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Skifahren - vom Individualsport zur Partyzone

von wissen.de-Autor Richard Steiger

Der Kampf um Hundertstel Sekunden

Das waren Zeiten, als es noch keine Lifte gab, noch keine poppige Rennbekleidung oder Bergrestaurants. Man durfte sich noch als Individualist fühlen, umgeben von einem Hauch von Abenteuer, von Bergeinsamkeit, um im jungfräulichen Schnee seine ganz persönliche Handschrift zu hinterlassen. Aber teutonischer, holländischer und britischer Kolonialisierungswahn machten auch vor den Bergen nicht Halt und so steigt heute die Stimmung proportional zum Alkoholkonsum, wenn DJ Ötzi und seine Nachahmer auf über 2000 Meter aus den Boxen dröhnen und der Bass auch dem letzten Naturliebhaber die Botschaft in die Eingeweide hämmert: This is a party-zone!

Dabei war Après-Ski bei den Urvätern des Skifahrens eher out. Die Norweger benutzten ein Holzscheit als Verbreiterung der Schuhsohle, um ein Einsinken in den Schnee zu verhindern. Dieses Scheit, später Ski genannt, war schon vor 5000 Jahren als Verkehrsmittel und Jagdgerät beliebt. Um den Ski aber auch in Mitteleuropa bekannt zu machen, bedurfte es so legendärer Gestalten wie dem Amerikaner "Snowshoe-Thompson" - er brachte die Post auf Skiern und legte dabei bis zu 200 Kilometer durch Amerikas eingeschneite Rockies zurück - oder dem Norweger Fridjof Nansen, der 1888 Grönland auf zwei Brettern durchquerte.

Erstaunlich, dass der heutige Zuschauermagnet der Winterolympiade, der alpine Skisport, lange Zeit keine Berücksichtigung im olympischen Programm fand. Erst 1936 in Garmisch-Partenkirchen wurden erstmals Medaillen für die Besten der alpinen Kombination, der Addition aus Slalom und Abfahrt, vergeben. Eine weise Entscheidung, denn die Sieger der alpinen Wettbewerbe wurden zu den Legenden der Winterolympiade. Namen wie Toni Sailer oder Jean-Claude Killy - beide drefache Olympiasieger in Abfahrt, Riesenslalom und Kombination - sind in den Annalen der Sportgeschichte verewigt. Wo übrigens heute um Hundertstel und Tausendstel gekämpft wird, da siegte beispielsweise Toni Sailer noch mit einem beruhigenden Abstand von 6,5 Sekunden im Riesenslalom.

Es ändern sich eben die Zeiten. Einer jugendlichen Protestbewegung gleich sind in den letzten 25 Jahren das Freestylefahren - was ´, Springen und Akrobatikski beinhaltet - und das Snowboarden als eigenständige Subkulturen mit individueller Mode, Musik und Sprachjargon aus dem Skifahren hervorgegangen und haben völlig zu Recht Aufnahme ins olympische Programm gefunden, obwohl sich Ein- und Zweibrettfahrer lange Zeit misstrauisch beäugten. Bleibt nur zu hoffen, dass auf den Pisten eine friedliche Koexistenz gewahrt bleibt.

Aber spätestens beim dritten Jagatee und dem "Anton aus Tirol" setzt ja bekanntlich die große Versöhnung ein!

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