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Owens vs. Long: Ein Duell mit Symbolkraft
Deutschland, Sommer 1936: In dem von Adolf Hitler regierten Land finden die Olympischen Spiele statt – und die Mission ist klar. Die Wettkämpfe sind dieses Mal nicht unpolitisch, noch sollen sie die Nationen der Welt zusammenführen, wie es der Begründer der modernen Spiele einst vorgesehen hatte. Ganz im Gegenteil: Der Sport ist dem Diktator bloß ein Mittel zum Zweck. Unter seinem Deckmantel will Hitler gemeinsam mit Propagandaminister Joseph Goebbels eine gigantische Inszenierung der vermeintlichen Überlegenheit der arischen Rasse aufführen.
Schon wenige Monate zuvor haben die Nationalsozialisten einen sportlichen Wettkampf erfolgreich für ihre Zwecke missbraucht. Nach dem "Kampf des Jahrhunderts" zwischen den Boxern Max Schmeling und Joe Louis in New York feiern sie den Sieg des Deutschen über den Afroamerikaner, den Sieg von Weiß über Schwarz, als Bestätigung ihrer Politik. Genau so soll es auch bei den Spielen geschehen. Doch der Rassenwettstreit setzt sich nicht so fort, wie geplant. Denn ein Sportler aus Alabama macht der Propagandamaschinerie einen Strich durch die Rechnung. Sein Name ist James Cleveland "Jesse" Owens.
Olympiasieg unterm Hakenkreuz
Der 23-jährige Leichtathlet hat sich erfolgreich für die Teilnahme am Weitsprung-Wettbewerb qualifiziert – und nun, am 4. August, geht es um nichts Geringeres als die Goldmedaille. Sein schärfster Konkurrent: der Deutsche Luz Long. Mit seiner großen Statur, den blonden Haaren und den blauen Augen ist Long die perfekte Verkörperung des idealtypischen Ariers. Er ist Hitlers Mann.
Doch welche Chancen hat er gegen Owens? Immerhin hat der einen Tag zuvor bereits Gold im 100-Meter-Lauf gewonnen und gilt im Sprung und Sprint spätestens von dem Tag an als unanfechtbar, als er auf einer Sportveranstaltung in den USA binnen einer knappen Stunde fünf Weltrekorde brach. Long aber legt gut vor: Er springt 7,87 Meter, olympischer Rekord. Die nationalsozialistische Politikerloge jubelt – und Owens gratuliert dem Deutschen. Wenig später legt sich die euphorische Stimmung unter den Nazis jedoch schlagartig. Denn Owens springt weiter als Long: 8,06 Meter reichen für den Olympiasieg.