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Schranken im Kopf und im System - Warum qualifizierte Einwanderer so schwer einen Job finden

Früher Professor, heute Taxifahrer: Obwohl in vielen Bereichen der Arbeitswelt Kräftemangel herrscht, bleiben viele qualifizierte Einwanderer oft ohne passenden Job. Und das obwohl hochrangige Firmen und Einrichtungen um Spitzenanwärter aus der ganzen Welt konkurrieren - dabei bleibt jedoch das kostbare Wissen Vieler an der Grenze des Landes zurück.
MAH / Universität Duisburg-Essen

Ausländische Akademiker werden oft weder rechtlich noch gesellschaftlich als Hochqualifizierte gesehen oder anerkannt.

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Den Gegensatz zwischen dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften einerseits und dem ungenutzten Potenzial ausländischer Kräfte andererseits haben Anja Weiß der Universität Duisburg-Essen und ihre Kollegen näher untersucht. Sie wollten vor allem wissen, wo die Hürden in Gesellschaft und Arbeitswelt liegen - und warum auch gut ausgebildete Einwanderer oft in berufliche Sackgassen geraten. Für ihre Studie interviewten sie über 200 gut und sehr gut ausgebildete Einwanderer und verglichen deren Zugang zum Arbeitsmarkt in den Ländern Deutschland, Kanada, Türkei und Großbritannien.

Die Hürden beginnen schon mit der Einwanderung

Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig die Anerkennung kulturellen Kapitals wie der Bildung ist – und wie wenig dies bei uns geschieht: Meistens kommen ausländische Akademiker rein formell als Flüchtlinge, Undokumentierte, Ehepartner oder Studierende ins Land. Dabei werden sie oft weder rechtlich noch gesellschaftlich als Hochqualifizierte gesehen oder anerkannt.

Viele Akademiker sind dadurch dauerhaft unter ihrem Arbeitsniveau tätig. Die  Suche nach einem geeigneten Job endet immer wieder in einer Sackgasse. Auch die soziale Stellung und Anerkennung bleibt so häufig trotz Ausbildung aus. Zusätzlich können auch Arbeitsverbote und Einschränkungen zu Misserfolgen führen.

Diskriminierung trotz akademischen Titels

Der Nachweis und die Anerkennung der Ausbildung und des beruflichen Werdegangs sind häufig problematisch.

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Die betroffenen Migranten berichteten dabei von ganz verschiedenen Situationen, die verdeutlichen, dass auch eine Ausbildung nicht immer vor Ablehnung schützt. Eine bereits anerkannte Asylbewerberin berichtet: „Ich bin zur Gesundheitsbehörde gegangen und habe gesagt: ‚Ich habe im Irak als Oberärztin gearbeitet und bin jetzt auch in Deutschland als Ärztin anerkannt worden‘. Dann hat der gesagt: ‚Nein, eher können Sie als Putzfrau arbeiten, aber Ärztin geht nicht‘.“ Solche Probleme zeigen sich bei der Jobsuche von vielen - obwohl hierzulande der Ärztemangel beispielsweise sehr stark ausgeprägt ist.

Auch hochqualifizierte Einwanderer bleiben manchmal sogar von offenem Rassismus nicht verschont. So erlebte ein Informatiker afrikanischer Herkunft einen Arbeitgeber, der beim Vorstellungsgespräch verblüfft ausrief: „Aber Sie sind ja schwarz!“ Die Folge: Viele hochqualifizierte Arbeitskräfte integrieren sich in Positionen, in denen sie es auch mit ausländischen Klienten zu tun haben. Diese Bereiche nennen die Experten „ethnisierte“ Tätigkeitsfelder. Hier werden ihre internationalen Erfahrungen geschätzt, die Bezahlung ist jedoch meist schlechter und die Aufstiegschancen gering - von der gelungenen Integration mal ganz zu schweigen.

Voraussetzungen unterscheiden sich stark

Dabei sind die Gründe und die Probleme einer mangelnden Anstellung vielfältig. „Solche Entwicklungen sind immer mehrdimensional zu sehen. Die Suche nach Arbeit ist auch mit Prozessen der Familiengründung verwoben“, sagt Weiß: „Und auch rechtliche Beschränkungen spielen in andere Lebensbereiche hinein.“ Migranten, die ohne Papiere in Deutschland leben, können derzeit nur durch eine Ehe der Illegalität entkommen. Trotzdem lehnten es einige Interviewpartner ab, gerade deshalb zu heiraten. Und Frauen mit befristeter Arbeitserlaubnis verwiesen darauf, dass sie unter diesen Umständen kein Kind bekommen können.

Die Forscher stellten aber auch Unterschiede je nach Herkunftsland und Arbeitsmarkt heraus. Zum einen werden Abschlüsse und Titel einiger Länder faktisch nicht anerkannt, zum anderen stehen die Türen mancher Berufsfelder eher offen als andere. Dies konnten die Forscher länderübergreifend beobachten: So streben Manager vor allem verhandlungssichere Sprachkenntnisse an und natürlich spielt gerade Englisch in einigen Berufsfeldern eine wichtige Rolle, wie beispielsweise den Naturwissenschaften. Dafür sind hier andere Hürden seltener. Die Ärzteschaft kämpft dagegen eher damit, bürokratische Barrieren zu überwinden, etwa der Zulassung.

Neues Studium kann helfen

Bislang fehlt auch bei der Arbeitsagentur ein grundlegendes Verständnis für die Komplexität der Arbeitsmarktintegration, so die Autoren. Diese bietet zwar Weiterbildungen an, aber auch diese werden nur teilweise anerkannt. Dies ist einer der Gründe für die Einrichtung des Projekts ProSALAMANDER der Universität Duisburg-Essen. Es bietet ein passgenaues deutsches Studium für migrierte Akademiker. Dabei werden viele Qualifikationen angerechnet, so dass in verkürzter Zeit ein deutscher Abschluss erreicht werden kann. Dann muss eine Wirtschaftsingenieurin nicht als Kassiererin arbeiten, sondern sie kann wieder Chefin werden – so wie in der Zeit, bevor sie sich in einen Deutschen verliebt hat.

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