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Raumfahrt praktisch: Wie brennt eine Flamme in der Schwerelosigkeit?

In der Schwerelosigkeit des Weltraums ist vieles anders als auf der Erde. Das gilt auch für das Feuer. Die Internationale Raumstation ISS und ihre Versorgungsflüge ermöglichen es Wissenschaftlern, auch das Verhalten von schwerelosen Flammen zu erforschen. Das ist beispielsweise wichtig, um Feuer auf der ISS richtig löschen zu können. Was aber ist anders, wenn in einem Raumgefährt ein Feuer ausbricht?
NPO, 26.02.2021

Die brennende Plexiglasprobe

Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)

Feuer ist in einem Raumschiff oder auf einer Raumstation eine der größten Gefahren. Denn von dort kann man nicht einfach nach draußen flüchten oder ein Fenster öffnen. Entsprechend schnell mussten die Astronauten an Bord der russischen Raumstation Mir reagieren, als dort im Februar 1997 plötzlich ein Feuer ausbrach. Glücklicherweise gelang es ihnen, die Quelle der starken Rauchentwicklung ausfindig zu machen und den Brand mit zu löschen.

Blau und kugelrund

Aber trotz dieser wortwörtlich brennenden Gefahr gibt es einige entscheidende Unterschiede zwischen einem Feuer auf der Erde oder aber in einem schwerelosen Raumgefährt. Wie diese Unterschiede aussehen, haben Wissenschaftler in den letzten Jahren immer wieder durch Experimente auf der Internationalen Raumstation ISS oder in einem ihrer Versorgungstransporter untersucht.

Dabei zeigt sich: Eine Flamme sieht in der Schwerelosigkeit ganz anders aus und verhält sich auch anders. Statt lang nach oben ausgezogen zu leuchten und zu flackern, wie eine irdische Kerzenflamme, glimmt ein Weltraum-Feuer still vor sich hin und bildet einen kugeligen Feuerball. Dieser ist zudem nicht gelblich, wie die Kerzenflamme, sondern vorwiegend blau – so wie das Flammenzentrum direkt am Docht einer irdischen Kerze.

Wenn der Auftrieb fehlt

Wie aber kommt dies zustande? Der Hauptgrund ist die fehlende Schwerkraft. Auf der Erde sorgt sie dafür, dass Gase entsprechend ihrer Dichte aufsteigen oder aber absinken. Wenn Luft erhitzt wird, wie dies in einer Kerzenflamme der Fall ist, steigen die heißen Verbrennungsgase und mit ihnen Rußpartikel nach oben.

Weil auch der Ruß brennbar ist, entzünden sich diese Partikel erst etwas über dem Docht und bilden dann den gelblichen Anteil der Kerzenflamme. Das Entscheidende aber: Durch den Aufstrom der heißen Gase wird von unten frische Luft an die Flamme herangezogen. Der darin enthaltene Sauerstoff liefert neue Nahrung für den Verbrennungsprozess.

Anders ist dies in der Schwerelosigkeit: Hier haben die heißen Verbrennungsgase keinen Auftrieb und dadurch fehlt auch der Sog, der neuen Sauerstoff heranführt. Stattdessen kann sich die Flamme den Sauerstoff nur aus der umliegenden Luft ziehen. Das hat zur Folge, dass sie ständig kurz vor dem Ersticken ist und nur langsam vor sich hin glimmt. Gleichzeitig nimmt sie wegen des fehlenden Luftstroms eine kugelige Form an. Weil zudem keine Rußpartikel aufsteigen, fehlt auch der gelbe Flammenanteil – die schwerelose Flame erscheint blau.

Dem Luftzug entgegen

Doch es gibt noch eine Besonderheit bei einem Feuer im All, wie vor Kurzem ein Experiment im leeren Cygnus-Versorgungsmodul der ISS gezeigt hat. Dafür wurde ein geripptes Plexiglasstück an einer Seite mit einem stetigen Luftstrom angeblasen. Dann wurde am anderen Ende eine Flamme entzündet. Es passierte Überraschendes: Statt auszugehen oder sich mit dem Luftstrom auszubreiten, wanderten die Flammen dem Luftstrom entgegen. Bei normaler Schwerkraft wäre dies unmöglich.

Der Grund ist auch hier die Schwerelosigkeit: Weil erhitzte Luft nicht aufsteigt, bleiben die Gase in der Flamme geschichtet und mischen sich nicht. Frischen Sauerstoff bekommt die Flamme daher nur dort, wo sie vom Luftstrom getroffen wird. Dementsprechend ist die Flamme hier am aktivsten und breitet sich überraschend schnell der Luftströmung entgegen aus. In einem Raumschiff eine Flamme auspusten zu wollen, wäre demnach eine wirklich schlechte Idee.

Erhöhte Gefahr der Verpuffung

Und noch etwas ist anders: Die Flamme schirmt den unter ihr aufgeheizten und ausgasenden Bereich gegen Luftzutritt und Verbrennung ab. Dadurch kann sich das hinter ihr ruhende Gas nicht entzünden. Im Experiment sieht man deshalb, dass die gegen die Anströmung vorwärtswandernde Flammenfront keine brennende Fläche hinterlässt. Stattdessen wird unter ihr viel brennbares aber unverbranntes Rauchgas produziert. Schon die kleinste Störung der Luftströmungen kann dieses heiße, unverbrannte Rauchgas mit Sauerstoff versorgen und zu einer dramatischen Verpuffung führen.

Ähnliches passiert, wenn sich bei einem irdischen Wohnungsbrand eine Schicht heißer, brennbarer Gase unter der Decke sammelt und diese dann durch Öffnen eines Fensters abrupt frischen Sauerstoff bekommt – es kommt zu einer gefährlichen Flammenwolke. Tatsächlich hat das Team des SAFFIRE-Experiments eine solche Verpuffung auch schon im All erlebt: Beim Vorgänger-Experiment schien die Flamme im Cygnus-Transporter bereits erloschen und der Luftstrom wurde wieder angeschaltet. Dadurch kam es zu einem plötzlichen und starken Wiederaufflammen des Feuers.

Dies sind wichtige Erkenntnisse für den Ernstfall – für das Löschen eines Feuers auf der Raumstation ISS oder in einer Raumkapsel. Denn wenn sich ein Crew-Mitglied in der Nähe des Feuers schnell bewegt oder Löschversuche mit einem Strahl unternimmt, kann dies den Luftstrom erzeugen, der die Flammen erst recht anheizt. Im schlimmsten Fall kommt das Feuer der Person sogar direkt entgegen.

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