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Neue Regeln für Online-Casinos: Was ändert sich?

Bisher sind Online-Casinos und Glücksspiele im Internet weitgehend illegal – es gibt sie aber trotzdem. Sie wurden bislang oft stillschweigend geduldet. Jetzt gibt es neue Regeln: Ab 1. Juli 2021 gilt ein neuer Glücksspielstaatsvertrag, der das Online-Glücksspiel zwar in Teilen legalisiert, dafür aber Spieler und Anbieter stärkeren Kontrollen unterzieht. Was aber ändert sich in der Praxis? Und was soll dies bringen?
ABO, 30.06.2021

Bisher sind Online-Glücksspiele in Deutschland weitgehend illegal. Es gibt sie aber trotzdem und sie wurden bislang oft stillschweigend geduldet.

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Ob rauchen, Alkohol trinken oder Computer spielen – machen wir es zu oft, kann sich daraus eine Sucht entwickeln. So auch beim Glücksspiele spielen: Krankhaftes Glücksspiel ist mittlerweile offiziell als Krankheit anerkannt. Die „Gambling Disorder“, Glücksspielstörung, zeichnet sich beispielsweise dadurch aus, dass Betroffene mit Glücksspielen vor Problemen oder anderen negativen Emotionen zu fliehen versuchen. Um ihren „Kick“ zu bekommen, setzen sie oft mehr Geld ein, als sie haben und jagen dann den Verlusten hinterher. Das Spielen beginnt, das Leben zu dominieren, im schlimmsten Fall führt es in den Ruin und sogar die Arbeits-  und Obdachlosigkeit.

Internet erhöht Risiko

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind in Deutschland aktuell rund 430.000 Menschen von einem problematischen Glücksspielverhalten oder einer Glücksspielsucht betroffen. Der durchschnittliche Schuldenstand von Spielern, die in eine Suchtberatung gehen, beträgt dabei 25.000 Euro. Betroffene verlieren aber nicht nur viel Geld durch ihre Sucht, sondern auch Familie, Freunde, wenn sie sich immer mehr distanzieren, und etwa den Job.

Besonders gefährdet sind junge männliche Erwachsene in einem Alter von bis zu 25 Jahren sowie Menschen mit Migrationshintergrund oder einem eher niedrigen Einkommen. Das Risiko, vom Spielen süchtig zu werden, nimmt durch Angebote im Internet zu. Denn um sie zu spielen, muss man nicht in ein Casino oder die Spielothek gehen, sondern es reicht, den heimischen Rechner anzumachen. Die Einstiegsschwelle ist dadurch weit niedriger.  „Online-Glücksspiel ist – im Vergleich zu anderen Glücksspielarten - mit einem erhöhten Suchtrisiko verbunden“, erklärt Martin Dietrich von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Das erhöhte Suchtrisiko ist dadurch bedingt, dass Online-Glücksspiele rund um die Uhr immer und überall gespielt werden können.“ So zeigt sich bereits, dass nahezu jeder fünfte Spielende von Online-Casinospielen ein problematisches oder abhängiges Spielverhalten hat.

Der Glücksspielstaatsvertrag regelt auch den Bereich der Online-Sportwetten neu.

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Neues Gesetz gegen Spielsucht

Um die Zahl der Spielsüchtigen zu senken, tritt in Deutschland am 1. Juli 2021 ein bundesweiter Glücksspielstaatsvertrag in Kraft, der vor allem das Glücksspielwesen im Internet regulieren soll. Bisher werden Online-Casinos zwar geduldet, gelten aber offiziell überall außer in Schleswig-Holstein als illegal und können nur über europäischen Lizenzen hier geführt werden.

Neu ist deshalb nun, dass bundesweit Lizenzen für Online-Glücksspiele vergeben werden können, sodass es legal sein wird, sich bei einem privaten Glücksspielanbieter anzumelden und um echtes Geld zu spielen. Damit werden die bislang verbotenen virtuellen Automatenspiele oder etwa Online-Poker erlaubt und sollen eine zumindest halbwegs sicherere Alternative zu den unzähligen illegalen Angeboten darstellen. Denn so können sie auch entsprechend kontrolliert werden. Dazu wird eine Aufsichtsbehörde für Glücksspiele in Sachsen-Anhalt errichtet.

Was ändert sich in der Praxis?

Hinzu kommt, dass das parallele Spielen von Glücksspielen bei mehreren Anbietern im Internet unzulässig wird. Um dieses Parallelspiel im Internet zu verhindern, soll es eine zentrale Datei geben, an die sich die Erlaubnisinhaber anschließen müssen und in der jeder Spieler mit seinem verpflichtendem Spielerkonto registriert wird. Auch wird ein individuelles Einzahlungslimit für die Glücksspieler im Internet festgelegt, das für alle Anbieter gültig ist und grundsätzlich 1.000 Euro im Monat nicht überschreiten darf. Eventuelle Gewinne werden auf das Limit nicht angerechnet. Zur Überwachung dieses Einzahlungslimits wird eine weitere zentrale Datei, die sogenannte „Limitdatei“, erstellt.

Auch neu ist, dass die bisherige zentrale Spielersperrdatei erweitert wird: Die neue Datei umfasst mit dem Vertrag künftig Spielhallen, Gaststätten und Örtlichkeiten von Buchmachern mit Geldspielgeräten sowie die zahlreichen Internetangebote. Wer also in einer Spielhalle gesperrt wird, kann auch in keiner Gaststätte mehr spielen und keine Online-Glücksspielangebote nutzen. Außerdem werden Panikbuttons eingeführt, wodurch Spieler sich selbst für 24 Stunden sperren können. Durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag sind Online-Casino-Anbieter außerdem dazu verpflichtet, die Spieler regelmäßig auf Gewinne sowie auf Verluste hinzuweisen.

Wirksam gegen Spielsucht?

Aber sind die neuen Regelungen wirksame Maßnahmen gegen die Spielsucht? Zwar gibt es damit erstmals klare und bundesweit geltende Regeln im Umgang mit Online-Spielen, die auch kontrolliert werden können. Jedoch ist der neue Glücksspielstaatsvertrag unter Experten nicht unumstritten.

„Grundsätzlich bin ich dagegen, Online-Glücksspiel in diesem Umfang zu legalisieren“, sagt Konrad Landgraf von der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern. „Denn die ständige Verfügbarkeit dieser Angebote erhöht das Risiko, eine Sucht zu entwickeln.“ Außerdem befürwortet Landgraf zwar, dass es eine Aufsichtsbehörde geben soll. Der Experte hält es aber für nachteilig, dass die vorgesehene Behörde erst im Jahr 2023 einsatzbereit sein wird - also knapp zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Staatsvertrags.

Zudem begrüßt Landgraf einerseits die weitreichende Spielersperrdatei, doch empfindet er die geltende Mindestsperrdauer von drei Monaten als zu kurz. Und auch das Einzahlungslimit von insgesamt 1.000 Euro pro Person und Monat hält der Experte für zu mild und fordert hingegen eine deutlich niedrigere Grenze. Hinzu kommt, dass Landgraf bezweifelt, dass bis zum Inkrafttreten des neuen Staatsvertrags auch alle Vorgaben praktisch umsetzbar sind. Denn dafür müssen die für den Spielerschutz wichtigen Dateien - die Sperrdatei, die Limitdatei und die Datei zur Verhinderung des parallelen Spiels – schon zum 1. Juli funktionieren. Andere Experten kritisieren dabei zudem, dass durch das Einführen der bundesweiten Dateien der Datenschutz der Spieler nicht mehr zureichend gewährleistet ist.

 „Wir werden abwarten müssen, ob und wie gut sich das neue Regelwerk in der Praxis bewährt“, resümiert der Suchtexperte. „Es gibt natürlich ein paar richtige Ansätze, so hat der Staat nun mehr Kontroll- und Vollzugsmöglichkeiten, doch viele der Ansätze gehen uns nicht weit genug.“

Prävention bleibt wichtig

Deshalb werden vermutlich auch weiterhin Angebote gegen die Spielsucht nötig sein. Dazu bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das sogenannte Check dein Spiel“-Präventionsprogramm mit einem Online-Selbsttest zur Überprüfung des eigenen Spielverhaltens und einem Beratungsangebot zum Thema Glücksspiel an, um Menschen für die damit verbundenen Risiken zu sensibilisieren und der Entstehung einer Glücksspielsucht vorzubeugen. Auch Wegweiser zu Hilfsangeboten in der Nähe und Informationen für Angehörige werden bereitgestellt.

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