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Neuer Run auf den Mond – drohen Konflikte auf dem Erdtrabanten?

Ob China, Europa, die USA, Japan oder Russland: Sie alle wollen demnächst wieder Astronauten zum Mond schicken – die bemannte Monderkundung erlebt eine Renaissance. Doch es gibt einen Haken: All diese Unternehmungen sind auf lunare Ressourcen und geeignete Standorte angewiesen – und diese sind knapp und sehr ungleichmäßig verteilt. Das könnte Konkurrenz und Konflikte um die begehrten Ressourcen bringen.
NPO, 12.04.2016

Die Apollo-17-Mission im Dezember 1972 war der vorerst letzte bemannte Flug zum Mond.

NASA

Vor gut 50 Jahren landeten mit Apollo 11 die ersten Menschen auf dem Mond – ein historischer Schritt für die Raumfahrt. Doch in den folgenden Jahrzehnten rückten der Mond und seine Erkundung schnell wieder ins Abseits. Nur noch einige Orbiter Sonden umkreisen den Erdtrabanten, Landungen auf dem Erdtrabanten galten aber als zu aufwändig und nicht lohnend.

Landeplätze der Apollomissionen. Die Mission Apollo 13 sollte ähnlich wie später Apollo 14 in der Nähe des Kraters Frau Mauro landen, musste nach der Explosion eines Sauerstofftanks im Servicemodul des Raumschiffs aber abgebrochen werden.

Renaissance der lunaren Raumfahrt

Inzwischen jedoch tut sich wieder etwas: Gleich mehrere Raumfahrtbehörden und auch einige private Unternehmen haben angekündigt, dass sie schon bald wieder Astronauten zum Mond schicken wollen. Im Gegensatz zu den Stippvisiten der Apollo-Missionen ist das Ziel diesmal eine längere, vielleicht sogar dauerhafte Präsenz von Menschen auf dem Erdtrabanten. Die USA planen mit ihrer Mission Artemis eine lunare Orbitalstation und bemannte Landungen schon bis 2025, die europäische Weltraumagentur ESA will ein ganzes Monddorf errichten. Einige private Unternehmen haben ebenfalls schon Pläne.

Dabei geht es auch um handfeste wirtschaftliche und technische Vorteile. Zum einen lockt der Mond mit wertvollen Rohstoffen wie Iridium und anderen seltenen Metallen sowie mit Helium-3, einem auf der Erde seltenen Isotop des Edelgases Helium. Zum anderen ist der Mond ein strategisch wichtiger Standort: Er könnte als Plattform für bemannte Missionen zum Mars und darüber hinaus dienen, zudem könnte die Erkundung des Weltraums mit Teleskopen und anderen Observatorien vom Mond aus vorangetrieben werden.

Platz und Ressourcen sind knapp

Doch es gibt einen Haken: All diese Unternehmungen sind auf lunare Ressourcen und geeignete Standorte angewiesen – und diese sind knapp und sehr ungleichmäßig verteilt, wie vor Kurzem ein Forschungsteam um Martin Elvis vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics ermittelt hat. „Wir haben uns alle verfügbaren Karten des Mondes angeschaut und diese zeigen, dass es nur wenige geeignete Orte gibt und diese sind sehr klein“, so Elvis. „Das schafft eine Menge Potenzial für Konflikte.“

Denn um Astronauten oder eine ganze Station auf dem Mond zu unterhalten, wird ein Standort benötigt, der ausreichend Licht erhält, aber trotzdem in Reichweite von ausreichend Wassereis und metallischen Rohstoffen ist. „Man braucht Wasser um zu überleben und um Nahrung anzubauen, aber auch, um es in Sauerstoff zum Atmen und Wasserstoff für Raketenantrieben zu spalten“, erklärt Elvis. Aber auch eisenhaltiger Regolith und Helium-3-Vorkommen sind gefragt.

Standorte, die Licht, Wasser und Rohstoffe bieten, sind auf dem Mond rar: „Typischerweise gibt es weniger als zehn Schlüsselstandorte jedes Typs und diese sind meist nur wenige Kilometer groß“, so die Forscher. Hinzu kommt, dass eine Mondstation möglichst gut gegen harte kosmische Strahlung geschützt sein muss. Will man entsprechende Schutzhüllen nicht erst langwierig bauen, könnten sich Lavahöhlen als Standorte anbieten – und auch ihre Zahl ist begrenzt.

Die Südpolregion des Mondes gilt nicht nur als wissenschaftlich interessant, sondern auch als strategisch wichtig. Es handelt sich um die einzige Gened auf dem Mond, wo Wassereis nachgewiesen wurde und das ganze Jahr über Sonnenlicht für die Solarenergiegewinnung vorhanden ist.

NASA / Lunar Reconnaissance Orbiter

Konflikte vorprogrammiert

Und genau das könnte zu Konflikten führen: „Das größte Problem ist, dass alle die gleichen Standorte und Ressourcen anpeilen – Staaten, private Unternehmen, eben jeder“, erklärt Alanna Krolikowski von der Missouri University of Science and Technology.

Und längst nicht immer sind Ziele der Mondmissionen untereinander kompatibel: Ein kommerzieller Abbau lunarer Rohstoffe oder ein Mondtourismus würde beispielsweise die astronomischen Beobachtungen eines Mondobservatoriums stören. Auch die wissenschaftliche Erforschung des Mondes wäre von möglichst ungestörten Bedingungen abhängig. „Wenn verschiedene Akteure ihre inkompatiblen Ziele an solchen Orten verfolgen, dann wird es schnell eng und alle haben das Nachsehen“, so Elvis und sein Team.

Bestehende Gesetze reichen nicht

Was aber tun? „Das Problem ist, dass es kein Gesetz gibt, das regelt, wer die lunaren Ressourcen nutzen darf“, erklärt Elvis. Zwar gibt es den Weltraumvertrag von 1967. Dieser besagt aber nur, dass kein Staat Eigentum auf einem anderen Himmelskörper für sich beanspruchen darf. Die Erforschung und wirtschaftliche Nutzung sind dagegen erlaubt. Einzige Einschränkung: Die Nutzung muss zum Wohle der Menschheit und im Interesse aller Länder erfolgen.

Im Jahr 2020 haben die USA ein weiteres Vertragswerk initiiert. Der sogenannte Artemis-Accord bekräftigt die Gültigkeit des Weltraumvertrags und erweitert ihn vor allem im Hinblick auf die Transparenz und den Informationsaustausch bei künftigen Missionen. Zudem sollen sogenannte „Safety Zones“ um Standorte gegenseitige Störungen vermeiden. Was allerdings passiert, wenn zwei Akteure das gleiche Gebiet nutzen wollen und als „Safety Zone“ anmelden, regelt der „Accord“ nicht.

Nach Ansicht der Wissenschaftler bleibt daher noch einiges zu tun, um die konfliktfreie Erkundung und Besiedlung des Mondes zu gewährleisten. „Eine Einigung in diesen Punkten zu finden, ist sicherlich eine Voraussetzung, um die Aktivitäten an den attraktiven lunaren Standorten erfolgreich zu koordinieren“, sagt Krolikowski. Eine umfassende internationale Regelung zum Umgang mit lunaren Ressourcen stehe allerdings noch in weiter Ferne.

Auch die ESA träumt von einer eigenen Mondstation.

 ESA / Foster + Partners

Pragmatische Lösungen sind gefragt

Stattdessen schlagen die Wissenschaftler vor, zunächst pragmatische Lösungen auf der Ebene einzelner Gebiete und Standorte zu finden. „Der erste Schritt wäre ein Treffen aller prospektiven Nutzer, bestehend aus all denen, die an einem bestimmten Standort in den nächsten zehn Jahren oder so aktiv sein werden“, erklärt Krolikowski. Dann sollte miteinander verhandelt werden, wie sich eine verträgliche gemeinsame Nutzung realisieren ließe. „Ihre erste Aufgabe sollte es dabei sein, die schlimmstmöglichen Folgen an diesen Orten zu identifizieren, beispielsweise die schädlichsten Formen der Störungen oder der Platzkonkurrenz. Denn die Aversion gegenüber Verlusten ist für viele Akteure die beste Handlungsmotivation.“

Parallel dazu muss das Wissen um lunare Ressourcen und Standorte weiter ausgebaut werden. Denn bislang ist dieses eher lückenhaft. „Wir müssen zurückgehen und vor allem die potenziell attraktiven Stellen in besserer Auflösung kartieren“, sagt Elvis. „Bisher liegt diese bestenfalls bei einigen Kilometern.“ Daher sei für viele dieser Standorte unklar, wie viel Raum für Aktivitäten es dort gibt. Klar scheint in jedem Falle: Der Mond könnte sich in den nächsten Jahren zu einem Hotspot internationaler Aufmerksamkeit entwickeln.

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