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Nie mehr lieben – das Monster Mann als Klangerlebnis

Nicht verliebt sein, sondern es zu wollen – das ist das große Geheimnis der Liebe. Zumindest in der Welt der Sibylle Berg und ihrer Figuren jenseits des Nervenzusammenbruchs. Im Halbdunkel des voll besetzten Klangkubus, dem mit vierzig Lautsprechern ausgestatteten „Klangdom“ im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM), lauschte das Publikum dem Hörspiel „Das wird schon. Nie mehr lieben!“ von Sibylle Berg, mit dem der Wettbewerb der ARD-Hörspieltage am 8.11. eröffnet wurde.

von den ARD-Hörspieltagen berichtet Ariane Greiner

Wie immer bei Sibylle Berg jagen auch hier vom Leben frustrierte Frauen zwischen 35 und 45 ihrem Glück hinterher, das es natürlich – siehe oben – nicht geben kann, es sei denn als Ergebnis höchster Willenskraft. Und warum nicht? Weil die Männer, ach!, allesamt schlecht sind, und die Frauen so dumm, ihnen trotzdem hinterherzulaufen. Männer, das sind im Berg’schen Universum selbstverliebte Schmarotzer, die nur ans Eine denken, keinen Sinn für Romantik haben, bei denen man „nicht zu witzig und nicht zu klug“ sein darf, denn „das mögen sie nicht“, und die sich irgendwann eh eine Jüngere suchen. Die im Falle Erfolgstyp Monologe über Adorno halten und sich als Losertyp durchfüttern lassen und Sätze sagen wie: „Ich mochte sie sehr, die Wohnung war warm und der Kühlschrank war voll“. Frauen, das sind die, die unter Aufwändung letzter Kräfte mitspielen, und sei es auch nur, um endlich wieder „jemanden gut finden“ zu können, „nur weil er gerade herumsteht“. Im Kampf um ein kleines Stückchen Glück werden alle Register gezogen, kein Klischee bleibt unbesetzt: Mit Nagellack, Faltencreme und Pilates-Training wird an der Fassade gemeißelt, in der Hoffnung, der Mann beißt an – und bleibt auch nach dem Frühstück noch da.

 

Männer, so die Botschaft, wollen belogen werden, also bekommen sie, was sie wollen. Ein Teufelskreis, den aufzubrechen die Figuren zu keinem Zeitpunkt in der Lage sind. Dass es keine richtige Liebe in der falschen geben kann, auf die Idee kommen die Berg’schen Figuren nie.

 

Entsprechend kritisierte die Jury in der anschließenden Diskussion, dass die Figuren keine Entwicklung durchliefen. „Es findet keine Bewegung in den Personen statt“, sagte die Juryvorsitzende Prof. Dr. Christina Weiss, ehemalige Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt, „stattdessen wird die Verbitterung nur immer wieder bestätigt“. Die Literaturkritikerin Verena Auffermann pflichtete ihr bei, indem sie die Darstellung des „Schrecklichen“ im Stück wenig gelungen fand, denn es sei eben nicht nur „schrecklich wahr“ und „schrecklich öde“, sondern auch „schrecklich ausgewalzt“. Der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Frisius kritisierte die uneindeutige Stimmenregie, man frage sich ständig, wer wer sei. „Wenn es eine kunstvolle Mehrdeutigkeit wäre, fände ich es hoch spannend“, so aber sei man nur verwirrt, das ganze Stück sei „etwas windschief“. Allerdings, so das versöhnlichere Schlusswort, auf das man sich einigen konnte, habe das Stück durchaus Unterhaltungswert. Nicht zuletzt wegen solch entlarvender Sätze wie „Sich-Einlassen ist so Achtziger!“, mit denen eine der Figuren ihre Weigerung begründet, den Anweisungen des Psychotrainers zu folgen, sich auf eine bestimmte Situation „einzulassen“.

 

Das bestätigten die Stimmen aus dem Publikum, das in erster Linie gekommen war, das Kino im Kopf zu genießen: „lustig, böse, typisch Berg!“, „Ich habe mich sehr amüsiert“ und „schrecklich wahr!“ war zu hören. Viele zeigten sich außerdem begeistert von der „Magie“ des Hörerlebnisses und der hohen Klangqualität."

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