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Rückblick auf eine Katastrophe: Hurrikan "Katrina" bringt New Orleans das Chaos

Mit Windgeschwindigkeiten von über 200 km/h und sintflutartigen Regenfällen bricht »Katrina« über den Süden der USA herein. Der folgenschwerste Wirbelsturm, der die USA je getroffen hat, hinterlässt eine Schneise der Verwüstung und fordert nach Angaben des Katastrophenschutzes 1119 Menschenleben. Besonders schwer betroffen ist die Region um die Stadt New Orleans.

Evakuierung angeordnet: Beim Herannahen des Hurrikans hatte Bürgermeister Ray Nagin am 28. August die Evakuierung der 470 000 Einwohner von New Orleans angeordnet. In der Region erhielten rd. 1,4 Mio. Menschen die behördliche Anweisung, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Auf den überfüllten Autobahnen wurden sämtliche Fahrspuren nur noch in Richtung Norden freigegeben. Für die über 100 000 Bürger von New Orleans, die nicht über ein Auto verfügen (dies sind überwiegend Afroamerikaner), wurde der Superdome, das Football-Stadion der Stadt, zur Notunterkunft erklärt.

New Orleans gilt als besonders hochwassergefährdet, denn mehr als 70% des Stadtgebiets liegen unterhalb des Meeresspiegels. Die »Suppenschüssel« ist gleich an drei Seiten von Wasser umgeben, nämlich von dem Golf von Mexiko, dem Fluss Mississippi und dem Salzwassersee Lake Pontchartrain.

Der Hurrikan tobt: Schon als die ersten Ausläufer von Hurrikan »Katrina« die Küste erreichen, werden Bäume entwurzelt und Strommasten umgeknickt, auch wenn die Sturmstärke bereits etwas nachgelassen hat: Auf der sog. Saffir-Simpson-Skala wird »Katrina« nur noch mit Stärke 4 (210 bis 249 km/h) registriert. In New Orleans gehen die Lichter aus, durch die menschenleeren Straßenschluchten heult der Wind, und der Regen prasselt herab.

Nach stundenlangen sintflutartigen Regenfällen versagt die Kanalisation, in Teilen der Stadt verwandeln sich die Straßenzüge in reißende Ströme. Ohne Stromversorgung arbeitet auch das Pumpensystem nicht mehr, das die Stadt normalerweise trockenlegt. Immerhin halten zunächst die meisten Dämme, die New Orleans schützen sollen.

»Suppenschüssel« läuft voll: Die eigentliche Katastrophe setzt jedoch erst ein, als der Sturm schon vorüber ist. Zwei Dämme am Lake Pontchartrain brechen, das Wasser dringt in die Stadt ein. An anderen Stellen wird der Deich unterspült. Weil das Wasser nicht mehr abgepumpt werden kann, wird das Stadtgebiet zu vier Fünfteln überflutet. Ganze Häuserzeilen verschwinden bis zu den Dächern in den Fluten, viele Menschen warten auf ihren Hausdächern stundenlang auf Rettung. In der Gemeinde St. Bernard östlich von New Orleans stehen 40 000 Häuser unter Wasser.

Überforderte Helfer: Nach der Überflutung warten zehntausende Menschen in Hotels, Krankenhäusern und im Superdome, dessen Dach vom Sturm teilweise weggerissen wurde, und dem gleichfalls als Notaufnahmelager hergerichteten Convention Center auf ausreichend Essen und Trinkwasser und vor allem auf ihre baldige Evakuierung.

Hier herrschen teilweise menschenunwürdige Zustände. Bei 33°C funktionieren weder die Klimaanlagen noch die Toilettenspülungen. Überall stapelt sich der Müll.

Kriegsrecht verhängt: New Orleans – das ohnehin eine der höchsten Mordraten der USA aufweist – wird binnen kurzem quasi zu einer Stadt der Gesetzlosen: Lebensmittelläden, Bekleidungs- und Schmuckgeschäfte werden geplündert, es kommt zu Morden und Vergewaltigungen, Angehörige der Polizei und Hilfskräfte werden beschossen. Die Polizei ist in dieser Situation völlig überfordert, viele Beamte quittieren spontan den Dienst. Um der Zustände Herr zu werden, wird am 1. September im Stadtgebiet von New Orleans das Kriegsrecht verhängt. Louisianas Gouverneurin Kathleen Blanco erlaubt der Nationalgarde, Plünderer zu erschießen.

Der Süden ist betroffen: Auch wenn New Orleans am schwersten von »Katrina« betroffen ist, sucht der Wirbelsturm auch andere Regionen heim. In den Bundesstaaten Alabama, Louisiana und Mississippi stehen Hunderte von Ortschaften unter Wasser, zehntausende Häuser werden beschädigt, und rd. 1,3 Mio. Haushalte, Geschäfte und Unternehmen sind ohne Strom. Weil die Straßen überschwemmt sind, müssen sich die Rettungsmannschaften mit Booten und Hubschraubern zu den Eingeschlossenen vorkämpfen.

Über die Küstenstadt Gulfport in Mississippi bricht eine 6,70 m hohe Flutwelle herein. Im benachbarten Biloxi wird der Hafen fast völlig zerstört, das neue Hard Rock Casino, das Anfang September eröffnet werden sollte, ist wie die gesamte Uferpromenade nur noch ein Trümmerhaufen. Der Gouverneur des Bundesstaates Mississippi, Haley Barbour, sagt nach einer Besichtigung, die Küste entlang des Golfs von Mexiko sehe aus »wie von einer schweren Keule getroffen«.

 

HINTERGRUND

Immer häufiger heftige Stürme

»Katrina« war bereits der dritte schwere Hurrikan des Jahres 2005 über dem Atlantischen Ozean. Der Wirbelsturm, der über dem Meer die oberste Stärke 5 auf der Hurrikanskala erreichte, bildete sich am 24. August über den Bahamas und zog zunächst über die Südspitze Floridas hinweg. Über dem Golf von Mexiko führten ihm die hohen Temperaturen und die warme Meeresströmung weitere Energie zu. Schließlich raste »Katrina« mit bis zu 280 km/h und Böen bis zu 344 km/h auf das Festland zu, schwächte sich zuletzt aber auf 200 km/h ab.

In der »Hurrikan-Saison« im September/Oktober suchen regelmäßig schwere Stürme den Südwesten der USA heim. Messungen zufolge ist jedoch die Intensität der Wirbelstürme (Windgeschwindigkeit und Sturmdauer) in den letzten 50 Jahren stark angestiegen. Nach Ansicht von Umweltschützern und zahlreichen Klimaforschern ist dies eine Folge der von Menschen verursachten Erderwärmung, die zu einem Aufheizen der Meere führt. Damit ein Wirbelsturm entstehen kann, muss die Oberflächentemperatur des Wassers mindestens 26°C betragen. Durch Verdunstung entsteht eine gewaltige Warmluftmasse mit niedrigem Kern, die immer neue Luftmassen ansaugt.

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