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Schnee - ein wandelbares Element

Heftiger Schneefall sorgt im Winter für Probleme auf den Straßen und macht den Verkehrsteilnehmern oft erheblich zu schaffen. Schnee bedeutet aber nicht nur Verkehrschaos und Blechschäden. Er ist eine Naturgewalt, die auch Leben schützt. Viele Pflanzen würden bei klirrender Kälte erfrieren, wenn sie nicht durch eine dicke Schneedecke vom Frost isoliert wären. Schnee kann aber auch Leben gefährden, denkt man an die nicht selten katastrophalen Folgen von Lawinen.

Weiße Pracht und harte Arbeit

Schnee - eine Naturgewalt mit vielen Gesichtern
Alexander Stahr

Unabhängig vom Schaden oder Nutzen des Schnees erfreuen wir uns an ihm, wenn die Landschaft von der weißen Pracht überzogen wird. Wir verbinden mit dem Wort “Schnee“ das Schneemannbauen, Schneeballschlachten, Schlittenpartien, den gemütlichen Winterabend oder einfach die Ruhe einer Winterlandschaft.Der Schnee bedeutet für die Räum- und Rettungsdienste und für die Polizei allerdings auch harte Arbeit.

Schnee ist aber auch die Voraussetzung für den Wintersport. Dafür wird weltweit Landschaft verbraucht. Der Skipistenbau schlägt breite Schneisen in die Wälder. Hinzu kommen Liftanlagen, Seilbahnen, Hotels, Zufahrtstraßen und Parkplätze. Kurzum: Schnee ist weißes Gold, ein Rohstoff für die Tourismusindustrie. Nicht zuletzt formt Schnee die Landschaft, sei es als Schneerutschung, Lawine oder einfach nur durch eine langanhaltende Schneebedeckung.

 

Schnee hat viele Namen

Schnee - nur gefrorene H2O-Moleküle?
Alexander Stahr

Nassschnee, Pulverschnee, Pappschnee. Es gibt viele Ausdrücke für die unterschiedlichsten Erscheinungsformen des Schnees. Die Inuit, so nennen sich die Eskimos selbst, deren Alltag vom Schnee geprägt ist, verwenden für das Phänomen Schnee sogar mehr als 200 verschiedene Ausdrücke. Aber selbst diese Fülle an Worten dürfte den schier unendlichen Varianten nicht gerecht werden, in denen Schnee in Erscheinung tritt. Dabei ist Schnee nichts anderes als gefrorenes Wasser bzw. gefrorene H2O-Moleküle.

 

Die Entstehung von Schnee

Die Entstehung der Schneedecke beginnt hoch über uns in der Atmosphäre. Luft kann eine bestimmte Menge an Wasserdampf aufnehmen. Und zwar um so mehr, je wärmer sie ist. Hat die Luft bei einer gewissen Temperatur die maximale Wasserdampfmenge aufgenommen, ist sie gesättigt. Die Luftfeuchtigkeit beträgt nun 100 %. Kommt es zur Abkühlung dieser Luft, bilden sich Wassertröpfchen um Kondensationskerne (z. B. Staubteilchen). Ist die Lufttemperatur jedoch so tief, dass sich kein Wasser mehr bilden kann, bildet sich aus dem Wasserdampf direkt Eis. Man bezeichnet diesen Vorgang des unmittelbaren Überganges von Wasserdampf zu Eis als Deposition (von lateinisch deponere = ablegen). Bei der Umwandlung von Wasserdampf zu → Eis entstehen stets hexagonale, also sechseckige Kristalle in Form von Sternen, Prismen oder Säulen.

Auf ihrer Reise zur Erdoberfläche sind die Eiskristalle unterschiedlichsten Bedingungen unterworfen, sodass ihre Formenvielfalt nahezu unendlich erscheint. Bei äußerst kalter Witterung rieselt der Schnee in einzelnen, feinen Kristallen zur Erde. In der Schweiz nennt man ihn “Wildschnee“. Auch der bei Skifahrern beliebte Pulverschnee, ein trockener Lockerschnee, entsteht bei relativ niedrigen Temperaturen und fällt in sehr kleinen Flocken zu Boden. Er lässt sich kaum mit den Händen formen.

Bei milden Temperaturen um den Gefrierpunkt hingegen fällt feuchter Neuschnee, auch Pappschnee genannt. Einzelne sternförmige Kristalle verhaken sich bei seiner Entstehung untereinander und es bilden sich große Schneeflocken. Dieser Schnee ist vergleichsweise feucht, schwer und lässt sich leicht ballen. Bei Skifahrern ist er unbeliebt, da er Stollen am Ski bildet.

Weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann als kalte, schneit es gerade bei Temperaturen um Null Grad Celsius am häufigsten. Dabei ist Schneefall prinzipiell vom Schneetreiben zu unterscheiden. Denn beim Schneetreiben wird bereits gefallener Schnee durch den Wind verfrachtet. Das Zusammenwirken von Schneefall und Schneetreiben nennt man Schneegestöber.

 

Umwandlung der Schneedecke

Auf dem Boden angelangt, bilden unzählige Schneeflocken eine Schneedecke, sei es aus Locker- oder aus Pappschnee. Und kaum zur Ruhe gekommen, beginnt bereits ihre Umwandlung. Man nennt dies Metamorphose (von griechisch metamorphóo = umgestalten), die auf zwei Arten erfolgen kann: Als so genannte abbauende, destruktive Metamorphose (von lateinisch destruere = niederreißen) oder als aufbauende, konstruktive Metamorphose (von lateinisch construere = errichten).

Im ersten Fall der destruktiven Metamorphose werden die verzweigten Strukturen der Schneeflocken und hexagonalen Schneekristalle durch Schmelzen und Verdunsten abgebaut. Zuvor verzweigte Kristalle erhalten dadurch eine Kornform und die Schneedecke verdichtet sich allmählich. Aus Neuschnee wird nach und nach körniger Altschnee. Überdauert die Schneedecke einen Winter - in der Hydrologie, der Wissenschaft vom Wasser, spricht man von einer Abschmelz- oder Ablationsperiode - wird der Altschnee Firn genannt (von althochdeutsch firn = alt).

Druckmetamorphose des Schnees
Alexander Stahr

Die Umwandlung der Schneedecke wird vor allem durch Schmelzvorgänge beschleunigt. Auch bei der sehr raschen Metamorphose von Neuschnee bis hin zu Eis durch das Festfahren des Schnees auf der Straße spielt Schmelzen und Wiedergefrieren eine wichtige Rolle. Man spricht dann von der Druckmetamorphose, die ebenfalls Schmelzprozesse beinhaltet, aber auch Verschiebungen und Veränderungen in der Kristallstruktur der Schneesterne bewirkt. Der Schnee wird festgefahren und die fortgesetzte Belastung des komprimierten Schnees durch Fahrzeuge bewirkt eine Druckmetamorphose, die schließlich zu einem spiegelglatten Fahrbahnbelag aus Eis führt. Das kennen wir ebenso von der Schlitterbahn aus unserer Jugend, die immer eisiger wurde - und natürlich werden sollte -, je öfter man über den festgetretenen Schnee rutschte.

Bei der konstruktiven, also aufbauenden Metamorphose kommt es durch ein besonderes physikalisches Phänomen, die Sublimation, zu Kristallneubildungen, die in Form von Becherkristallen, Blättchen und anderen Strukturen vorliegen. Sublimation bedeutet den direkten Übergang vom festen zum gasförmigen Aggregatzustand. Eine daraus zusammengesetzte Schneeschicht bezeichnet man als → Schwimmschnee. Dieser kaum in sich verbundene Schnee hat insbesondere für die Lawinengefährdung im Gebirge eine große Bedeutung, da er eine Schwachzone innerhalb der Schneedecke darstellt.

 

Schnee und Landschaft

Abgleitende Schneedecken führen oft zu sogenanntem Schneeschurf
Alexander Stahr

Schnee formt die Landschaft. Eine Schneedecke wirkt auf die Erdoberfläche durch Druck, Bewegung und Schmelzwasser. Den Prozess der Landschaftsformung durch Schnee nennt man Nivation. Die Formung kann ganz langsam durch kriechende oder gleitende Schneedecken erfolgen oder sehr schnell durch Schneerutschungen und Lawinen. Im Flachland kann heftiges Schneetreiben zur Verlagerung der Ackerkrume führen. Die durch Nivation entstehenden Geländeformen sind sehr vielfältig. Im Gebirge finden sich infolge der schneebedingten Abtragung von Boden und Gestein so genannte Nivationsnischen, Nivationsrinnen, Nivationsmulden und -wannen. In diesen Hohlformen hält der Schnee oft bis in den Sommer.

Wenn Lawinen sozusagen kanalisiert in Geländerinnen zu Tale donnern, spricht man von Lawinentobeln. Diese rinnenartigen Formen werden nach und nach durch Lawinen ausgeschürft. Die Bewegung von Schneedecken, sei es als Gleitschnee, Schneerutschungen oder Lawinen, führt auf Wiesen und Weiden des Hochgebirges häufig zur Abtragung von Vegetation und Boden. Zurück bleiben kahle, vegetationslose Narben an den Hängen. In den deutschen und österreichischen Alpen spricht man bei diesen Erscheinungen von “Blaiken“.

Schnee bildet hinsichtlich des Wasserhaushaltes eines Gewässereinzugsgebietes eine zeitweilige Rücklage. Denn in fester Form gefallen, steht der Niederschlag erst bei der Schneeschmelze dem Abfluss zur Verfügung. Wenn der Schnee rasch oder in Verbindung mit Regenfällen schmilzt, entsteht im Frühjahr an vielen Flüssen → Hochwasser. Ob Hochwasser durch Schneeschmelze verursacht werden, kann man am Verhältnis von Abflusshöhe zum Gebietsniederschlag erkennen. Wenn die Schneeschmelze ein Hochwasser bedingt, dann ist die Abflusshöhe gleich dem Gebietsniederschlag oder sogar größer. In vielen Trockengebieten der Erde ist das Schneeschmelzwasser bedeutsam für die Speisung von Flüssen. In den Dolomiten z. B. sind zahlreiche Bach- und Flussbetten völlig trocken. Während der Schneeschmelze hingegen verwandeln sie sich in reißende→ Wildbäche.

Eine dicke Schneedecke schützt vor Frost
Alexander Stahr

Eine geschlossene Schneedecke ist eine gute Isolation vor Frost. Denn Schnee ist ein schlechter Wärmeleiter. Unter der Schneedecke können viele Pflanzen einen kalten Winter schadlos überstehen. Daher ist eine Schneedecke auch entscheidend für den erfolgreichen Anbau von Wintergetreide. Sie schützt das junge Getreide vor dem Erfrieren. Die Oberflächentemperatur eines Bodens ist unter der Schneedecke um bis zu 11 °C höher als die mittlere Lufttemperatur.

 

Lahm gelegt: Schneechaos auf Straßen und Gleisen

Schnee behindert den Straßenverkehr
Alexander Stahr

Durch das Einsetzen von heftigen Schneefällen wird der Straßenverkehr oft stark behindert, wenn nicht sogar lahmgelegt. Unter Umständen können meterhohe Schneeverwehungen auch den Bahnverkehr örtlich zum Erliegen bringen. Schneeglätte beeinträchtigt ebenfalls den Luftverkehr erheblich. Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, streut man in Deutschland bei Schnee- und Eisglätte seit Mitte der 1960er Jahre Auftausalze: Steinsalz, Magnesiumchlorid, Calciumchlorid oder Mischungen aus diesen Salzen. Die Wirkung der Auftausalze beruht auf ihrer hohen Löslichkeit in Wasser und der damit zusammenhängenden Erniedrigung des Gefrierpunktes.

Der massive Einsatz von Streusalz wirkt sich jedoch auf Boden, Pflanzen, Wasser und Fahrzeuge negativ aus. Im Boden verringern sich durch Auftausalze das Porenvolumen, der Sauerstoffgehalt und die Durchwurzelbarkeit. Dadurch wird auch das Wurzelwachstum gestört. Der Gasaustausch und die Wasserleitfähigkeit des Bodens werden gehemmt. Hinzu kommt eine Verringerung der für die Humusbildung wichtigen Mikroorganismen und eine negative Veränderung ihrer Artenzusammensetzung.

Hier wird nicht gestreut
Alexander Stahr

Häufig sind an Straßenbäumen Schäden bei hohen Streusalzgaben zu beobachten. Durch Streusalz geschädigte Bäume zeigen ein vermindertes Wachstum, vorzeitigen Laubfall, Wipfeldürre und auffällige Blattverfärbungen in der Vegetationszeit. Dies ist neben den negativen physikalischen Auswirkungen des Streusalzes auf den Boden in einer ungenügenden Versorgung betroffener Bäume mit Nährstoffen begründet. Der Einsatz von Streusalz ist deshalb zum Teil schon reduziert worden.

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