „Minoxidil“ und „Finasterid“ zwar kein verlorenes Haar zurückbringen, den Prozess schleichenden Haarverlusts aber verlangsamen.

Dabei weisen beide Substanzen auch einige Nachteile auf. Das rezeptpflichtige Finasterid kann nur „das Absterben Dihydrotestosteron-sensitiver Haarfollikel verhindern“ (deutsche-apotheker-zeitung.de), die noch im Frühstadium ausreichend aktiv sind. Dabei dauert die Wirkung des Präparates auch nur so lange an, wie es tatsächlich angewendet wird.

Ein weiteres Manko besteht darin, dass die Substanz bei Schwangeren zu Fehlbildungen der äußeren Geschlechtsorgane männlicher Föten führt und bei Frauen vor der Menopause streng indiziert sind. Selbst Männer dürfen zur Vermeidung von Fehlbildungen während der Einnahme kein Blut spenden.

Bei dem rezeptfreien Minoxidil ist sich die Forschung hinsichtlich der exakten Wirkungsweise nicht im Klaren. Fakt ist, dass das als Schaum, zwei- oder fünfprozentige Lösung erhältliche Antihypertonikum äußerlich angewendet in den Fällen wirkt, in denen der Haarfollikel bereits geschwächt ist.

Aber auch Minoxidil ist in Verruf geraten. So stehen die in ihr enthaltenen Substanzen im Verdacht, für Überempfindlichkeits- und allergische Reaktionen verantwortlich zu sein.

Und für beide Wirkstoffe gilt: Was verloren ist, ist verloren. Die Substanzen können lediglich den Prozess des Haarverlustes verlangsamen, aber kein fehlendes Haar zurückbringen.

Auch ohne Arzneistoffe

Um dennoch dem Ausdünnen der Haarpracht ohne dauerhafte Medikamenteneinnahme Herr zu werden, ist eine Haartransplantation für den Fall unumgänglich, dass der Haarausfall keine sonstigen Ursachen hat. Krankheiten, Mangelernährung, hormonelle Schwankungen während den Wechseljahren oder auch Stress können weitere Faktoren für unerklärlichen, über das Normalmaß hinausgehenden Haarverlust sein. Es empfiehlt sich daher grundsätzlich, vor einer teuren Haartransplantation erst einen Dermatologen aufzusuchen, um Ursachenforschung zu betreiben und eine Diagnose zu erstellen.

Etwa 100.000 Haare hat jeder Mensch auf dem Kopf.

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Bei Transplantationen werden Haarwurzeln vom seitlichen und hinteren Kopf verpflanzt. Die eingepflanzten Haare werden an ihrem neuen Platz ein Leben lang weiterwachsen. Eine Haartransplantation ist nur mit körpereigenem Haar möglich, da der Organismus fremde Haare abstoßen würde. Bei der üblichen Streifentechnik wird ein 17 bis 22 cm langer und 1 cm breiter Hautstreifen durch Skalpell Schnitte aus dem Hinterkopf entnommen. Vorteil der Eigenhaarverpflanzung nach Streifentechnik liegt in der kurzen Behandlungsdauer: „Für die Transplantation des Eigenhaares benötigt ein Arzt nur etwa einen Tag.“ (haarausfallen.de)

Die auch als FUT-Methodik bezeichnete Transplantationsmethode birgt jedoch auch einen entscheidenden Nachteil: Bei der Methode sind Probleme für den Patienten unausweichlich, „da eine Narbe hinterlassen wird, die auch noch Jahre später schmerzen und Komplikationen nach sich ziehen kann und zudem unschön aussieht“.

Die aktuell modernste Art der Haarverpflanzung ist die sogenannte „I-FUE-Methode“ („Intermittent Follicle Unit Extraction“), welche die optimierte Form der Haartransplantation nach der FUE Methode ist. Sie ist dabei auch das schonendste Verfahren, da der Transplantationsvorgang schnitt- und narbenfrei verläuft.

Wie der Autor Reza P. Azar im Exposé zu seinem Fachbuch „Minimalinvasive Haartransplantation“ über die FUE-Methode ausführt, werden „die Spenderhaare hierbei einzeln, in Follikulären Einheiten entnommen und auch einzeln, an anderer Position transplantiert“.

Der Begriff „intermittent“ deutet dabei auf den Umstand hin, dass die Transplantate mehrfach für einen kurzen Zeitraum jeweils entnommen, zwischengelagert und wiedereingesetzt werden. Das garantiert kurze Lagerungszeiten der Transplantate außerhalb des Körpers und resultiert in einem schnelleren Einheilen und höherer Anwuchs-Rate der Transplantate.

Anschließend werden die entnommenen Haarfollikel „in zuvor erzeugte Empfangslöcher an gewünschter Position eingesetzt, wo sie lebenslang weiterwachsen“, wie Reza Azar, der ärztliche Leiter des Zentrum für moderne Haartransplantation und einer der Pioniere der FUE-Haartransplantation die Methode zusammenfasst.

Abhängig von der Zahl der eingesetzten Haarfollikel können sich die Kosten für eine derartige Behandlung zwischen 2.500 und 10.000 Euro bewegen.

Hält das neue Wundermittel, was es verspricht?

Vor dem Hintergrund ist nachzuvollziehen, mit wieviel Begeisterung und Erwartung die Entdeckung des natürlichen, körpereigenen Bausteins Thiocyanats als neuer Hoffnungsträger von den Betroffenen aufgenommen worden war.

Das Salz, das beispielsweise „auch im Speichel enthalten“ (ndr.de) ist, zeigte bereits in der Erprobungsphase deutliche Effekte: So war der Umfang einer kahlen Stelle eines Probanden innerhalb von zwölf Wochen deutlich geschrumpft, auch waren die Haare dunkler nachgewachsen als vorher.

Zahlreiche Shampoos, Tinkturen und Gels versprechen Hilfe gegen Haarausfall. Manche Mittel bringen jedoch nichts oder helfen nur gegen eine bestimmte Form des Haarausfalls.

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Ein weiterer Vorteil: Als natürlicher Baustein, der mit der Nahrung aufgenommen, aber auch im Stoffwechsel von Mensch, Tier und Pflanze selbst gebildet wird, zeitigt es keine relevanten Nebenwirkungen oder unerwünschten Wechselwirkungen.

Außerdem ergaben Studien: Thiocynat vermag auch bei lokaler Anwendung gereizte Haut wie etwa bei Neurodermitis zu beruhigen und fördert darüber hinaus die Wundheilung.

Die Rückmeldungen von Teilnehmern der Anfangsstudien waren jedenfalls mehrheitlich erfolgversprechender Natur.

Danach

  • bewerteten 90 Prozent die Verträglichkeit mit „gut“ oder „sehr gut“
  • stellten 75 Prozent eine bessere Haarstruktur fest
  • verzeichneten 54 Prozent einen Rückgang ihres Haarausfalls
  • konnten 35 Prozent sogar ein Haarwachstum feststellen.

Enzym-Hemmer gegen Haarausfall

Jüngste Enzymforschungen von Prof. Angela Christiano von der Columbia-Universität New York haben zur Entdeckung eines Schlüssel-Enzyms geführt, das sich in der Zukunft gleichsam als erfolgversprechend erweisen könnte. Sie spielen im Kampf gegen die sogenannten „Januskinasen“ (JAK) eine große Rolle. Jene hemmen das Haarwachstum und versetzen die Follikel auch am Ende des Lebenszyklus im Haarwachstum in eine Ruhephase.

In Laborversuchen an Mäusen konnte die Forscherin mit Hilfe der Schlüssel-Enzyme Tofacitinib und Ruxolitinib nachweisen, dass ihr Einsatz die Bildung des JAK-Enzyms hemmen konnte. Dadurch bildeten die Follikel wieder neue Haare, die zudem „noch dicker und dunkler als je zuvor waren.“ (scinexx.de). Eine Übertragung der Versuchsanordnung auf menschliches Haar mit ersten Resultaten steht aktuell noch aus.

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