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Salafisten in Deutschland

Von Albrecht Metzger

Abu Usama al-Gharib macht aus seinen militanten Neigungen kein Geheimnis. Der junge Österreicher trägt Tarnjacke und eine afghanische Kopfbedeckung, mit der er seine Solidarität mit den Taliban zum Ausdruck bringen will. In seinen Videobotschaften fordert er die Muslime in Europa auf, Messer bei sich zu tragen, die zahlreichen Stellen im Koran, in denen die Gläubigen aufgefordert werden, mit Gewalt gegen ihre Gegner vorzugehen, erfüllen ihn mit Stolz. Abu Usama al-Gharib ist ein Salafist, er will möglichst so leben wie der Prophet Mohammed und seine Gefährten. Um den Islam zum Sieg zu verhelfen, setzt er auf den Dschihad.

 

Wer sind die Salafisten?

Salafisten waren bis vor kurzem ein Phänomen, das in der deutschen Wahrnehmung vor allem im Ausland stattfand. Die Fundamentalisten mit den langen Bärten und Dreiviertelhosen gewannen bei den Wahlen in Ägypten rund 20 Prozent der Stimmen, nun wollen sie dem Land die Scharia aufzwängen und die Gesellschaft dazu bewegen, nach dem Vorbild des Propheten und seiner Gefährten zu leben. Auch in Tunesien machen sie negativ auf sich aufmerksam, mit verbalen Angriffen auf Juden und allen, die nicht ihrem starren Weltbild entsprechen. Aber in Deutschland? Sicher, Verfassungsschutz und Polizei haben die deutschen Salafisten seit Jahren auf dem Schirm, sie warnen vor den potentiellen Gefahren, die von dieser Ideologie ausgehen, auch die Mitglieder der Sauerland-Zelle, die 2007 Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen planten und dafür zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, kamen aus diesem Milieu. Aber der breiten Öffentlichkeit sind die Salafisten erst in den vergangenen Wochen bewusst geworden, angefangen von den scheinbar harmlosen Koranverteilungen bis zu den gewalttätigen Ausschreitungen bei Demonstrationen gegen das Zeigen von Mohammed-Karikaturen. Aber wie gefährlich sind die Salafisten wirklich? Und was macht sie, die ihren Anhängern strenge Verhaltensmuster auferlegen, so attraktiv in einer Gesellschaft, in der individuelle Selbstverwirklichung als hohes Gut gilt?

 

Die gesamte Szene nicht in einen Topf werfen

Nach Interviews mit Islamwissenschaftlern aus Polizei und Verfassungsschutz, die wegen des sensiblen Themas anonym bleiben wollten, wird klar, dass in der salafistischen Szene in den vergangenen Monaten eine Radikalisierung stattgefunden hat, die, so die Befürchtung eines Verfassungsschützers, in einen „urbanen Terrorismus“ abgleiten könnte. Andererseits sind längst nicht alle Salafisten gewaltbereit. Nach Einschätzung eines Islamwissenschaftlers bei der Polizei wäre es fatal, die gesamte Szene in einen Topf zu werfen, denn das würde auch die friedlichen Salafisten in die Enge treiben und sie dazu bewegen, sich mit den militanten zu solidarisieren.

 

Der bekannteste deutsche Salafist

Das wohl bekannteste Gesicht unter den deutschen Salafisten ist der Konvertit Pierre Vogel, der bis vergangenen Herbst über die Lande tingelte und in seinen Islam-Seminaren für den wahren Glauben warb. Manche Medien beschrieben den ehemaligen Boxer, der mit Kölner Akzent fließend Arabisch spricht, als „Hassprediger“. Doch das trifft nur halbwegs zu. Denn Pierre Vogel verhält sich gesetzeskonform und warnt seine Anhänger davor, Gewalt anzuwenden. Er ist kein Dschihadist. Das unterscheidet ihn von dem Österreicher Abu Usama al-Gharib, der bis vor kurzem an einer Moschee in Solingen predigte. Mittlerweile ist er wegen seiner militanten Neigungen ausgewiesen worden und lebt in Ägypten. Gleichwohl sind die Übergänge zwischen friedlichen und gewaltbereiten Salafisten fließend, viele der Sinnsuchenden, die anfangs die Seminare von Pierre Vogel besuchten, erregten später die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden, weil sie offen ihr Bereitschaft zum Dschihad bekundeten. Das salafistische Weltbild, auch das von Pierre Vogel, unterscheidet streng zwischen gut und böse, zwischen Gläubigen, die im Paradies landen werden und Ungläubigen, auf die ewiges Höllenfeuer wartet, was offensichtlich das Abgleiten in den Extremismus erleichtert.

Die gewaltsamen Demonstrationen gegen die Mohammed-Karikaturen Anfang Mai in Solingen und Bonn, bei denen salafistische Demonstranten Polizisten mit Knüppeln und Messern attackierten, stellten eine Eskalation dar. Bis dahin traten Salafisten in dieser Form nicht auf. Abu Usama al-Gharib spornte die Anhänger von aus Ägypten dazu an, den Propheten mit allen Mitteln zu verteidigen.
 

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