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Parkinson: Was steckt hinter dem schleichenden Abbau?

Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurologische Erkrankung – sie trifft Millionen Menschen weltweit. Doch was hinter der Erkrankung steckt und warum schleichend immer mehr Hirnzellen zugrunde gehen, ist bislang weitgehend unklar. Auch ein Heilmittel fehlt noch. Was aber kann man gegen Parkinson tun? Wen trifft sie? Und woran erkennt man diese sich im Verborgenen anbahnende Krankheit? Ein Experte erklärt uns die Hintergründe.
DZNE / NPO, 09.04.2021

Rätselhafter Hirnschwund: Bei Parkinson sterben Nervenzellen im Gehirn ab.

thinkstock.com, pixologicstudio

Über sechs Millionen Menschen leiden weltweit an Parkinson – Tendenz deutlich steigend. Meist treten die ersten Symptome bei Menschen im Alter um 60 Jahre auf, es gibt aber auch Fälle, bei denen die Krankheit sich schon in mittlerem Alter bemerkbar macht. Das Problem jedoch: Obwohl Parkinson viele trifft und die Zahl der Patienten steigt, sind die Ursachen noch immer weitgehend ungeklärt.

Zelltod und Dopaminmangel

Klar ist aber: Ähnlich wie Alzheimer ist auch Parkinson durch ein fortschreitendes Zugrundegehen von Hirnzellen gekennzeichnet. Betroffen von diesem Zelltod ist vor allem die Substantia Nigra im Mittelhirn. Ihre Zellen spielen eine wichtige Rolle für die Produktion des Hirnbotenstoffs Dopamin.  Im Verlauf der Parkinson.-Erkrankung wird dadurch immer weniger Dopamin im Gehirn erzeugt – und das hat Folgen für wichtige Hirnfunktionen.

Durch das Fehlen des Botenstoffs werden Signale zwischen den Hirnzellen, aber auch Befehle an die Muskeln nicht mehr korrekt übertragen. Als Folge kommt es zunächst zu meist übersehen du unspezifischen Vorzeichen wie unspezifischen Symptomen wie Riechstörungen, Schlafproblemen oder einer Depression. Dann folgen Bewegungsstörungen wie ein schlurfender Gang, versteifte Muskeln und das typische Zittern, dem Parkinson früher seinen Beinahmen "Schüttellähmung" verdankte.

Doch wenn sich die Erkrankung mit den typischen Bewegungsstörungen manifestiert, sind meist schon 50 bis 60 Prozent der Dopamin produzierenden Neurone im Gehirn zerstört. Schreitet Parkinson dann weiter fort, entwickeln viele Patienten auch Einschränkungen ihres Gedächtnisses, ihrer Handlungsplanung und im Problemlöseverhalten.

Keine Heilung, aber Linderung

Bisher gibt es kein Heilmittel für Parkinson – das fortschreitende Absterben von Hirnzellen in der Substantia nigra lässt sich allenfalls bremsen, nicht aber aufhalten oder gar rückgängig machen. Vor allem in den ersten fünf bis zehn Jahren nach der Diagnose kann man aber das fehlende Dopamin durch entsprechende Medikamente wie Levodopa ersetzen. Nach langjähriger Einnahme beginnt die Wirkung des Mittels jedoch spürbar zu schwanken und lässt insgesamt nach.

Wenn die gängigen Medikamente nicht mehr wirken oder die Nebenwirkungen zu heftig werden, stellt die sogenannte tiefe Hirnstimulation einen möglichen Ausweg dar. Patienten werden dafür dünne Elektroden implantiert, über die ein Impulsgeber Signale an das Gehirn sendet. Dieser Hirnschrittmacher kann der durch den Botenstoffmangel bedingten veränderten Nervenzellaktivität gezielt entgegenwirken.

Interview: „Klären Sie so frühzeitig wie möglich die Symptome ab“

Näheres über die Vorboten der Krankheit, die Bedeutung der Diagnose für Patienten und Angehörige und mögliche neue Therapieansätze erklärt uns nun der Parkinson-Forscher Thomas Gasser vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen.

Herr Gasser, Morbus Parkinson gilt als die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Es gibt nach Schätzungen 200.000 bis 300.000 Menschen mit Parkinson in Deutschland. Wird die Anzahl der Betroffenen in den nächsten Jahren ansteigen?

Mit einer wachsenden Anzahl an Patienten muss gerechnet werden. Das liegt am demografischen Wandel. Die Lebenserwartung steigt – und Parkinson tritt vor allem im Alter auf.

Wie alt sind Parkinson-Patienten denn im Durchschnitt?

Die große Mehrzahl der Betroffenen ist 60 Jahre oder älter, wenn die Krankheit festgestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Krankheit sporadisch, das heißt ohne erkennbaren Auslöser auftritt. Etwa 10 Prozent der Parkinson-Erkrankungen sind allerdings genetisch bedingt, man spricht auch von der familiären oder der erblichen Form. Hier sind Mutationen, also Veränderungen der Erbinformation, Ursache der Erkrankung. Patienten mit familiärer Parkinson sind im Schnitt etwas jünger bei Erkrankungsbeginn: Meist tritt die erbliche Form vor dem 50. Lebensjahr auf.

Namensgeber der Krankheit ist der englische Arzt James Parkinson, auf dessen Geburtstag am 11. April der Welt-Parkinson-Tag fällt. Die Symptome, die er 1817 als „Shaking Palsy“, zu Deutsch „Schüttellähmung“ beschrieb, bringen die meisten Menschen wohl mit Parkinson in Verbindung: Zittern, auch Tremor genannt, sowie Bewegungsstörungen. Gibt es andere Symptome, anhand derer eine Parkinson-Erkrankung deutlich wird?

Die Frühphase der Erkrankung unterscheidet sich von dem bekannteren Krankheitsbild im späteren Stadium: Als Frühsymptome können Depressionen, Schlafstörungen, Verstopfung, Störungen des Geruchssinns, eine leisere, monotone Stimme, das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen oder Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich auftreten. Zu den bekanntesten und im fortgeschrittenen Stadium sichtbar werdenden Symptomen gehören Bewegungsstörungen: Ein vornüber gebeugter Gang, Muskelversteifungen, kleine langsame Schritte, Ruhetremor, Stürze, reduzierte Mimik oder eine kleiner werdende Handschrift.

Wie merken Betroffene, ob sie Parkinson haben oder eine andere Krankheit? Sie könnten ja gerade die Frühsymptome wie gedrückte Stimmung und Schlafstörungen für Auswirkungen einer Depression halten oder Verstopfung und Nackenschmerzen für Folgen von ungesunder Ernährung und zu wenig Bewegung.

Ich empfehle, so frühzeitig wie möglich den Hausarzt oder Neurologen aufzusuchen und die Beschwerden zu schildern. Die Patienten sollten bisherige Befunde, auch von anderen Ärzten, mitbringen und eine Liste sämtlicher Medikamente, die sie einnehmen. Informationen zu neurologischen Erkrankungen in der Familie sind sehr hilfreich. Wenn eine Begleitperson mitkommt, die den Patienten gut kennt, kann der Arzt diese nach Verhalten, Stimmung, Stimme oder Beweglichkeit des Patienten fragen.

Bei den Frühsymptomen ist gerade der Hinweis auf Schlafstörungen hilfreich, da im Frühstadium von Parkinson der Traumschlaf gestört sein kann und die Patienten dadurch im Schlaf schreien, um sich schlagen und treten. Das fällt vor allem Partnern von Patienten schmerzhaft auf, weil sie bisweilen dadurch verletzt werden.

Ab wann und wie kann denn eine Parkinson-Erkrankung diagnostiziert werden?

Die motorischen Symptome sind ein wichtiges Kriterium für die Diagnose. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanz-Tomographie oder Computer-Tomographie können andere Krankheiten ausgeschlossen werden. Ob eine genetische Ursache der Parkinson-Erkrankung besteht, lässt sich dann durch Gensequenzierung herausfinden. Dabei handelt es sich um eine molekularbiologische Laboranalyse, bei der eine Blutprobe oder ein Abstrich der Mundschleimhaut des Patienten untersucht wird.

Durch diese Untersuchung können wir das genetische Material des Patienten – also dessen Erbgut ─ entziffern und Genmutationen entdecken, die familiäre Parkinson verursachen. Falls bereits vor dem Auftreten von motorischen Symptomen ein dringender Verdacht auf Parkinson besteht, weil es eine positive Familienanamnese gibt, also bei Verwandten des Patienten die Erkrankung auftritt, kann auch ein sogenannter DAT-Scan durchgeführt werden. Das ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, um Störungen im Stoffwechsel des Hirnbotenstoffes Dopamin festzustellen.

Wenn die Diagnose steht: Wie reagieren Patienten?

Die Diagnose ist für viele Patienten und deren Angehörige erstmal erschreckend. Danach sind sie aber eher erleichtert, da sie nun die Ursachen ihrer Beschwerden kennen. Denn durch die Symptome hatten die Patienten – und damit indirekt auch deren Angehörige - ja eine Einschränkung in der Lebensqualität. Die Chancen stehen heutzutage sehr gut, die Symptome gut behandeln zu können. Das ist umso mehr ein Grund, Symptome frühzeitig abklären zu lassen. Je früher und konsequenter mit einer Therapie begonnen wird, desto besser: Das erhöht die Lebensqualität und hilft, den Alltag besser zu bestreiten.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es denn?

Bisher kann man den Ausbruch von Parkinson nicht verhindern. Aber die Symptome können wir medikamentös behandeln: Seit vielen Jahren setzt man bei allen Parkinson-Formen den Wirkstoff L-Dopa ein, um die Dopaminkonzentration im Hirnstamm zu erhöhen. Damit soll der Dopaminmangel ausgeglichen werden, der bei Parkinson aufgrund des Verlustes von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der sogenannten Substantia Nigra auftritt. Diese „Schwarze Substanz“ ist eine kleine, dunkelfarbige Ansammlung von etwa 400.000 Nervenzellen. Hier wird bei gesunden Menschen Dopamin gebildet, ein Botenstoff, der eine wichtige Rolle für Bewegungen und Koordination spielt.

Bei Parkinson-Betroffenen ist die Substantia Nigra geschädigt, sodass ihnen Dopamin fehlt, was dann zu den Parkinson-typischen Bewegungsstörungen führt. Bei genetischen Formen der Erkrankung wird eine zusätzliche Form der Therapie erforscht. Man untersucht in klinischen Studien, ob sich die Folgen des Gendefekts direkt korrigieren oder abmildern lassen. Dadurch könnte eventuell das Fortschreiten der Krankheit selbst verlangsamt oder ihr Beginn hinausgeschoben werden.

Dafür gibt es verschiedene Ansätze, zum Beispiel wird daran gearbeitet, gentechnisch modifizierte Virusteilchen zu verabreichen, die die Dopaminzellen schützen und die Dopaminausschüttung steigern sollen. Das liegt noch in der Zukunft, wir wissen aber heute schon, dass auch Sport, Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Entspannungsübungen helfen, die Mobilität so lange wie möglich zu erhalten.

Quelle: Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

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