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Schielen: Mehr als nur ein Schönheitsfehler

Wenn die Augen überkreuz statt geradeaus schauen, schielt man. Gerade bei Kindern gilt das oft als harmloser Silberblick und Schönheitsfehler, der sich schon noch verwächst. Doch die Fehlstellung der Augen kann beträchtliche Sehstörungen verursachen, wenn sie nicht früh behandelt wird. Wir erklären, was das Schielen genau ist, wie man es behandelt und worauf Eltern achten sollten.
Stiftung Kindergesundheit, 18.04.2016

Je früher das Schielen behandelt wird, desto größer sind die Heilungschancen.

Purestock / thinkstock.com

Ob ein Kind ein Leben lang gut oder schlecht sehen wird, entscheidet sich meist schon im frühen Babyalter. Sehstörungen und Augenfehler lassen sich fast immer korrigieren, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Das gilt auch und ganz besonders für das Schielen.  Denn kaum eine andere Fehlsichtigkeit führt so oft schon in der Kindheit zu einer verminderten Sehleistung, wie der so oft verharmloste Silberblick.

Nach Schätzungen von Ärzten leiden bei uns in Mitteleuropa zwischen fünf und gut sieben Prozent aller Kinder an einem behandlungsbedürftigen Schielen. Wird das Schielen jedoch rechtzeitig behandelt, stehen die Chancen überaus günstig: In mehr als 90 Prozent der Fälle wird das Schielen geheilt und damit auch vermieden, dass das schielende Auge seine Sehleistung verliert.

Für die Bewegung der Augen sorgen sechs Muskeln.
Wie entsteht das Schielen?

Die Bewegungen unserer Augen werden durch sechs Muskeln kontrolliert - vier gerade und zwei schräge). Diese Muskeln sind bereits bei der Geburt voll entwickelt, deshalb können schon Babys ihre Augen in alle Richtungen bewegen. In den ersten Lebenstagen geschieht das allerdings meist noch ruckartig und unkoordiniert.

Wenn die Synchronisation dieser sechs Muskeln durch falsche Gehirnimpulse gestört ist, richtet das Kind nur ein Auge auf den von ihm fixierten Gegenstand, während das andere Auge abweicht. Dieses Auge oder abwechselnd beide Augen wandern entweder nach innen - das kommt am Häufigsten vor - oder nach außen: Das Kind schielt.

Warum ist das ein Problem?

Schielen ist mehr als nur ein kosmetisches Problem. Denn es beeinträchtigt auch die Sehfähigkeit und das räumliche Sehen. Dieses dreidimensionale Sehen ist nur dann möglich, wenn die Bilder bei beiden Augen auf die Stelle des schärfsten Sehens fallen. Dann kann das Gehirn aus winzigen Unterschieden in der Perspektive beider Augen die räumliche Tiefe des Sehbilds berechnen.

Beim schielenden Auge ist das jedoch nicht der Fall. Das Gehirn kann dabei die Bilder aus den beiden Augen nicht zu einem einzigen dreidimensionalen Seheindruck verschmelzen. Als Folge entstehen irritierende Doppelbilder. Das Gehirn beginnt deshalb sehr schnell, das vom schielenden Auge übermittelte Bild dauerhaft zu unterdrücken, und schließt dieses Auge vom aktiven Sehen aus. Dadurch jedoch verlernt das "arbeitslose" Auge immer mehr das Sehen und der Betroffene ist praktisch einäugig. Wenn das Schielen nicht behandelt wird, bleibt das schielende Auge daher in mehr als 50 Prozent der Fälle mehr oder weniger schwachsichtig.

Probleme in der Schule und im Beruf

Weil das Schielen das 3D-Sehen beeinträchtigt ist, sind Menschen mit diesem Sehfehler von bestimmten Berufen ausgeschlossen, beispielsweise im Verkehr, bei der Bahn oder in der Luftfahrt. Nach aktuellen Untersuchungen kommen aber auch Verhaltensstörungen, Leistungsschwäche, Lese-Rechtschreib-Probleme und Legasthenie bei Kindern mit Schielen oder Sehschwäche häufiger vor.

Schielen kann sogar zu psychischen Problemen führen: Hinter dem erkennbaren „Anderssein“ vermuten viele Menschen fälschlicherweise einen wenig sympathischen Charakter oder halten das Schielen für den „bösen Blick“. So ergab eine Untersuchung in der Schweiz, dass schielende Kinder von Gleichaltrigen viel seltener zum Kindergeburtstag eingeladen werden. Für die Vermittler von Führungskräften gilt Schielen als ein schlimmerer Makel als Akne oder fehlende Frontzähne.

Besonders dramatische Folgen gibt es, wenn im späteren Leben das "gute" Auge durch Unfall oder durch eine Erkrankung geschädigt wird. In diesem Fall muss das schwachsichtige Auge die Hauptfunktion übernehmen. Sein Sehvermögen beträgt meist jedoch höchstens zehn Prozent der normalen Sehleistung, was zu erheblichen Sehproblemen führen kann.

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