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Rückenschmerzen: Warum auch Stress ins Kreuz gehen kann

Es ist wie verhext: Man hat nichts falsch gehoben oder eine sonstige rückenbelastende Bewegung gemacht – und trotzdem tut der Rücken weh. Aber warum? Inzwischen weiß man, dass nicht nur körperliche Auslöser Rückenschmerzen verursachen können, sondern auch psychische Belastungen wie Stress, Ärger und sonstige emotionalen Belastungen. Was aber hat es damit auf sich? Und kann man dagegen tun? Das erklären uns Experten im Interview.
NPO / Aktion Gesunder Rücken e.V., 10.11.2021

Manche Patienten werden die Schmerzen aber nicht mehr los, obwohl körperlich alles stimmt.

GettyImages, mustafagull

Fast jeder Fünfte in Deutschland leidet unter chronischen Schmerzen – und ganz weit oben auf der Liste steht dabei der Rückenschmerz. Fast jeder Erwachsene hierzulande hat mindestens einmal im Leben Probleme mit dem Kreuz oder anderen Partien unserer Kehrseite.  Oft ist jedoch unklar, woher die Schmerzen eigentlich kommen. Denn längst nicht immer sind eine körperliche Ursache oder ein klarer Auslöser feststellbar.

Zusammenspiel von Körper, Nerven und Gehirn

Das Problem dabei: Wenn jemand "Rücken hat", kann dies auf ein komplexes Ensemble von Auslösefaktoren zurückgehen. Neben Knochen, Muskeln, Bändern und Nerven spielen dabei auch nicht-körperliche Ursache eine Rolle. Denn ob und wie stark wir Schmerz empfinden, ist auch eine Sache des Gehirns und der neuronalen Botenstoffe. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass wir ein Schmerzgedächtnis entwickeln, durch das uns der Rücken oder ein anderer Körperteil wehtun kann, obwohl der eigentliche körperliche Grund längst vorbei ist. Der Schmerz hat sich in diesem Fall gewissermaßen verselbstständigt.

Aber auch wenn Schmerzen eine körperliche Ursache haben, kann unsere Psyche beeinflussen, wie stark wir sie spüren. Dadurch können beispielsweise selbst wirkstofflose Placebopillen oder Spritzen mit Kochsalzlösung chronische Rückenschmerzen lindern. Auch Ablenkung kann unser Schmerzempfinden messbar verändern. Umgekehrt können Stress oder emotionale Krisen dazu führen, dass wir plötzlich sogar körperliche Schmerzen empfinden. Denn Stress ist nicht nur ein Gefühl, sondern zieht auch viele körperliche Reaktionen nach sich.

Was dies konkret bedeutet und warum Stress sogar Rückenschmerzen auslösen kann, erklärt uns ein Rückenexperte der Aktion Gesunder Rücken (AGR).

Stress ist nicht nur ein Gefühl, sondern zieht auch viele körperliche Reaktionen nach sich.

GettyImages, supersizer

Seit kurzem macht mir mein Rücken zu schaffen, und das obwohl eigentlich nichts vorgefallen ist. Ich habe weder schwer gehoben noch sonst eine ungewöhnliche Bewegung gemacht. Außerdem würde ich sagen, dass ich recht sportlich bin und doch habe ich seit einigen Tagen Schmerzen.

AGR: Rückenschmerzen können viele Ursachen haben. Als erstes kommen einem dafür natürlich körperliche Gründe wie eine falsche Bewegung, dass man sich verhoben hat, falsch bückt oder schwere Gegenstände bewegt hat in den Sinn. Auch eine Überbelastung durch zu viel Sport oder extreme Übungen können Auslöser sein.

Doch auch das Gegenteil ist schlecht für den Rücken: Bewegungsmonotonie, viel Sitzen am Arbeitsplatz oder zu wenig Sport und dadurch eine schwache Muskulatur begünstigen Beschwerden. Doch abgesehen davon gibt es eine weitere Ursache, die viele nicht auf dem Schirm haben und das ist Stress. Dabei ist jede Art von Stress gemeint.

Das heißt Stressgefühle und negative Emotionen könnten für meine Rückenprobleme verantwortlich sein?

Richtig. Sobald wir Situationen ausgesetzt sind, die uns verunsichern, Angst machen, Nervosität auslösen oder unserem Gehirn auf sonstige Art und Weise „gefährlich“ erscheinen oder es überfordern, werden im Körper Stressreaktionen in Gang gesetzt. Cortisol wird ausgeschüttet. Dieses Hormon hat viele Eigenschaften. So schützt es uns in vorübergehenden Stresssituationen vor Entzündungen, erhöht unseren Blutdruck und macht uns konzentrations- und leistungsfähig.

Doch auf Dauer kehrt sich dieser Effekt um und es schadet uns. Dann werden wir nervös, das Immunsystem wird geschwächt, die Schlafqualität nimmt ab und wir verkrampfen. Die Muskeln spannen sich an und können dann einfach „dicht machen“ oder Nerven einengen und schon ist der Rückenschmerz da.

Tatsächlich ist bei mir gerade viel los. Doch was kann ich denn jetzt tun? Spritzen in den Rücken? Was hilft bei akuten Beschwerden?

Natürlich können Spritzen schnelle Abhilfe schaffen. Das muss aber nicht immer die erste Wahl sein. Hier man den Arzt des Vertrauens hinzuziehen, er steht einem beratend zur Seite und entscheidet, welche Therapie am geeignetsten ist.

Zudem gibt es aber zahlreiche andere Möglichkeiten, die Linderung verschaffen. Wärme steht hier ganz oben auf der Liste. Denn Verspannungen lassen sich damit oftmals gut in den Griff bekommen, da sie entspannend auf die Muskulatur wirkt. Ob Wärmepflaster, ein Bad, Rotlicht oder ein Kirschkernkissen – erlaubt ist, was guttut. Moderate Bewegung ist auch wohltuend und hilft wieder mobil zu werden. Bei starken Belastungen oder extremen Dreh-Bewegungen sollte man allerdings aufpassen und diese für die Dauer der Beschwerden möglichst vermeiden.

Kann ich dem Ganzen auch entgegenwirken und präventiv arbeiten?

Selbstverständlich. Hier gibt es zwei Hebel. Natürlich wollen wir den Rücken stärken und ihm helfen, gleichzeitig aber auch die Ursache angehen. Es gilt also auch eine größere Stressresistenz aufzubauen. Das kann gelingen mit Wechselduschen, die unser Nervensystem trainieren und es widerstandsfähiger machen. In sich hineinspüren und bewusste Auszeiten nehmen ist auch essentiell, ebenso wie regelmäßige Bewegung, am besten an der frischen Luft und guter Schlaf sowie eine ausgewogene Ernährung.

Fünf Top-Tipps für gestresste Rücken:

  • Einen sportlichen Ausgleich suchen. Ein sportlicher Ausgleich bietet eine Kräftigung des Rückens, wodurch Verspannungen nicht so leicht entstehen können, oder ermöglicht sogar, dass bereits vorhandener Schmerz vorbei geht. Zudem werden beim Sport Hormone ausgeschüttet, die das Wohlbefinden verbessern und die Stresstoleranz erhöhen. Auch den Kopf können Sie so freibekommen und den Stressfaktor für den einen oder anderen Moment einfach mal vergessen.
  • Erholungsphasen gönnen. Eine kurze Pause zwischendurch, wie zum Beispiel ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft, ein heißes Bad oder eine Massage können uns dabei helfen zur Ruhe zu kommen. Nehmen Sie sich einfach mal Zeit nur für sich.
  • Entspannung lernen. Einfach so abschalten und zu entspannen ist nicht immer einfach. Aus diesem Grund kann es manchmal sehr hilfreich sein, in Kursen beispielsweise Progressive Muskelentspannung oder bestimmte Meditationstechniken zu erlernen und zu praktizieren.
  • Schlaf ist eine der besten Regenerationen für den Körper. Im Schlaf wird der Alltag verarbeitet und der Körper kommt zur Ruhe. Sorgen Sie für einen erholsamen Schlaf. Schaffen Sie Einschlafrituale für eine angenehme Nachtruhe
  • Gönnen Sie sich eine digitale Auszeit: Immer mehr wird unser Leben von digitalen Geräten wie Handy, Computer oder TV bestimmt. Ständig prasseln neue Reize auf uns ein. Wenn der Arbeitsalltag davon geprägt ist, dann kann der Feierabend ohne Tablet & Co sehr entspannend sein.

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