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Säuglingsnahrung - Was gehört in Babys Fläschchen?

Spezielle Milchnahrungen für Säuglinge können ein guter Ersatz für die Muttermilch sein. Doch was gehört in Babys Fläschchen, damit es sich optimal entwickeln kann? Um diese Frage ist derzeit eine hitzige Debatte entbrannt, weil ab Februar neue EU-Standards für Säuglings- und Folgenahrung gelten. Sie machen in Bezug auf den Zusatz spezieller Fettsäuren andere Vorgaben als zuvor üblich - und weichen damit auch deutlich vom natürlichen Vorbild ab. Gesundheitsexperten sehen das kritisch.
Stiftung Kindergesundheit / DAL, 29.01.2020

Ausschließliches Stillen ist zwar die internationale Empfehlung für die ersten Lebensmonate, aber trotzdem muss sich jedes Baby früher oder später von der Brust der Mutter als Nahrungsquelle verabschieden.

iStock, Daisy-Daisy

Frisch, vollwertig und gesund, möglichst naturbelassen und ohne Chemie - diesen Anforderungen soll Nahrung für Babys genügen. Tatsächlich gibt es eine Nahrung, die all diese Kriterien optimal erfüllt: die Muttermilch. Sie enthält alles, was die Kleinen brauchen, und hat immer die richtige Temperatur und Konsistenz. Darüber hinaus fließt sie aus einer Quelle, die wohl kaum ein Hersteller jemals nachahmen kann.

Trotzdem muss sich jedes Baby früher oder später von der Brust der Mutter als Nahrungsquelle verabschieden. Der Weg von Muttermilch zu Brei und Familientisch führt dabei oftmals über die Zwischenstation Flasche. Dafür gibt es viele Gründe: Manchmal klappt es mit dem Stillen nicht oder nicht mehr. Manchmal möchte die Mutter nicht länger stillen, zum Beispiel weil sie wieder arbeiten will.

Debatte um Fettsäuren

Fertige Säuglingsnahrung scheint da der perfekte Ersatz. Die meisten Milchnahrungen bieten heutzutage eine sehr hohe Qualität an - doch welche inhaltliche Zusammensetzung ist für eine ungestörte Entwicklung des Babys optimal? Um diese Frage ist derzeit eine Kontroverse entbrannt, wie die Stiftung Kindergesundheit berichtet. Den Anlass dazu lieferten die neuen EU-Standards, die ab Februar 2020 für alle Säuglings- und Folgenahrungen gelten.

Die darin enthaltenen Vorgaben zur Zusammensetzung der zur Nahrung zugesetzten Fettsäuren weichen nämlich deutlich von der Zusammensetzung der Fette in der Muttermilch ab und auch von den Zusätzen in den bisher angebotenen Säuglingsnahrungen. "Es geht um die Anreicherung der Milchnahrung mit den besonders wertvollen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die das Baby für die Entwicklung von Gehirn, Nervensystem und Sehvermögen benötigt", erklärt der Stiftungsvorsitzende Berthold Koletzko.

Wichtig für die Entwicklung

Diese Fettsäuren werden nach ihrer englischen Bezeichnung (long chain polyunsaturated fatty acids) als LCPs oder LC-PUFAs abgekürzt. In einigen klinischen Studien zeigt ihre Zufuhr Nutzen für die Entwicklung von Intelligenz, Sehschärfe und Immunsystem. Tatsächlich sind Fettsäuren wie die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure und die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure für die menschliche Entwicklung essenziell und können vom Körper nur begrenzt aus anderen Fettsäuren neu gebildet werden. Sie müssen daher über die Nahrung aufgenommen werden.

Sowohl die Arachidonsäure als auch Docosahexaensäure werden während des letzten Schwangerschaftsdrittels und während der ersten Wochen nach der Geburt in relativ großem Umfang im Gehirn des Kindes gespeichert, wenn sich dort die Neuronen und Gliazellen vermehren. Während der Schwangerschaft gelangen sie aus dem mütterlichen Blut durch die Plazenta in den Organismus des Ungeborenen, nach der Geburt bekommt das Baby sie über die Muttermilch.

Bei industriell hergestellter Säuglingsnahrung sollte ein Produkt gewählt werden, das in seiner Zusammensetzung der Muttermilch weitestgehend entspricht.

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Was ist anders?

"Diese beiden Fettsäuren beeinflussen die Aktivität vieler funktionell wichtiger Enzyme in den biologischen Membranen des Nervensystems und im Neurotransmitter-Stoffwechsel", sagt Koletzko. "Einfacher ausgedrückt: Sie sind für die Feineinstellung des Gehirns und des Nervensystems sowie des Immunsystems zuständig. Eine unausgewogene Ernährung oder eine fehlerhafte Zusammensetzung der Babynahrung können für die aktuelle Gesundheit der Kinder und sogar für ihr späteres Leben von entscheidender Bedeutung sein."

Gemäß der neuen Standards der EU müssen künftig alle Säuglings- und Folgenahrungen ab Februar 2020 den Zusatz der Docosahexaensäure in einer zwei- bis dreifach höheren Konzentration enthalten als die mittleren Gehalte in Muttermilch und bisher verwendeten Säuglingsnahrungen. Für einen Zusatz der Arachidonsäure besteht dagegen keine Verpflichtung mehr. Erste Fertignahrungen ohne diese Fettsäure werden bereits auf dem europäischen Markt angeboten, wie die Stiftung Kindergesundheit berichtet.

Muttermilch als Vorbild

Experten haben Bedenken: "Die Eignung und Sicherheit dieser neuartigen Konzeption ist bisher in klinischen Studien nicht belegt", betont Koletzko. "Die vorgeschlagene neue Zusammensetzung der Säuglingsnahrung weicht ganz erheblich von der Zusammensetzung der Muttermilch ab, in der Arachidonsäure und Docosahexaensäure immer zusammen enthalten sind." Zudem weiche die von der Europäischen Kommission vorgeschriebene Zusammensetzung erheblich von der in vielen Ländern seit Jahren verwendeten Produkte ab, deren Eignung durch viele Studien belegt sei.

Experten der Stiftung Kindergesundheit und der Europäischen Akademie für Kinderheilkunde plädieren in einer gemeinsamen Stellungnahme dafür, sich bei der Wahl der Inhaltsstoffe von Flaschennahrung auch künftig an der Muttermilch zu orientieren. Sie enthält immer sowohl Docosahexaensäure als auch Arachidonsäure, in der Regel mit höheren Gehalten an Arachidonsäure. Ihr konkreter Rat: Nicht oder nicht voll gestillte Säuglinge sollten nur solche Säuglingsnahrungen erhalten, die neben Docosahexaensäure auch mindestens die gleiche Menge Arachidonsäure enthalten.

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