Unter die heutigen sogenannten Comedy-Stars mag man ihn nicht einreihen. Weder wild fuchtelnd vor einem Riesen-Publikum im Fußballstadion noch im Halbrund sitzend mit anderen kalauernden Köpfen will man ihn sich vorstellen. Sein genuiner Platz ist das Sofa, ein antiquiertes rotes Möbelstück, auf dem er milde lächelnd über vermeintlich Alltägliches sinniert. Kein Zweifel: Loriot ist das Fossil des deutschen Humors. Doch so wenig zeit(geist)gemäß dieser feinsinnige Meister der subtilen Komik wirkt: er hat längst Kultstatus erreicht. Loriot gibt es als Bettwäsche und Tempotaschentuch, als Kunstdruck und Baseballkappe. Seine Filme sind in jeder Videothek zu haben und seine Sketche werden sogar von Siebtklässlern der Theater-AG des Gymnasiums Neckartenzlingen gespielt. Aus Anlass seines 85. Geburtstages findet im Berliner Museum für Film und Fernsehen die bisher größte Loriot-Ausstellung statt. Unter dem Titel „Loriot. Die Hommage“ präsentiert sie bis zum 29. März 2009 erstmals das gesamte Lebenswerk Vicco von Bülows und darüber hinaus bisher unveröffentlichte Werke aus dem Privatarchiv. Auch auf zahlreichen Theatern werden die Werke von Loriot zu erleben sein – u. a. zeigt das Schiller-Theater in Berlin bis Ende des Jahres eine Auswahl aus „Loriots Dramatischen Werken“. Loriot-Fans: auf nach Berlin!
Gesamtkunstwerk und Professor
Als Zeichner von Cartoons für die Magazine “Stern“ und “Quick“ hat Bernhard Victor (Vicco) Chrisztoph Carl von Bülow alias Loriot in den 50er Jahren angefangen. Mittlerweile umfasst seine Bibliographie 35 Werke. Hinzu kommen CDs, Videos und DVDs. Loriot und seine Stücke oder deren Bearbeitungen sind im Theater ebenso zu sehen und zu hören wie auf der Opernbühne und im Konzertsaal. Cartoonist, Schriftsteller, Dramatiker, Sprecher und Regisseur: Loriot ist alles in einer Person. Als Schauspieler zählt er noch immer zu den beliebtesten Deutschlands. Er hat den Deutschen Schallplatten-Preis bekommen und den Deutschen Kleinkunstpreis, die Goldene Kamera und den Goldenen Löwen. Er ist Mitglied des P.E.N. und Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern. Richard Wagners “Ring der Nibelungen“ hat der Musikliebhaber und Wagnerfan Loriot zu einem kurzweiligen vierstündigen “Der Ring an einem Abend“ kompiliert.
Seit 2003 ist der Dr. h. c. darüber hinaus auch Honorarprofessor. Zwar hat Vicco von Bülow sich jahrelang gegen dieses Ehrung und den damit verbunden Lehrauftrag für das Fach “Theaterkünste“ gewehrt, doch gab er dem Drängen der Berliner Universität der Künste schließlich nach. Bei der Übergabe der Ernennungsurkunde raunzte er vor seinen zukünftigen Kollegen: “Durch mutwilliges Ignorieren meines ohnehin seit 15 Jahren behinderten Ruhestandes und mit der in Künstlerkreisen verbreiteten Bedenkenlosigkeit ist es heute der Universität der Künste gelungen, im Rahmen einer Feierstunde das Durchschnittsalter ihrer Professoren bedrohlich anzuheben.“ Da ist sie wieder, diese feine Loriotsche Sprachkomik. Was aber zeichnet ihn aus, den Loriotschen Humor, der ihn zur Kultfigur gemacht hat?
Die Welt ist hinreißend komisch
Er ist keiner, der andere bloßstellt, wie etwa Stefan Raab. Er ist nicht zynisch wie Dieter Hildebrand und nicht infantil wie Hape Kerkeling. Er hat nichts Aggressives und nichts Boshaftes. Und er denunziert nicht. „Wer glaubt, Humor bestehe darin, sich über andere Leute lustig zu machen, hat den Humor nicht verstanden. Um komisch zu sein, muss man vor allem sich selbst zur Disposition stellen“, hat Loriot einmal gesagt.
Sein Nonsens ist aber ebenso wenig inhaltslos wie der eines Helge Schneider. Während ein blödelnder Otto Walkes mit seinen Figuren verschmilzt, hält Loriot zu den seinen Abstand. Was ihn mit dem Ostfriesen verbindet, ist: in Rollen zu schlüpfen. Allerdings nimmt sich Loriot oft Akademiker vor sei es als Professor E. Damholzer, der an einer extremen Verkleinerung lebender Menschen arbeitet, oder als Professor Grizmek, der über die Bedrohung der Steinlaus referiert. Im Trickfilm treten sie als Dr. Vogler vom Institut für modernes Jodeln auf oder als Dr. Sommer von der Tierpädagogischen Hochschule, der einen sprechenden Hund präsentiert. In der Loriotschen Interpretation geraten alle diese Auftritte zur Groteske. Die Charaktere sind derart von sich überzeugt und mit sich selbst und ihrem Thema beschäftigt, dass sie gar nicht merken, wie absurd ihre Ausführungen eigentlich sind. Die Komik à la Loriot ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Gestus, formelhaft gespreizter Sprache und dem aneinander Vorbeireden.
“Kommunikationsstörung“ hat Loriot einmal als sein Hauptthema bezeichnet und sich selbst als “Humorist“, den vor allem die “menschlichen Verhaltensweisen“ interessieren. Dem entsprechend häufig richtet Loriot seinen Fokus auch auf Alltagssituationen.
Meist sind es Paare, die er beim Betten- oder Anzugkauf zeigt, im Restaurant oder bei der “Liebe im Büro“. Was Loriot und seine kongeniale Partnerin Evelyn Hamann in herrlicher Slapstick-Manier in den TV-Sketchen und später in den Kinofilmen Ödipussi und Pappa ante portas aufführen, ist so komisch wie tiefgründig. Denn die Situationskomik lebt von den Verklemmtheiten der Figuren, von deutscher Autoritätshörigkeit und von unaufhörlichen Missverständnissen. Und was zunächst nach Idylle aussieht, endet bei Loriot meist in einer kleinen Katastrophe.
Die Welt – sie ist hinreißend komisch aus der Perspektive von Loriot. Was aber dahinter steckt, ist genau beobachtet, typisch deutsch und durchaus ernst zu nehmen. Obwohl Bühnenbild, Kostüm und Requisiten längst überholt sind, der subtile Humor und die vielfache Absurdität der Wirklichkeit sind es nicht. Und das Engstirnige und Verklemmte sind ohnehin anthropologische Größen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Herr Professor!
Michael Fischer, wissen.de-Redaktion