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Sun-to-Liquid: Treibstoffe aus Licht und Luft

Es klingt fast wie Science-Fiction: Kann man wirklich Kraftstoffe wie Kerosin, Diesel oder Methanol nur mit Luft und Sonnenlicht herstellen? Was wie Zauberei klingt, ist tatsächlich schon machbar. Die Technologie dahinter nennt Sun-to Liquid. Dabei nutzt man die Hitze der Sonne und einen Katalysator, um CO2 und Wasserdampf aus der Luft chemisch umzuwandeln. Aber wie funktioniert das? Und kann das auch wirtschaftlich konkurrenzfähig sein?
NPO, 11.11.2021

Der chemische Prozess wird mit Sonnenenergie angetrieben.

 ETH Zürich / Alessandro Della Bella

Bisher werden die meisten Kraftstoffe aus Erdöl und damit einem fossilen Brennstoff hergestellt. Kerosin, Benzin und Co tragen daher stark zum Treibhausgas-Ausstoß der Menschheit und damit zum anthropogenen Klimawandel bei. Es geht aber auch anders: Wenn Treibstoffe aus nachwachsendem Pflanzenmaterial produziert werden oder für ihre Synthese sogar das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft verwendet wird, kann dies den Klima-Fußabdruck solcher Synthese-Kraftstoffe erheblich senken und sie sogar klimaneutral machen.

Eine Methode, um klimaneutrale Kraftstoffe herzustellen, ist die sogenannte Sun-to-Liquid-Technologie. Sie kann mithilfe der Energie und Hitze des Sonnenlichts zunächst Synthesegas und über einen weiteren Schritt flüssige Kraftstoffe wie Kerosin und Methanol erzeugen. Wie das funktioniert, demonstriert seit 2019 eine Pilotanlage auf dem Dach ETH Zürich.

Erster Schritt: CO2-Abscheidung aus der Luft

Sie besteht zum einen aus einer Filteranlage, die CO2 aus der Umgebungsluft einfängt. Dafür wird eine flüssige Absorbersubstanz verwendet, die das CO2 bindet und in einem zweiten Schritt als konzentriertes CO2-Gas wieder abgibt. Die Testanlage kann auf diese Weise rund 2.000 Kubikmeter Luft pro Stunde filtern und daraus pro Tag acht Kilogramm reines CO2 und je nach Luftfeuchtigkeit 20 bis 40 Kilogramm Wasser gewinnen.

Solche Anlagen zur Abscheidung von CO2 aus der Luft liefern nicht nur das als chemischer Rohstoff wichtige Gas – sie tragen gleichzeitig dazu bei, den CO2-Gehalt der Luft zu mindern. Eine solche CO2-Abtrennung kann beispielsweise helfen, Abgase von Kraftwerken oder Industrieanlagen zu reinigen und ihre CO2-Ausstoß zu senken. Filtert man damit die Umgebungsluft, könnten solche Anlagen die Treibhausgas-Konzentration der Atmosphäre verringern – sofern sie effizient arbeiten und in großem Stil eingesetzt werden. Die kleine Pilotanlage in Zürich entzieht der eingesaugten Luft immerhin rund 30 bis 60 Prozent ihres ursprünglichen CO2-Gehalts.

Die Forschungsanlage produziert Syngas, welches mittels konventioneller Methanol- oder Fischer-Tropsch-Synthese in flüssige Treibstoffe weiterverarbeitet werden kann.

ETH Zürich / Alessandro Della Bella

Zweiter Schritt: Die Spaltung der Gase

Nachdem CO2 und Wasser aus der Luft abgeschieden sind, folgt nun der zweite Prozessschritt. Dafür wird das CO2 auf bis zu zwölf Bar komprimiert und gemeinsam mit dem Wasser in eine solare Redox-Einheit geleitet – einer Art Sonnenofen. Ein Parabolspiegel konzentriert dafür das Sonnenlicht um das 3.000-Fache und erzeugt so im Inneren des Ofens eine Temperatur von 1.500 Grad Celsius.

Weil das allein nicht ausreicht, um CO2 und Wasserdampf reagieren zu lassen, kommt zusätzlich nein Katalysator zum Einsatz: Eine Struktur aus dem keramischen Material Ceriumoxid begünstigt die Aufspaltung der Gase und wandelt sie in eine Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff um. Diese auch als Synthesegas bezeichnete Mischung kann im Prinzip direkt als Brennstoff genutzt werden oder um Wasserstoff daraus zu gewinnen. „In einem repräsentativen Tagesbetrieb beträgt die produzierte Menge an Syngas etwa 100 Standardliter“, berichtet Projektleiter Aldo Steinfeld von der ETH Zürich.

Rund einen Deziliter Treibstoff kann zurzeit pro Tag produziert werden.

ETH Zürich / Alessandro Della Bella

Dritter Schritt: Vom Syngas zum Kraftstoff

Bei der Sun-to-Liquid-Technologie wird das Synthesegas nicht direkt verwendet, sondern dient als Rohstoff für das gewünschte Endprodukt – flüssige Kraftstoffe. Das dafür genutzte Verfahren, die Fischer-Tropsch-Synthese, wird schon seit Jahrzehnten zur Erzeugung von Benzin, Diesel, Kerosin und andren Treibstoffen aus Erdgas oder Synthesegas eingesetzt. Dabei reagiert das Gas unter Druck, Hitze und in Gegenwart von Katalysatoren zu Kohlenwasserstoffketten.

In Zürich ist die Kraftstoff-Ausbeute der Pilotanlage allerdings noch eher gering:  „Unsere Mini-Solarraffinerie ist eine Anlage für Forschungszwecke,  sie produziert dementsprechend nur kleine Treibstoffmengen“, erklärt Steinfeld. Die rund 100 Liter Syngas pro Tag ergeben bei der weiteren Umwandlung etwa einen halben Deziliter reines Methanol. Aber wenn man solche Anlagen auf industriellen Maßstab hochskalieren würde, sähe dies schon anders aus: Würde man statt der rund fünf Kilowatt thermischer Solarenergie einfangenden Anlage Sonnenöfen mit 100 Megawatt aufstellen, könnte man damit 95.000 Liter Kerosin am Tag erzeugen – genug um einen Airbus A350 von London nach New York und zurück zu bringen.

Übergang zu klimafreundlicheren Kraftstoffen

Das große Plus der Sun-to-Liquid-Technologie ist ihre Klimabilanz: Anders als bei konventionellen Kraftstoffen auf Basis von Erdöl, Erdgas oder Kohle verursacht die Kraftstoffproduktion mit CO2 und Sonne erheblich weniger CO2-Emissionen. „Die Ökobilanz der Produktionskette von solaren Treibstoffen zeigt, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Kerosin zu 80 Prozent vermieden werden können und dass sie gegen Null gehen, wenn die Materialien für den Bau der Produktionsanlagen wie Glas und Stahl mit erneuerbaren Energien hergestellt werden“, erklärt Steinfeld.

Der Haken jedoch: Die Konstruktion der Anlagen erfordert hohe Investitionen, die die Kraftstoffe aus solarer Produktion zumindest anfangs noch teurer machen würden als herkömmliches Kerosin oder Benzin. Doch je mehr solarer Kraftstoff erzeugt und verwendet wird, desto günstiger wird es. „Bereits bei einem Anteil von 10 bis 15 Prozent wird gemäß unseren Berechnungen solares Flugbenzin gleich viel kosten wie fossiles Kerosin“, sagt Anthony Patt von der ETH Zürich. Zumindest als Übergangslösung hin zu einem Flug- oder Fahrzeugverkehr ganz ohne Kohlenwasserstoff-Treibstoffe könnten sich die Produkte der Sun-to-Liquid-Technologie demnach lohnen.

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